Noch mehr Tode bei Polizeieinsätzen in 2022 – Neue Rechercheergebnisse: Zahl der Tode bei Polizeieinsätzen 2022 erhöht sich um 6 Menschen

CN: Tod, Polizeigewalt

Am 15. Januar veröffentlichten wir hier die schockierende Recherche von 30 Toden, die bei Polizeieinsätzen im Jahr 2022 stattfanden. Leider müssen wir nun, zwei Monate später, am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt, diese Recherche ergänzen. Wir müssen ganze sechs weitere Fälle hinzufügen.
Warum haben wir diese Fälle bei unserer ersten Recherche nicht finden können?
Eine spannende Frage, denn daran zeigt sich noch eindeutiger als zuvor, dass die Polizei keine Aufklärung und Öffentlichkeit zu diesen Fällen herstellt. Zu finden waren diese Todesfälle (bis auf teilweise den Pforzheimer Fall) nicht in einsehbaren Presseberichten der Polizei oder anderen Medien, sondern nur auf explizite Nachfrage bei den Behörden. Nach Jahresende wurde folgende Anfrage an alle Innenminsterien der Bundesländer und den Bund gestellt:

„Bitte geben Sie uns eine vollständige Liste mit allen Fällen bei denen ein oder mehrere Menschen im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz direkt oder an den Folgen im Jahr 2022 gestorben sind. Bitte nennen Sie Ort und Datum des Vorfalls. Außerdem ob Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen eingeleitet wurden und was der Verfahrensstand ist.”

Nur zu zwei der sechs Fällen gibt es eine polizeiliche Pressemitteilung, in Pforzheim und Herford. In Herford sind die Angaben dabei sehr ungenau und die Information, dass die Person später an den Folgen des Polizeieinsatzes verstarb, geht nicht aus der Mitteilung hervor.
Ganz konkret ergeben sich nach diesen Ergänzungen für uns folgende Fragen:
Was passierte in Düren und Ravensburg und warum wurde nicht über diese Fälle berichtet? Wurden sie bewusst verschwiegen? Warum gab es im Kreis Düren und im Rhein-Kreis-Neuss keine Ermittlungsverfahren?
Warum schließt die Polizei ihr eigenes Fehlverhalten in Diez kategorisch aus, wenn eine konkrete Todesursache nicht benannt werden konnte? Warum ist ein Tod eines Menschen in Polizeigewahrsam den Polizeibehörden nicht einmal eine Meldung wert? Dies erinnert sehr stark an den Fall von Giorgos Zantiotis. Er starb auch in Polizeigewahrsam und erst nach öffentlichem Druck, gaben die Behörden Stück für Stück Informationen preis.
Der Umstand, dass die Fälle der Polizei offenbar bekannt sind, aber nicht einmal in den öffentlichen Presseportalen eine Berichterstattung wert waren, zeigt zwei Dinge: Es gibt Tode bei Polizeieinsätzen, von denen die Polizei offensichtlich jede Aufmerksamkeit systematisch ablenken möchte. Und zweitens kann nun ganz eindeutig nicht mehr ausgeschlossen werden, dass es noch viele weitere solcher Fälle gibt, über welche keine Pressemitteilungen gemacht wurden. Vom Bund und den Bundesländern Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Sachsen gibt es beispielsweise keine Rückmeldung. Wie hoch ist die Dunkelziffer der Todesfälle?
Außerdem wurden laut den Behörden nur 21 Tode bei Polizeieinsätzen 2022 aufgelistet. Das zeigt, dass die (eigene) Rolle der Polizei in diesen Fällen meist gar nicht als aktiver Einfluss auf den Tod wahrgenommen wird, was die Antworten der Behörden noch unzuverlässiger macht. Dem gegenüber steht unsere Recherche von mittlerweile schon 36 Fälle von Toden bei Polizeieinsätzen in 2022 – und zeigt eine große Lücke auf.
Auch scheinen die Behörden manchmal selbst nicht zu wissen, was sie wissen, oder sie antworten wie es ihnen gerade recht ist. So wird in diesem Zeitungsartikel (https://zeit.de/gesellschaft/2023-02/polizeigewalt-tote-einsatz-debatte ; hinter einer Paywall), darauf verwiesen, dass die Behörden aus Baden-Württemberg keine Zahlen nannte – in der Anfrage von FragdenStaat wurden allerdings von vier Fällen in Baden-Württemberg berichtet.
Noch stärker als vorher ist uns bei dieser Recherche klar geworden: wir können den Aussagen der staatlichen Behörden aktuell nicht trauen – weder in ihrer Berichterstattung, noch auf Nachfrage. Ein komplettes Bild der Lage gibt es nicht.

Zur Vollständigkeit der Auflistung, und um die einzelnen Fälle in ihrer Komplexität zu betonen, haben wir in diesem Beitrag noch einmal alle 36 uns bekannten Fälle aufgelistet. Nur die sechs neu bekannt gewordenen Fälle sind im weiteren Detail beschrieben, während die Beschreibungen und Quellenangaben zu den übrigen Fällen in unserem ersten Beitrag zu finden sind.

Alle Fälle tödlicher Polizeieinsätze

2021-12-16* Nordrhein-Westfalen, Rhein-Kreis-Neuss, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist an einem unbekannten Tag im Jahr 2022 an den Folgen eines Polizeieinsatzes am 16.12.21 im Rhein-Kreis-Neuss verstorben. Der genaue Todestag ist nicht bekannt. Genauso wenig irgendwelche Informationen zu dem Einsatz. Es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen die Beamt*innen eingeleitet.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
*Das Datum ist das Einsatzdatum. Der Todeszeitpunkt ist in 2022, aber nicht genauer bekannt.
Quelle(n):
FragdenStaat

2021-12-26* Nordrhein-Westfalen, Kreis Herford, Name unbekannt

Am 26.12.21 gab es einen versuchten Femizid im Kreis Herford und einen Toten durch den ausgelösten Polizeieinsatz. Ein Mann hat eine Frau in einer Wohnung mit einer Stichwaffe verletzt. Als die Polizei eintraf, soll er mit einer Schusswaffe auf die Beamt*innen gezielt haben. Durch Schüsse der Beamt*innen schwerverletzt kam er ins Krankenhaus, wo er an einem unbekannten Tag im Jahr 2022 verstarb. Die verletzte Frau kam ebenfalls ins Krankenhaus. Es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen die Beamt*innen eingeleitet.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
*Das Datum ist das Einsatzdatum. Der Todeszeitpunkt ist in 2022, aber nicht genauer bekannt.
Quelle(n):
FragdenStaat
PM der Polizei

2022-01-04 Thüringen, Jena, Name unbekannt

2022-01-06 Nordrhein-Westfalen, Bonn Name unbekannt

2022-02-01 Hessen, Gemünden, Name unbekannt

2022-02-09 Hamburg Name unbekannt

2022-02-24 Bayern, Gunzenhausen Name unbekannt

2022-02-25 Thüringen, Schmölln Name unbekannt

2022-03-03, Rheinland-Pfalz, Diez, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist am 03.03.22 in Diez in Polizeigewahrsam verstorben. Laut Behörde konnte durch eine Obduktion die konkrete Todesursache nicht festgestellt werden. Die Polizei schließt ein Fehlverhalten der Beamt*innen aus.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat

2022-03-20 Bayern, Grünthal Daniel Scherschin

2022-04-07 Nordrhein-Westfalen, Bochum Name unbekannt

2022-04-08 Bayern, München, Name unbekannt

2022-04-12 Nordrhein-Westfalen, Neukirchen-Vluyn Name unbekannt

2022-04-27 Berlin Marcel K.

2022-05-02 Hessen, Offenbach Name unbekannt

2022-05-02 Baden-Württemberg, Mannheim A. P.

2022-05-04 Baden-Württemberg, Pforzheim, Name unbekannt

Ein 46-jähriger Mannes ist am 04.05.2022 in seiner Wohnung in Pforzheim verstorben. Im laufe des Tages, wurde der Mann wegen eines Treppensturzes in einem Pforzheimer Krankenhaus behandelt und entließ sich anschließend selbst. Seine Lebensgefährtin vermutete jedoch, dass nicht der Treppensturz ursächlich für den Tod des Mannes war, sondern ein vier Tage zuvor stattgefundener Polizeieinsatz. Bei diesem soll der Mann einer Aufforderung der Polizei das Revier zu verlassen nicht nachgekommen sein. Daraufhin schoben die Beamt*innen den Mann unter Anwendung unmittelbaren Zwanges aus dem Revier, wobei dieser stürtze. Aufgrund der unklaren Sachlage zum Tod des Mannes wurde eine Obduktion angeordnet, zu dessen Ergebnis keine weiteren Informationen gefunden werden konnten.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat
PM der Polizei

2022-05-10 Baden-Württemberg Name unbekannt

2022-07-04 Sachsen-Anhalt, Weißenfels, Name unbekannt

2022-07-05 Baden-Württemberg, Ravensburg, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist am 07.05.22 in Ravensburg an den Folgen eines Polizeieinsatzes verstorben. Es sind keine Informationen zu dem Einsatz bekannt. Es wurden Ermittlungen gegen Beamt*innen eingeleitet, aber diese sind noch nicht abgeschlossen.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat
PM der Polizei

2022-08-02 Hessen, Frankfurt Amin F.

2022-08-03 Nordrhein-Westfalen, Köln Jozef Berditchevski

2022-08-07 Nordrhein-Westfalen, Oerkenschwick/Recklinghausen Name unbekannt

2022-08-08 Nordrhein-Westfalen, Dortmund Mouhamed Lamine Dramé

2022-08-21 Nordrhein-Westfalen, Kreis Düren, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist am 21.08.22 im Kreis Düren an den Folgen eines Polizeieinsatzes verstorben. Es sind keine Informationen zu dem Einsatz bekannt. Es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen die Beamt*innen eingeleitet.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat

2022-09-04 Berlin Name unbekannt

2022-09-04 Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach Name unbekannt

2022-09-07 Sachsen, Leipzig Name unbekannt

2022-09-08 Bayern, Ansbach Name unbekannt

2022-10-06 Berlin Kupa Ilunga Medard Mutombo

2022-10-19 Nordrhein-Westfalen, Dortmund Name unbekannt

2022-10-24 Nordrhein-Westfalen, Zülpich-Linzenich Timo R.

2022-11-17 Nordrhein-Westfalen, Enger, Hikmet T.

2022-11-18 Hessen, Using Name unbekannt

2022-12-10 Sachsen, Dresden David W.

2022-12-15 Hessen, Hattersheim Name unbekannt

Als zusätzliche Quellen, alle beantworteten Rückmeldungen der Behörden:

Wir kennen nicht alle Namen. Wir kennen leider auch nicht alle Positionen der Angehörigen. Falls es von Angehörigen, sei es Familie, Freund*innen oder Bekannten, an einer unserer Darstellungen Anmerkungen oder Kritik gibt, kontaktiert uns gerne unter:

initiative_topa [ät] riseup [dot] net

Dies gilt ebenfalls für das Ergänzen, Korrigieren und Öffentlichmachen von weiteren Informationen (z.B. Namen, Personeninformationen, Infos oder eure offenen Fragen zur Tat). Auch darüber hinaus sind wir für Kritik und Anmerkungen (z.B. zur Sprache, Listung) offen, gerade da uns die Sensibilität und Schwere des Themas bewusst ist.

„Combat 18“ Mitglied und Rechtsrock Frontsänger arbeitet in Bochum

Marko Gottschalk mit Brothers of Honour Jacke in Themar am 05.07.2019 Quelle:Pixelarchiv

Marko Gottschalk, Kopf der Rechtsrockband „Oidoxie“ und Mitglied in der rechtsterroristischen Vereinigung „Combat 18“, , arbeitet seit einigen Jahren in Bochum bei dem Unternehmen „ImmoKonzept“. Dort ist er in dem Bereich Bau tätig. Mit ihm erhält eine Person mit klaren Bezügen zum Rechtsterrorismus Zugang zu verschiedenen Immobilien, Firmen und Privatwohnungen. Momentan arbeitet Gottschalk regelmäßig bei der Sanierung der neuen „Milestone“-Immobilie der „DGC-Gruppe“ an der Wittener Straße 87 in Bochum. Dort entsteht auch der neue Hauptsitz seines Arbeitgebers „ImmoKonzept“.

 

Gottschalk und Oidoxie
Doch wer ist eigentlich Marko Gottschalk. Gottschalk bewegt sich seit Ende der 80er-Jahre in, in der „Skinhead- bzw. nationalen Bewegung“ (Zitat Gottschalk). Er ist der Frontsänger der Dortmunder Rechtsrockband „Oidoxie“ und hat somit auch eine symbolische Strahlkraft weit über die Neonaziszene im Ruhrgebiet und in Westdeutschlands hinaus. Mit seinen Bandprojekten tritt er auf nahezu allen größeren Rechtsrockfestivals auf und verhilft der militanten Neonaziszene damit zu Geldeinnahmen. Gerade das Bandprojekt „Oidoxie“ zählt zu den Zugpferden des deutschen Rechtsrock und wird auch bei internationalen Neonaziveranstaltungen gerne gebucht. Rechtsrockkkonzerte zählen zu den zentralen Einnahmenquellen der deutschen Neonaziszene und wirken auf die Zuhörenden gewaltsteigernd. Immer wieder kommt es im Rahmen von Rechtsrockkonzerten zu Gewaltausbrüchen und Volksverhetzung.
„Oidoxie“ entstand im Laufe und als Produkt der 90iger Jahre als rechte Straßengewalt einen traurigen Höhepunkt erlebte und ist als Band den rechtsterroristischen Netzwerken „Blood&Honour“ und „Combat18“ zuzuordnen. „Blood&Honour“ wurde im Jahr 2000 in Deutschland verboten. Das Verbot von „Combat18“ erfolgte erst im Jahr 2020 nachdem staatliche Strukturen aufgrund einer umfassenden antifaschistischen Recherche aus dem Jahr 2018 unter Zugzwang gerieten.

Straßengewalt und rechter Terror
Von den 90igern schwärmte Gottschalk noch vor wenigen Monaten in einem Interview eines neonazistischen Videoformats als er von seiner Skinheadclique und den Auswärtsfahrten dieser erzählte. Dass diese Zeit von Gewalt gegen Migrant:innen, Obdachlose und allen weiteren, die nicht ins Weltbild der Neonazis passten, geprägt waren, lässt er in seinen Verlautbarungen außen vor. Dass seine Band „Oidoxie“ klare Bezüge zu Combat 18 und somit zum organisierten Rechtsterrorismus aufweist, steht außer Frage. So widtmete Gottschalk das Lied „Terrormachine“ jener rechtsterroristischen Gruppierung. Dort heißt es unter anderem: „Fighting for our nation, fighting against the scum, If you see the hate in our face, you should better run, Fighting for better nations, we want our cities clean, This is the terrormachine, this is Combat 18!“. Was für Gottschalk Kunstfreiheit ist, ist für die Adressat:innen solcher Texte ein klarer Aufruf zur Gewalt. Dass diese Gewalt mit einem rassistischen Weltbild legitimiert wird, macht Gottschalk in einem weiteren Lied deutlich. In „Ready for War“ singt er „We are full of hate for you, C18 stands on our banner, A radical army for freedom, aryan blood, pride and honour“. Weiterhin heißt es dort: „We are Combat 18, who the fuck are you?“. Ein klares Bekenntnis zu Combat 18 seinerseits, was er auch mit einem Tattoo auf seiner Brust verdeutlicht. Auch mit seinem zweiten Rechtsrockprojekt „Straftat“ verherrlicht er Gewalt und ruft zu dieser auf: „Wir sind hier, um zu verletzen, Mit unseren Worten und unseren Texten, […], Dies ist eine Warnung, legt Euch nicht mit uns an,[…], Doch stellt ihr Euch uns in den Weg, Dann bleibt Euch nichts erspart“. Damit ruft er folglich zu politisch begründeten Morden auf. Fünf von diesen gab es in unserer Nachbarstadt Dortmund. So ermordete der Neonazi Michael Berger im Jahr 2000 drei Polizeibeamte. Berger war Teil der „Kameradschaft Dortmund“, der auch Gottschalk zuzurechnen war. Aus eben jener Kameradschaft rekrutierte Gottschalk zudem für seine „Oidoxie Streetfighting Crew“.

Marko Gottschalk mit C18 Tattoo auf der Brust Quelle: AIB

Streetfighting Crew und C18-Zelle
Dass es nicht nur bei verbalen Äußerungen bleibt zeigte die „Oidoxie Streetfighting Crew“, die sich rund um die Band Oidoxie und Marko Gottschalk als sogenannter Saalschutz gründete und aus der lokalen Neonazikameradschaft und aus Kasseler Kameradschaftstrukturen rekrutierte. Es ist bekannt, dass aus diesen Reihen eine 7-köpfige „Combat18“ Zelle von Gottschalk gegründet wurde.
So schoss das OSC-Mitglied Robin Schmiemann, der als Brieffreund der NSU Rechtsterroristin Beate Zschäpe bekannt wurde und noch heute zu „Combat18“ zu zählen ist, bei einem Raubüberfall auf einen Supermarkt einen Migranten nieder, welcher nur mit Glück überlebte. Der V-Mann Sebastian Seemann gab zudem an, dass er Waffen in diese militanten Dortmunder Nazistrukturen verkaufte. Marko Gottschalk selbst ruft nicht nur in seinen Liedern zu Gewalt auf, sondern übt sie auch aus. So griff er mit oben genannten Robin Schmiemann im Januar 2006 nach einer Demonstration eine Gruppe Gegendemonstrant:innen in Dortmund an. Bei dem Angriff schlugen sie mit Schlagwergzeugen auf diese ein. Für die Tat wurde Gottschalk nie rechtlich belangt, obwohl der Verfassungsschutz diese Tat beobachtete. Auch hier könnte man die Vermutung aufstellen, dass Sebastian Seemann nicht die einzige Person in Reihen der Streetfighting Crew war, die mit staatlichen Stellen kuschelte.

Der NSU und die Spuren in die Nachbarstadt
Was ebenfalls nicht gerichtlich aufgearbeitet wurde ist, in welcher Verbindung die NSU-Mordserie mit lokalen Neonazis aus Dortmund gestanden hat. Fakt ist, dass zum Zeitpunkt des Mordes an Mehmet Kubasik eine aktive „Combat18“-Zelle in Dortmund bestand. In einer Zeit als die Dortmunder Neonazis unter dem Motto „Dortmund ist unsere Stadt“ agierten. Nur zwei Tage nach dem Mord an Mehmet Kubasik erfolgte der NSU Mord an Halit Yozgat in Kassel. Aus beiden Regionen kamen Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“, in beiden Regionen waren „Combat18“ Strukturen aktiv. Kurz nach der Enttarnung des NSU setzte sich Gottschalk nach Schweden ab. Erst als deutlich wurde, dass die Ermittlungen nicht in Richtung Dortmund gehen werden, kam er im Jahr 2016 zurück nach Deutschland.

Und heute?
Marko Gottschalk ist auch nach den Verboten von „Blood&Honour“ im Jahr 2000 und von „Combat18“ im Jahr 2020 unter dem Label der Nachfolgeorganisation „Brothers of Honour“ tätig. Hier bei steht das B und das H des neuen Gruppennamens, als in der rechten Szene gängige Abkürzung für „Blood&Honour“. Auf Kutten, die der Rockerszene ähneln, befinden sich zudem Patches die ebenso Bezüge zu „Blood&Honour“ und „Combat18“ aufweisen. So tragen die Mitglieder den C18-Slogan „What ever it takes“ auf ihrer Brust. Ebenso das Chiffre „28FF28“, was ebenfalls „Blood&Honour Forever, Forever Blood&Honour“ bedeutet. Die 28 steht seit jeher für die Buchstaben B und H und somit für das verbotene neonazistische Netzwerk. Interessant hierbei ist, dass Gottschalk, der sich gerichtlich bescheiningen ließ, keine Führungsperson von „Combat18“ oder „Blood&Honour“ zu sein, unter dem neuen Label als „President“ auftritt und dieses gerichtliche Urteil ad absurdum führt. So trat er noch am 04.03.2023 mit eben dieser Kutte in Neumünster auf. Dort sollte ein Konzert der Neonaziband „Endstufe“ stattfinden. Nachdem die Polizei dieses verbot und auflöste, randalierten die anwesenden Neonazis und griffen die Polizeibeamten an.

Der Arbeitgeber und die Stadt

Marko Gottschalk im Werbevideo von ImmoKonzept

Fraglich ist wie eine Größe des deutschen Rechtsrock über Jahre in einer Firma in Bochum tätig sein konnte und dort sogar in Werbeclips auftritt, ohne dass sich jemand an Gottschalks Machenschaften stört. Das seine Freizeitgestaltung all die Zeit unbekannt gewesen sein soll scheint schwer vorstellbar. Spätestens bei Gottschalks „Skin“ Tätowierung am Hals, sollte sich die ein oder andere Person bereits Fragen gestellt haben. Auch in Anbetracht dessen, dass “ImmoKonzept” ein Business Partner des Vfl Bochum ist und Gottschalk womöglich so auch Zugang zu sensiblen Bereichen erhält, stellt die Anstellung von Marko Gottschalk ein Risiko dar. Für die Stadt Bochum zeigt es erneut, dass sich militante und gewaltaffinen Neonazis in Bochum bewegen. Vorangegangen Artikel haben unter anderem aufzeigen können, dass Gottschalk auch Kontakte zu in Bochum lebenden Neonazis pflegt, wie der Fall des „Streetfighting Crew“ Members Sebastian Mietze aufzeigte.

RechercheBO
13.03.23

Weitere Artikel:
Naziaktivistin bei der Schufa in Bochum
Combat 18 Nazi in Bochum
Hammerskins in Bochum

Gedenkaktion zum 27.01. in der Bochumer Innenstadt

Zum achten Mal laden wir gemeinsam mit dem Bochumer Bündnis gegen Rechts, der VVNEin grün hinterlegtes Bild von der Einfahrt von Auschwitz, mit den Eckdaten zur Veranstaltung. Eine Überschrift: " Kämpfen heißt erinnern!"-BdA und den Omas gegen Rechts zur Gedenkaktion am Internationalen Holocaust-Gedenktag zu einer Gedenkaktion in der Bochumer Innenstadt ein.
Am Donnerstag, den 27. Januar 2023, wird ab 14:30 Uhr auf dem Husemann-Platz an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtsungslagers Auschwitz durch die Rote Armee erinnert.
Wie in den vergangenen Jahren werden die Namen und letzten Wohnorte der Bochumer und Wattenscheider Opfer der Shoah verlesen.
Außerdem werden Passant*innen und Teilnehmer*innen der Gedenkaktion wieder die Möglichkeit haben, meterlange Transparente mit zusammengetragenen Namen der ermordeten Bochumer*innen und Wattenscheider*innen auf sich wirken zu lassen.

Antisemitismus, faschistische Ideologie und tödliche rechte Gewalt sind mit dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur nicht verschwunden. Auch heute, 78 Jahre nach der Shoah, werden auf offener Straße Jüdinnen und Juden antisemitisch angefeindet. Antisemitische Angriffe wie das tödliche Attentat in Halle 2019, die Schüsse auf die Bochumer Synagoge 2021 oder die Angriffe auf das Rabbinerhaus an der Alten Synagoge in Essen, die Bochumer und die Dortmunder Synagoge im November 2022 sollten wir als Mahnung nehmen, dass was geschehen ist, wieder geschehen kann. Es gilt, aus der Vergangenheit zu lernen.

non a parole – antifaschistisches kollektiv bochum

Antifaschistische Neujahrswanderung 2023

Am heutigen Sonntag fanden sich gegen 11 Uhr am Wittener Bahnhof gut 50 Leute zur ersten antifaschistischen Neujahrswanderung ein, um bei Sonne, Sturm und Ruhrhochwasser auf den Spuren der Roten Ruhrarmee zu wandern.

Nachdem man die vorbeifahrende Streife, die wissen wollte, ob man schon wieder auf dem Weg nach Lützerath sei, beruhigen konnte, ging es runter zur Ruhr.  Neben den informativen, spannenden und bisweilen auch unterhaltsamen Ausführungen eines Wittener Urgesteins zum großen Klassenkampf an Rhein und Ruhr, zeigten sich in den Ruhrauen Nutrias, Rehe und zahlreiche Vogelarten. Der angekündigte Sturm blieb zwar aus, aber kurz nach dem man Wetter betreten hatte, sorgte das Hochwasser doch noch für eine Umleitung der geplanten Wanderroute – und auch für einige nasse Füße.

Nach einem solidarischen Gruß nach Lützerath, der auf die bereits durch die Rote Ruhrarmee gemachte Erfahrung mit Staat und Polizei anspielte, ging es für den Großteil der Meute weiter nach Wetter. Die gemeinsame Wanderung endete schließlich am Bahnhof von Wetter, wo die Arbeiter*innen vor gut 100 Jahren die faschistischen Freikorps aufhalten konnten. Nach diesem Auftakt-Erfolg und dem allgemeinen Zuspruch wird es sicher nicht das letzte aktive Naturerlebnis ge

wesen sein.

Achtet also künftig auf das Logo der antifaschistischen Aktion mit dem Edelweiß!

Danke an alle Natufreund*innen und vor allem an unseren kompetenten und wissenden Guide!

Antifa Witten & Antifaschistische Linke Bochum, Januar 2023

 

Recherche: Tode bei Polizeieinsätzen 2022

CN: Tod, Polizeigewalt, Femizid

Hintergrund

Im August letzten Jahres erschossen Polizeibeamt*innen den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé. Sein Tod mobilisierte viele tausende Menschen gegen rassistische Polizeigewalt in Dortmund auf die Straße zu gehen. Auch uns beschäftigte dieser Fall sehr, vor allem weil er in einer Reihe mit weiteren bekannten Todesopfern bei Einsätzen durch die Polizei stand. Wir stießen auf viele Berichte von ähnlichen Situationen mit tödlichem Ausgang, aber eine vollständige Liste suchten wir vergeblich. So begann unsere Recherche zu tödlichen Polizeieinsätzen in Deutschland. Unser Ziel war eine Auflistung aller Personen, die im Jahr 2022 während oder in Folge einer polizeilichen Maßnahme gestorben sind. Auch wenn nicht alle Todesfälle so eindeutig auf die Täter*innenschaft der Polizei verweisen, wie der von Mouhamed Lamine Dramé, so stellt sich dennoch oft die Frage nach deren (Mit-)Verantwortung: Wäre die Person noch am Leben, wenn die Polizei nicht gekommen wäre?“

 

Insgesamt haben wir deutschlandweit 30 Fälle mit tödlichem Ausgang gefunden, die unseren Kriterien entsprechen. Davon verstarben allein 10 Menschen im Zusammenhang mit Einsätzen der Polizei Nordrhein-Westfalen. Die meisten dieser 30 tödlichen Polizeieinsätze sind weder aufgeklärt noch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und die Mehrheit der Vorgänge blieben ohne Konsequenzen für die Beamt*innen. 
Neben einer kurzen Beschreibung des Falls sind auch einige Quellen aufgeführt. Auch wenn die Quellenlage von Fall zu Fall stark variiert, haben wir versucht einschlägige und ausführliche Presseberichte, aktivistische Arbeiten oder Beiträge aus Perspektive der Angehörigen zu verlinken. Wenn es besonders wenig Informationen gab, verweisen wir auch auf Pressemitteilungen der Polizei. Hervorheben möchten wir zudem:

Alle Fälle tödlicher Polizeieinsätze

04.01.2022: Name unbekannt — Jena, Thüringen

Eine namentlich unbekannte Person ist am 04.01.2022 in Jena, Thüringen nach einem Polizeieinsatz im Krankenhaus verstorben. Der Mensch wurde ohnmächtig, als die Polizei ihn am 01.01.2022 gewaltsam fesselte. Laut dem Obduktionsgutachten hat der 40-jährige dabei schwere Kopfverletzungen erlitten und erlag ihnen nach drei Tagen im Krankenhaus.
Quelle(n):

06.01.2022: Name unbekannt — Bonn, NRW

Eine namentlich unbekannte Person ist am 06.01.2022 in Bonn, Nordrhein-Westfalen nach einem Polizeieinsatz im Krankenhaus gestorben.
Der Mensch ist auf der Flucht vor der Polizei am 24. Juli 2021 beim Klettern mit Pfefferspray besprüht worden und in einen Container gefallen. Nach der Festnahme verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch. Daraufhin lag der 21-Jährige im Koma und verstarb schließlich fünf Monate später. Seine Familie vermutet, dass er aufgrund seines illegalen Aufenthaltsstatus in Deutschland vor der Polizei fliehen wollte. Unklar ist ihnen, warum die Bodycams der Polizeibeamt*innen ausgeschaltet waren und wann die Rettungswagen nach der Festnahme gerufen wurden.
Quelle(n):

01.02.2022: Name unbekannt — Gemünden, Hessen 

Am 01.02.2022 wurde in Gemünden, Hessen ein namentlich Unbekannter 43-Jähriger von der Polizei angeschossen, nachdem er einen Femizid beging. Er verstarb im Krankenhaus in Marburg an seinen Verletzungen. Zuvor erstach er seine 41-jährige Frau mit einem Messer und fügte auch sich selbst Schnittwunden zu. Unklar bleibt wie viele Schüsse auf ihn abgegeben wurden und welche Rolle die Schussverletzung an der rechten Schulter bei seinem Tod spielte. Das hessische LKA ermittelte gegen zwei von den vier anwesenden Beamt*innen wegen Schusswaffengebrauchs. 
Quelle(n):

09.02.2022: Name unbekannt — Hamburg

Ein namentlich unbekannter, 33-jähriger Mann, verstarb am 9. Februar 2022 nach einer Festnahme mittels körperlicher Gewalt der Hamburger Polizei.
Die Polizei wurde nach eigenen Angaben durch eine*n Passant*in gerufen, da ein Mann in einem „offenbar verwirrten Zustand“ auf eine vielbefahrene Straße lief und verhaftete ihn daraufhin. Nachdem er nach der Festnahme „zur Feststellung seines Gesundheitszustandes“ in einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht worden war, verstarb er laut einer ersten polizeilichen Pressemitteilung noch am selben Tag. In einer zweiten PM wurde jedoch kommuniziert, dass der Mann schon bei der Ankunft am Krankenhaus kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Reanimierungsversuche blieben erfolglos. Der Einsatz sollte polizeiintern untersucht werden, eine genaue Obduktion zur Feststellung der konkreten Todesursache wurde angekündigt. Hierzu finden sich jedoch keine abschließenden Informationen.
Quelle(n):

24.02.2022: Name unbekannt — Gunzenhausen, Bayern

Ein namentlich unbekannter 47-Jähriger wurde am 24.02.2022 in Gunzenhausen, Bayern, durch die Schüsse von zwei Polizeibeamten getötet. Er soll am späten Abend vor seinem eigenen Haus randaliert haben, sodass Passant*innen die Polizei verständigten. Die eintreffenden Polizist*innen entdeckten Feuer im Haus und forderten die Feuerwehr als Unterstützung an. Bei den Löscharbeiten soll der Mensch die Beamt*innen mit einem Messer angegriffen haben. Eine Abwehr mit Pfefferspray scheiterte, woraufhin beide auf ihn schossen. Kurz darauf erlag der 47-Jährige in einer Klinik seinen Schussverletzungen. Wer und wie oft die Polizist*innen auf ihn schossen, bleibt ungeklärt –  genauso wie die Frage, ob es eine andere, nicht-tödliche Deeskalationsmöglichkeit gegeben hätte. Das LKA ermittelt. 
Quelle(n):

25.02.2022: Name unbekannt — Schmölln, Thüringen

Eine namentlich unbekannte Person ist am 25.02.2022 nach einem Polizeieinsatz im thüringischen Schmölln verstorben. Die Person verlor kurz nach Beginn des Polizeieinsatzes im Hausflur eines Mehrfamilienhauses aus ungeklärten Gründen das Bewusstsein und musste noch vor Ort von den anwesenden Rettungskräften reanimiert werden. Nachdem die Person erst wiederbelebt werden konnte, starb sie am darauffolgenden Samstag im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt gegen die beteiligten Beamt*innen.
Quelle(n):

20.03.2022: Daniel Scherschin — Grünthal, Bayern

Der 31-jährige Daniel Scherschin kam am Abend des 20. März 2022, nach einem Polizeieinsatz im bayrischen Grünthal ums Leben. Die Polizei stellte den, seit seinem 16. Lebensjahr an Schizophrenie leidenden, Mann auf der Brandlbergerstraße, nachdem seine Freundin die Polizei gerufen hatte. Er solle eine andere Person mit der Faust geschlagen haben. Kurz darauf starb Daniel beim polizeilichen Festnahmeversuch mit gefesselten Armen und Beinen.
Das Gutachten der Staatsanwaltschaft Regensburg zur Todesursache spricht von: „[…] Todeseintritt bei dem 31-jährigen Verstorbenen mit einem akuten Herzversagen im Rahmen der körperlich anstrengenden Widerstandshandlungen […].“ Das unabhängige, von der Familie in Auftrag gegebene Gutachten spricht von Stauungsblutungen, die durch starken Druck auf den Brustkorb ausgelöst werden können und widerspricht somit dem Gutachten der Staatsanwaltschaft. Auch die Body Cams der beteiligten Polizist*innen waren alle ausgeschaltet. Die Todesursache bleibt ungeklärt. 
Quelle(n):

07.04.2022: Name unbekannt – Bochum, NRW

Eine 46-jährige namentlich unbekannte Person ist am 07.04.2022 in Bochum in Verbindung mit einem Polizeieinsatz verstorben. Gegen 5:55 Uhr wurden die Polizist*innen nach Bochum Riemke gerufen. Der Grund für das Ausrücken der Polizei, außer dass die Person alkoholisiert gewesen sein soll, ist nicht geklärt. Nachdem die Polizist*innen den Mann ansprachen, soll dieser Widerstand geleistet haben. Daraufhin rief die Polizei Verstärkung. Die Person wurde überwältigt und gefesselt, dabei verlor sie das Bewusstsein und konnte nicht reanimiert werden. Die Person verstarb noch am Einsatzort. Nachdem „aus Neutralitätsgründen“ das angrenzende Polizeipräsidium aus Essen ermittelte, wurde „kein Fremdverschulden“ festgestellt und die verantwortliche Staatsanwaltschaft leitete kein Verfahren gegen die Polizist*innen ein. Wie so häufig liegen nur die Berichte der beteiligten Polizist*innen vor und eine neutrale Recherche bzw. eine konsequente Aufklärung wird erschwert. Als Todesursachen laut Polizeigutachten wird laut WAZ später „Intoxikation und Luftnot“ benannt. Ob die Luftnot mit der Überwältigung und Fesselung der Person zusammenhing, ist ungeklärt. 
Quelle(n):

08.04.2022: Name unbekannt — München, Bayern

Eine namentlich unbekannte 30-Jährige ist am 05.04.2022 nach einem Polizeieinsatz im Münchener Stadtteil Giesing im Krankenhaus verstorben. Die an manischer Schizophrenie leidende Frau soll ein ausgeliehenes Handy nicht zurückgegeben haben, woraufhin zwei Streifen am Ort des Geschehens eintrafen.
Die Frau wurde zu Boden gerungen und ihre Hände wurden gefesselt. Nachdem die Fesseln abgenommen wurden, floh sie und brach wenige Meter weiter wieder zusammen. Dort wurden ihr erneut die Hände gefesselt und die Frau wurde in die psychiatrische Klinik gebracht. Dem Personal fiel eine Armverletzung auf, daraufhin wurde die Frau auf die Intensivstation gebracht. Dort verstarb sie. Welche Verantwortung die Polizei für den Tod der 30-Jährigen hat, bleibt ungeklärt. 
Quelle(n):

12.04.2022: Name unbekannt — Neukirchen-Vluyn, NRW

Ein namentlich unbekannter Mann ist am 12.04.2022 in Neukirchen-Vluyn in Nordrhein-Westfalen von der Polizei erschossen worden. Nachdem die Polizei abends zur Wohnung des 50-Jährigen gerufen wurden, weil dieser in seiner Wohnung randaliert haben soll, brachen sie seine Tür auf. 
Der Mann soll der Polizei mit einem Messer gedroht haben, woraufhin das Spezialeinsatzkommando (SEK) kam. Er soll sich mit dem Messer auf die SEK-Beamt*innen zu bewegt haben, weshalb die Beamt*innen dem Mann mehrmals in den Oberkörper schossen und ihn dabei töteten. Er verstarb im Krankenhaus.
Über das Ermittlungsverfahren, das die Polizei Duisburg einleitete, ist bisher noch nichts bekannt.
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27.04.2022: Marcel K. — Berlin

Am 39 Jahre alten Marcel K., der am 27.04 an den Folgen eines Polizeieinsatzes am 20.04 in Berlin Schöneweide starb.
Der kranke und am Bein verletzte, wohnungslose Marcel K. suchte in dieser Nacht mit zwei Freunden einen geeigneten Schlafplatz, den die drei Freunde hinter einem Waschcenter in der Brückenstraße 1 fanden. Nachdem die Freunde einschliefen, wurden sie gegen 23 Uhr von Polizist*innen zur Räumung geweckt. Zwar konnten seine zwei Freunde fliehen, Marcel wurde jedoch von einem Beamten an seinem verletzten und stark schmerzenden Bein gepackt. Seine beiden Freunde konnten aus der Ferne beobachten wie mehrere Polizist*innen auf den am Boden liegenden Marcel einschlugen und ihm Pfefferspray ins Gesicht sprühten.
Marcel geriet in Atemnot und blieb danach leblos am Boden liegen. Ein Krankenwagen brachte den bewusstlosen Marcel K. in ein. Dort verstarb er am sieben Tage später an den Folgen des Polizeieinsatzes. Die Schönweider Initiative „A-Küche“ sowie Nachbar*innen solidarisieren sich seitdem in Form verschiedener Gedenkaktionen wie die Markierung des Tatorts oder machen mit Plakaten und Demonstrationen auf den Fall von Marcel K. aufmerksam.
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02.05.2022: Name unbekannt — Offenbach, Hessen

Ein namentlich unbekannter, 38-jähriger Mann, fiel in Offenbach, Hessen, in Folge eines Polizeieinsatzes vom Dach eines sechsstöckigen Hauses und verstarb noch vor Ort. #polizeitötet
Nachbar*innen hatten die Offenbacher Polizei wegen des Mannes gerufen, da dieser in seiner Wohnung „randaliert“ haben soll. Der Mann, der sich in der Vergangenheit „wegen psychischer Auffälligkeiten bereits mehrmals freiwillig in eine Fachklinik begeben“ haben soll, hatte der Polizei zufolge ein Messer bei sich und sei aggressiv aufgetreten. Daraufhin wurde das SEK zum Einsatz hinzugezogen. Dies eskalierte die Situation massiv und der Mann flüchtete auf das Dach des sechsstöckigen Gebäudes. Von dort stürzte er einige Zeit später und nach etwa sechsstündigem Einsatz in den Tod.
Untersuchungen zur Ursache des Sturzes wurden durch die Polizei angekündigt, Ergebnisse hierzu sind jedoch nicht zu finden.
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02.05.2022: A. P. — Mannheim, Baden-Württemberg

Der 47-Jährigen A. P. ist am 02.05.2022 in Mannheim, Baden-Württemberg, von der Polizei getötet worden. Am Mittag des 02.05. rief ein Arzt des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim die Polizei, da A. P. die Einrichtung ohne Vorankündigung verließ. Wenig später wurde A.P. vor einem Imbiss in der Mannheimer Innenstadt aufgefunden. Laut Polizei leistete A. P. Widerstand, weswegen die Polizei „unmittelbaren Zwang“ ausübte. A. P. kollabierte und musste noch vor Ort reanimiert werden. Er verstarb wenig später in der Mannheimer Universitätsklinik. Der Polizeieinsatz ist wenig später auf einem Handyvideo, gefilmt von einem Passanten zu sehen. Die Polizist*innen warfen A. P. demnach zu Boden, schlugen ihm wiederholt mit der Faust ins Gesicht bis dieser blutete und sprühten ihm aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht. Auch knieten sie sich auf dem am Boden liegenden A. P. Das Gutachten der Mannheimer Staatsanwaltschaft zur genauen Todesursache spricht von „Lage und fixationsbedingten Atembehinderung“, sowie von „Ersticken durch eine Blutung in die oberen Atemwege“. In den darauffolgenden Tagen forderten einige Hundert Demonstrierende und Initiativen in Mannheim und Heidelberg die konsequente Aufklärung des Falls und dessen möglicher rassistischer Komponente. Der Landeschef der GdP, Gundram Lottmann, entschied sich, seine Anteilnahme vor allen den beteiligten Polizist*innen auszusprechen. Gegen sie läuft ein Ermittlungsverfahren, eine öffentliche Aufarbeitung findet nicht statt.
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10.05.2022: Name unbekannt — Mannheim, Baden-Württemberg

Ein 31-jährigen Mann, Name unbekannt, verstarb am 10.05.2022 in Mannheim während eines Polizeieinsatzes. Laut polizeilicher Pressemitteilung habe der 31-jährige mit seiner 55-jährigen Mutter laut gestritten und sich im Verlauf dieser Auseinandersetzung selbst Schnittwunden hinzugefügt. Die durch eine*n Hausbewohner*in hinzugerufenen Beamt*innen verschafften sich gewaltsam Zutritt zu der Wohnung. Dort soll der Mann versucht haben, sie mit einem Messer anzugreifen. Nach vergeblichem Pfeffersprayeinsatz schoss ein Beamter ihm gezielt ins Bein, woraufhin der 31-jährige kurze Zeit später verstarb. Inzwischen (bereits im September) wurde das Verfahren gegen den schießenden Beamten eingestellt, da der Beinschuss laut Obduktionsbericht wohl nicht die (alleinige) Todesursache war. Auch hier scheint es dringenden Klärungsbedarf hinsichtlich polizeilicher Deeskalationsstrategien zu geben. Es war bereits der zweite Tod durch polizeiliche Fixierung in Mannheims innerhalb von acht Tagen
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04.07.2022: Name unbekannt — Weißenfels, Sachsen-Anhalt

Ein namentlich unbekannter, 36-jähriger Mann verstarb am 04.07.2022 in Weißenfels zwei Tage nach einer versuchten Festnahme durch die Polizei im Krankenhaus.
Gemäß Polizeiangaben versuchte der Mann am 02.07., nachdem zwei alarmierte Polizist*innen diesen bei einem Einbruchsversuch konfrontiert hatten, zu flüchten. Beim folgendem Festnahmeversuch soll sich der Mann zur Wehr gesetzt haben und die Polizist*inne setzten „Zwangsmaßnahmen“ ein. Was genau diese umfassten, ist nicht klar. Der Mann verlor im Laufe der Konfrontation das Bewusstsein und wurde vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus eingeliefert.
Dort verstarb er zwei Tage später. Die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau sollte das Geschehnisse „unabhängig“ und „neutral“ ermitteln, so die Polizeiinspektion Halle. Eine Obduktion wurde angeordnet, jedoch sind keine Ergebnisse bekannt.
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02.08.2022: Amin F. — Frankfurt am Main, Hessen

Amin F. bedrohte am 02.08.2022 in Frankfurt in einem Hotel zwei Frauen. Nachdem sie sich in Sicherheit gebracht hatten, riefen sie die Polizei. Es gab die Vermutung, dass Amin F. eine Waffe besäße. Das SEK stürmte in das Hotelzimmer, in dem sich Amin F. allein aufhielt und hetzten einen Polizeihund auf ihn. Er wehrte sich mit einem Messer gegen den Hund. Nachdem er eine Stichbewegung in Richtung der Beamt*innen gemacht haben soll, wurde er mit sechs Schüssen, wovon einer ihn im Kopf traf, erschossen. Der Mensch war von Rassismus betroffen. Inwieweit Rassismus eine Rolle beim Einsatz spielt, da sich das Ganze im Frankfurter Bahnhofsviertel abspielte, wo regelmäßig Menschen über rassistische Polizeiarbeit berichten, ist nicht klar. Auch bleibt die Frage offen, ob ein deeskalativeres Vorgehen zur Sicherstellung der angeblichen Waffe möglich gewesen wäre.
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03.08.2022: Jozef Berditchevski — Köln, NRW

Jozef Berditchevski starb am 03.08.2022 in Köln, Nordrhein-Westfalen an Blutverlust, nachdem er zwei Mal von Polizeibeamt*innen angeschossen wurde. Er war 48 Jahre alt, studierter Musiker, jüdischer Abstammung und kam um 1990 aus Russland nach Köln, um nicht im Krieg zu kämpfen.
Der 03.08. war der Tag einer Zwangsräumung aus seiner Wohnung, da er infolge der Einschränkungen für Künstler*innen wegen Corona in eine finanzielle Notlage kam und zudem einen problematischen Umgang mit Alkohol entwickelte. Schon bei einem Suizidversuch im Juni hatte Jozef Probleme mit der Polizei gehabt, da er sich gegen ein Einschreiten gewehrt hatte und daraufhin für Widerstandshandlungen angezeigt wurde. Er hatte vorher angekündigt, sich vor der Räumung zu wehren und soll ein Messer in der Hand gehabt haben. Daraufhin wurde er mit Pfefferspray angegriffen, was ihn nicht zum Verlassen der Wohnung brachte. Es wurde dann zwei Mal auf Jozef Berditchevski geschossen und dieser verstarb noch in der Wohnung. Hat die Kölner Polizei bei Weigerung vor einer Räumung keine anderen Mittel, als die Mieter*innen zu erschießen, wenn diese nicht Folge leisten? Zwangsräumungen sind bei akuter Suizidgefahr unzulässig. Wurde dies bei Jozef, bei dem die Suizidgefahr offensichtlich behördlich bekannt war, berücksichtigt?
Freund*innen, Nachbar*innen, Mietinitiativen und Musiker*innen erinnern seit dem Todesfall bei Kundgebungen in Köln an Jozef und fordern, dass ein anderer Umgang in solchen Situationen ermöglicht wird.
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07.08.2022: Name unbekannt — Oer-Erkenschwick, NRW

Ein namentlich unbekannter 39-Jähriger starb am 07.08.2022 in Oer-Erkenschwick, Nordrhein-Westfalen, im Zusammenhang mit einer Festnahme durch Polizeibeamt*innen. Die Polizei wird von alarmierten Nachbar*innen zu der Wohnung eines 39-jährigen Mannes gerufen. Eine Frau, die ebenfalls in der Wohnung gewesen sein soll, habe sich selbst in Sicherheit gebracht. Nachdem die Polizei in die Wohnung eingedrungen ist, leistet der Mann Widerstand. Die Polizei setzt Pfefferspray ein und überwältigt den Mann, woraufhin er sein Bewusstsein verliert und im Krankenhaus verstirbt.
Gegen Polizeibeamt*innen wird auch ermittelt, weil sie Zeug*innenvideos gelöscht haben soll.
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08.08.2022: Mouhamed Lamine Dramé — Dortmund, NRW

Mouhamed, das war Mord. Justice for Mouhamed.
Am 08.08.2022 wurde Mouhamed Lamine Dramé in der Dortmunder Nordstadt von Polizist*innen mit Pfefferspray und Tasern verletzt und mit Polizeidienstwaffen erschossen. Der 16-Jährige war erst wenige Wochen zuvor aus dem Senegal unbegleitet nach Deutschland geflüchtet und wohnte seit einer Woche in einer Wohngruppe in Dortmund. Er hatte darum gebeten, über seine Fluchterfahrungen zu sprechen und wurde erst am Vortag mit Depressionen und einer posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert. Er befand sich an dem Tag in einer akuten psychischen Krise und signalisierte, sich mit einem Messer selbst umzubringen, weshalb die Polizei gerufen wurde. Auf die polizeiliche Ansprache in einer ihm unbekannten Sprache reagierte Mouhamed nicht. Er saß draußen in gekrümmter Position auf dem Boden und hielt sich ein Messer gegen den Bauch. Von ihm ging keine Gefahr aus. Daraufhin wurde Pfefferspray eingesetzt und Mouhamed richtete sich auf. Als er auf die Beamten zuging wurden Taser und Waffe eingesetzt. Zwischen Tasereinsatz und Schussabgabe lagen nur 0,7 Sekunden. Von sechs Schüssen trafen Mouhamed fünf. Er wurde nicht vor Pfefferspray, Taser oder Waffeneinsatz gewarnt. Die Polizei legte ihm danach noch Handschellen an. Die Bodycams der Polizist*innen waren ausgeschaltet, aber die Funkaufnahme lässt Rückschlüsse auf den Ablauf zu und zeigt beispielsweise auch, dass von Anfang an vom einsatzleitenden Polizisten geplant wurde, eine ganze Flasche Pfefferspray auf Mouhamed anzuwenden. 
Aufgrund des skandalösen und ungerechten Todes von Mouhamed gingen tausende Menschen zu Demonstrationen auf die Straße, um Gerechtigkeit zu fordern. Der Solidaritätskreis Mouhamed setzt sich für Aufklärung, Begleitung von Mouhameds Familie im Senegal auch bei einer Nebenklage und für ein Ende systematischer Polizeigewalt ein. Offen ist noch, ob es zur Anklage gegen beteiligte Polizist*innen kommt. 
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04.09.2022: Name unbekannt — Berlin 

Am 04.09.2022 wurde in Berlin-Lichtenberg ein namentlich Unbekannter 23-Jähriger von der Polizei erschossen, während er einen Femizid beging. Nachbar*innen hatten die Polizei wegen Schreie aus der Wohnung im neunten Stock eines Mehrfamilienhauses gerufen. Sie gaben außerdem an, dass der Mann versucht habe, andere Wohnungstüren einzuschlagen. Beim Eintreffen schlug der Mann, laut Polizeiangaben, mit einem Beil auf eine am Boden liegende Frau ein. Einer der beiden Beamten schoss zweimal und verletzte den Mann tödlich. Auch die 27-jährige Frau erlag am Tatort ihren schweren Verletzungen. GdP(Gewerkschaft der Polizei)-Sprecher Benjamin Jendro sagte, die Schusswaffe sei in dieser Situation „das einzige Mittel“ gewesen und die Frage nach Taser als Alternative „rein spekulativ und nicht fair gegenüber den Einsatzkräften“ sei.
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04.09.2022: Name unbekannt — Mönchengladbach, NRW

Ebenfalls am 04.09.2022 starb eine namentlich unbekannte Person in Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen. Der 26-Jährige hatte nachts ein Streitgespräch mit seiner Freundin, weshalb Nachbar*innen beunruhigt die Polizei riefen. Als diese kam, wollte die Person aus Angst vor den Beamt*innen über den Balkon fliehen und stürzte dabei vom Balkon. Die Person war an dem Abend alkoholisiert und laut RP-online Mitglied in einer Bruderschaft. Erste Verdachte, ob es sich um ein Fall häuslicher Gewalt handelte, wurden abgeschwächt aber sind nicht ganz geklärt.
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07.09.2022: René W. — Leipzig, Sachsen

Ein namentlich Unbekannter 36-Jähriger ist am 07.09.2022 in Leipzig in Sachsen von der Polizei erschossen worden.
Wegen eines mutmaßlichen Ladendiebstahls, bei dem der Mann zwei Flaschen Bier und Kartoffeln gestohlen und Personen mit einem Messer gedroht haben soll, suchte die Polizei die Wohnung des Opfers im Stadtteil Paunsdorf auf. Dort sei es gegen 16 Uhr zum Gebrauch der Schusswaffe gekommen. Der Mann verstarb wenige Stunden später im Krankenhaus.
Wie genau die „bedrohliche Einsatzlage“ aussah, die dazu führte, dass die Beamt*innen auf den Mann schossen, wurde seitens der Polizei nicht erläutert. Auch auf die Fragen nach der Anzahl, der am Einsatz beteiligten Polizist*innen und die Anzahl der abgegebenen Schüsse verweigert die Polizei bis heute jede Auskunft.
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08.09.2022: Name unbekannt — Ansbach, Bayern

Am 08.09.2022 wurde eine namentlich unbekannte Person in Ansbach, Bayern, von drei Schüssen durch die Polizei erschossen. Der 30-Jährige habe zuvor einen Jugendlichen mit zwei Messern angegriffen und weitere Passant*innen griffen ein, sodass er fluchtartig den Ort verließ. Die Polizei traf den Menschen einige Straßen weiter und trifft ihn mit drei Schüssen. Beamt*innen berichten später, dass er sie ebenfalls mit einem Messer bedroht habe. Der Mensch war von Rassismus betroffen.
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06.10.2022: Kupa Ilunga Medard Mutombo — Berlin 

Am 6.10.2022 starb Kupa Ilunga Medard Mutombo mit 64 Jahren in einem Berliner Krankenhaus an den Folgen von Verletzungen, die ihm bei einem Polizeieinsatz am 14.09.2022 zugefügt wurden. Er sollte von drei Polizist*innen sowie Gesundheitspersonal in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden, nachdem er zuvor jahrelang in einer Einrichtung für betreutes Wohnen für seelisch und psychisch krank gemachte Menschen gewohnt hat. Statt drei wurde er mit 16 Polizist*innen sowie Hunden konfrontiert und verunsichert. Sie gingen ihn, laut Aussage von Kupa Ilunga Medard Mutombos Betreuer, aggressiv an und fixierten ihn mit dem Knie auf dem Boden, bis er keine Luft mehr bekam. Nach einiger Zeit gab es Reanimationsversuche und er wurde in den folgenden Tagen im kritischen Zustand in das Vivantes Klinikum und dann in die Charité verlegt. Erst am 21. September wurde Mutombo Mansamba, Kupa Ilunga Medard Mutombos Bruder vom Charité Krankenhaus darüber informiert, dass dieser sich dort befinde, als Medard scheinbar bereits im Koma lag. Die Berliner Polizei sieht bei ihren Ermittlungen, die sie gegen sich selbst führt, kein rechtswidriges Handeln und auch kein Fremdverschulden, obwohl die Todesursache ein Hirnschaden aufgrund von Sauerstoffmangel ist. 
Medard war von Rassismus betroffen und musste Medikamente gegen Schizophrenie nehmen. Warum wurde sein Bruder nicht über die Verlegung oder die Folgen des Einsatzes informiert? Warum machte die Berliner Polizei den Vorfall erst eine Woche später öffentlich? Warum waren so viele Polizist*innen und sogar Hunde vor Ort? Sein Bruder fordert Aufklärung, ein Gerichtsverfahren und ist überzeugt, dass Medard ohne den Polizeieinsatz noch leben würde. 
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19.10.2022: Name unbekannt — Dortmund, NRW

Am 19.10.2022 ist ein namentlich unbekannter Mann in Dortmund-Dorstfeld, Nordrhein-Westfalen, nach Einsatz eines Tasers durch die Polizei gestorben. Die Polizei war gerufen worden, weil der 44-Jährige Autos beschädigte, nach Hilfe rief und nicht ansprechbar war. Als die Polizei kam, soll er handgreiflich gegen das Polizeifahrzeug geworden sein. Die Beamt*innen setzen einen Taser ein, woraufhin der Mann „reanimationspflichtig“ wird. Kurze Zeit später verstirbt er im Krankenhaus. Der Mensch war schwer herzkrank und zudem wohnungslos. 
Die Bodycams waren ausgeschaltet, weshalb sich nichts genaueres zum Ablauf sagen lässt.
Die Polizei Recklinghausen ermittelte „aus Neutralitätsgründen“ und sieht keine Kausalität zwischen Tasereinsatz und dem plötzlichen Tod. Immer wieder wird Drogenkonsum als Grund für seinen Tod genannt. Wie viel Zeit verging zwischen Tasereinsatz, Festnahme, Zusammenbruch des Mannes und Reanimierung? Wäre die Person auch ohne den Polizeieinsatz gestorben?
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24.10.2022: Timo R. — Zülpich, NRW

Der 31-jährige Timo R. wurde am 24.10.2022 in Zülpich, Nordrhein-Westfalen, von einem Polizeibeamten erschossen. Er soll gewaltsam versucht haben, in das Haus seiner Eltern zu kommen, woraufhin diese die Polizei riefen. Der Mensch soll einer Polizeibeamtin mit einem Messer nahegekommen sein, woraufhin er durch mindestens einen Schuss des Polizeibeamten getroffen wurde und vor Ort daran verstarb. Ein Gutachten vonseiten der Bonner Staatsanwaltschaft benennt den Schuss später als Nothilfe. Unbekannt ist, wie viele Polizist*innen vor Ort waren und warum keine anderen Deeskalationsmaßnahmen ergriffen wurden. Timo R.s Eltern befinden sich derweil in psychiatrischer Betreuung.
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17.11.2022: Hikmet T. — Enger, NRW

Am 17.11.2022 ist der 59-Jährige Hikmet T. in Enger, Nordrhein-Westfalen, infolge von Schüssen von Polizeibeamt*innen gestorben. Hikmet habe nach Angaben von Nachbar*innen der Presse gegenüber, Familienmitglieder damit bedroht, sich selbst zu verletzen. Dann hat er mithilfe von Brandbeschleuniger einen Brand im Haus ausgelöst.
Nachdem Polizei und Feuerwehr eintrafen, verließ Hikmet das brennende Haus. Kurze Zeit später wurde mehrmals geschossen. Es ist unklar, wie diese Situation genau ablief und wie viele Schüsse fielen, aber Hikmet wurde dabei ins Bein getroffen. Ein „sichelförmiges Küchenmesser“, das der Polizei als Rechtfertigung zum Schuss diente, hat er möglicherweise auch mit Absicht der Selbstverletzung in der Hand gehabt und war zu dem Zeitpunkt durch den Brand schwer verletzt. Scheinbar wurde mit Löschung des Brandes erst begonnen, nachdem Hikmet das Haus verließ.
Zuerst wurde berichtet, dass Hikmet außer Lebensgefahr sei, doch am 17.11. wurde sein Tod bekanntgegeben. Die Sprecher der Polizei wiesen jegliche Verantwortung von sich. Eine unabhängige Obduktion hat es nicht gegeben, die Polizei Bielefeld ermittelt „aus Neutralitätsgründen“. Wie viele Schüsse wurden am 3. November abgegeben? Wie viele davon trafen Hikmet? Warum wurde nicht früher mit der Brandlöschung begonnen? Und wie wurde die Bedrohungslage von der Polizei eingeschätzt, angesichts dessen, dass Hikmet T. von Rassismus betroffen war?
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18.11.2022: Name unbekannt — Using, Hessen

Am 18.11.2022 stirbt eine namentlich unbekannte Frau in Using, Hessen, nach einem Polizeieinsatz.
Ein Nachbar rief die Polizei, da sie sich in ihrer Wohnung laut verhalten habe. Die Polizei traf die 39-Jährige kurz darauf in einer Nebenstraße an und fesselte sie. Laut Pressemitteilung der Polizei „verschlechterte sich der Gesundheitszustand“ der Person plötzlich, und sie verstirbt, nach Reanimation vor Ort, später im Krankenhaus. Die Obduktion führte zu keinem klaren Ergebnis. Wäre die Person auch ohne Polizeieinsatz gestorben?
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10.12.2022: David W. — Dresden, Sachsen

Der 40-jährige David W. beginn am 10.12.2022 in Dresden, Sachsen, einen Femizid, bei dem er seine Mutter tötete. Danach nahm er eine Frau und ein Kind als Geiseln in einem Einkaufszentrum. Bei einer Befreiungsaktion der Polizei wurde David W. angeschossen und verstarb später im Krankenhaus.
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15.12.2022: Name unbekannt — Hattersheim, Hessen

Ein namentlich Unbekannter 28-Jähriger ist am 15.12.2022 im hessischen Hattersheim von der Polizei getötet worden. Der Mann kollabierte in einem Restaurant in Hattersheim, woraufhin Sanitäter*innen anrückten. Diese riefen die Polizei, da sich der Mann aggressiv verhielt. Als der Mann die Personalienkontrolle verweigerte, eskalierte die Situation. Die Polizist*innen setzten Pfefferspray gegen den Mann ein, worauf dieser das Bewusstsein verlor und noch vor Ort wiederbelebt werden musste. Er verstarb Stunden später im Krankenhaus. Wäre die Person ohne Polizeieinsatz gestorben?
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Erläuterung zu den Fällen

Jeder Fall unserer Liste ist komplex. Jeder ist anders, denn es handelt sich jeweils um ganz verschiedene Personen, die in sehr unterschiedlichen Situationen verstarben. Gemeinsam ist allen Todesfällen, dass sie im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz stattfanden. In erster Linie soll unsere Recherche für mehr Zugänglichkeit, Transparenz und Aufklärung sorgen. Es ist nicht unser Ziel eine Position des Urteilens einzunehmen, auch wenn wir sicherlich nicht ganz frei davon sind. (Gerade Schilderungen patriarchaler Gewalt oder die Bedrohung Dritter lassen uns in einem widersprüchlichen Verhältnis zu manchen Getöteten stehen.) Zudem sind unsere Kurzbeschreibungen vermutlich unvollständig. Das ist Teil des Problems und zeigt, wie dringend notwendig offizielle, unabhängige Aufklärung benötigt wird. Die schockierende Zahl von 30 Toten im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen ist für uns ein klares Zeichen eines strukturellen Problems bei der Polizei.
Ein besonderes Augenmerk unserer Recherche lag ebenfalls auf Diskriminierungsmustern wie Rassismus, patriarchaler Gewalt oder Benachteiligung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sowie wohnungslosen Menschen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass diese Strukturen nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch die Arbeit der Polizeibeamt*innen prägen. Gerade weil viele der gestorbenen Personen mehrfach diskriminiert wurden, vermuten wir, dass ihr Umfeld teilweise ebenfalls über zu wenig Ressourcen verfügt, um eine Aufklärung zu erwirken. Ohne Druck von Seiten der Angehörigen oder einem starken lokalen Netzwerk aus Initiativen, wird nach der Pressemitteilung der Polizei, gegebenenfalls mit Ankündigung einer Ermittlung einer weiteren Polizeibehörde, nichts weiter der Öffentlichkeit gegenüber berichtet. 
Wir finden das ungerecht und fordern deshalb für jeden einzelnen Fall: Polizeiliche Verantwortung anerkennen, lückenlose und unabhängige Aufklärung der Todesfälle, transparente Öffentlichkeitskommunikation und zuletzt: Diskriminierung stoppen! Aus diesem Grund haben wir die Initiative „topa“ = „Tode bei Polizeieinsätzen aufklären!“ gegründet.
Wir kennen nicht alle Namen. Wir kennen leider auch nicht alle Positionen der Angehörigen. Falls es von Angehörigen, sei es Familie, Freund*innen oder Bekannten, an einer unserer Darstellungen Anmerkungen oder Kritik gibt, kontaktiert uns gerne unter:
initiative_topa@riseup.net
Dies gilt ebenfalls für das Ergänzen, Korrigieren und Öffentlichmachen von weiteren Informationen (z.B. Namen, Personeninformationen, Infos oder eure offenen Fragen zur Tat). Auch darüber hinaus sind wir für Kritik und Anmerkungen (z.B. zur Sprache, Listung) offen, gerade da uns die Sensibilität und Schwere des Themas bewusst ist.

Anmerkung:

  1. Unsere Recherche fand ehrenamtlich und mit begrenzten Ressourcen statt. Trotz intensiver Suche können wir die Vollständigkeit nicht garantieren.
  2. Häufig mussten wir Formulierungen aus Medienberichten und demnach auch binäre Geschlechtszuschreibungen übernehmen.
  3. Ein Femizid ist ein geschlechtlich motivierter Mord an einer Frau oder weiblich gelesenen Person durch einen Mann, mit dem sie in einer Beziehung steht. Uns haben die Femizide im Zusammenhang mit den Fällen sehr betroffen gemacht und wir ordnen sie in einen größeren, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang von patriarchaler Gewalt und gefährlicher männlicher Sozialisation ein. Dafür gibt es auch den Begriff Feminizid, welcher die staatliche Unsichtbarmachung, Straflosigkeit und Tolerierung von Femiziden bezeichnet. Das zeigt sich in Deutschland beispielsweise an medialen Benennungen von Femiziden als „Beziehungsdrama“, wo den Getöteten eine Mitschuld an der Tat unterstellt wird. In dieser Struktur bewegen sich auch männlich sozialisierte Beamte, weswegen es schockierenderweise immer wieder zu Femiziden mit Dienstwaffen kommt (Verweis).

 

Bericht: Josef-Anton Gera Gedenkdemo und Aktionstage 2022

Josef-Anton Gera Demo 15.20.2022 – Demo in der Innenstadt

Am vergangenen Samstag, den 15.10.2022, fand die Demo in Gedenken an Josef-Anton Gera in Bochum statt. 130 Personen nahmen an dieser teil. Der Demonstrationszug startet am Bochumer Hauptbahnhof. Zunächst wurde ein Redebeitrag zum  Mord an Josef-Anton Gera verlesen. Im weiteren Verlauf folgte eine Rede des Antifa-Cafés zu rechten Morden und Queerfeindlichkeit in der Gesellschaft.

 

 

Danach zog die Demonstration ins BermudaDreieck, wo die ersten Zwischenkundgebung mit einem Redebeitrag der Antifaschistischen Gruppe V zu Wohnungslosigkeit und sozialer Ausgrenzung folgte.Die nächste Zwischenkundgebung wurde auf dem Springerplatz abgehalten. Dort wurde ein Redebeitrag zur Gedenkarbeit bezüglich Josef-Anton Gera gehalten. Auf dem frisch eingeweihten Josef-Anton Gera Platz endete die Demonstration nach einer Schweigeminute und dem Verlesen eines Statements von Josef-Anton Geras Bruder, welches wir weiter unten dokumentieren.

Am Sonntag, dem Todestag von Josef-Anton Gera, fand zudem eine kleine Mahnwache mit ca. 20 Personen an der Gedenktafel für ihn am Eingang des Westparks statt.

Gedenktafel Mahnwache für Josef-Anton Gera am 16.10.2022

In den Tagen zuvor gab es außerdem einige Graffiti- und Banneraktionen, die auf den Mord an Gera aufmerksam machten.

Antifaschistische Linke Bochum,
Oktober 2022

Ein Wunsch des Bruders von Josef-Anton Gera:

„Josef-Anton Gera wurde am 07.03.1938 in Mochau, Deutschland geboren. In einer großen, katholischen Familie mit sechs Kindern ist er aufgewachsen  und zu einem frohen, kontaktfreudigen und gerechten Mann geworden. Er teilte alles und machte keine Unterschiede- er akzeptierte jede Hautfarbe und Religion.

Er war kein Trinker und er war nicht wohnungslos. Wir wissen nicht wen und wie er liebte. Wir wissen nur, dass er liebte und starb und nichtmehr für sich sprechen kann. Also lasst ihn uns bitte erinnern, als den Menschen den wir kannten und nicht umdefinieren zu dem, wozu man ihn heute bräuchte.

Alles was wir wissen sind die Hintergünde seiner Mörder, dieser gedankenlosen Menschen – Rechtsextremismus war die treibende Kraft. Dagegen muss eingestanden werden. Respektiert seine Person und zieht klare Grenzen zwischen ihm und dem wofür ihr einsteht.

Seid reflektiert und scharfsinnig.“

Aktionstage in Gedenken an Josef-Anton Gera

Aktionstage in Erinnerung an Josef-Anton Gera

Am kommenden Sonntag, den 16.10.2022, jährt sich der Todestag von Josef-Anton Gera zum 25. Mal. Angesichts dessen rufen wir im Zeitraum vom 10.10. – 16.10. zu Aktionstagen auf. Macht in eurem Viertel oder euren Städten kleine kreative Aktionen in Erinnerung an Josef-Anton Gera, gegen Homofeindlichkeit und soziale Ausgrenzung.

Schickt uns Fotos von euren Graffiti-, Plakat- oder Banneraktionen. Postet diese ebenso über eure Kanäle und macht so auf den rechten und homofeindlichen Mord an Josef-Anton Gera aufmerksam.

Stencil:

Stencil in Erinnerung an Josef-Anton Gera

Veranstaltungsreihe im Rahmen des 25. Todestag von Josef-Anton Gera

Rundgang mit der VVN zur Situation homosexueller Menschen in der Zeit des Faschismus in Bochum
02.10.2022 14.00 Uhr Vorplatz Schauspielhaus Bochum
Lange Zeit wurde die Situation homosexueller Menschen im Faschismus auch hier in Bochum unter den Tisch gekehrt. Inzwischen gibt es in Bochum einige Gedenkorte, die an diese Opfer, ihre Verfolgung und die Folgen erinnern. Einige dieser Orte – und vor allem die Menschen, für die sie angelegt wurden – werden wir auf dem Rundgang kennenlernen. Aber auch soll die Situation für homosexuelle Menschen nach dem Faschismus beleuchtet werden und wie lange sie noch nach Ende des 2. Weltkriegs unter den von den Faschisten verschärften Gesetzen leiden mussten.

In Kooperation mit der VVN-BdA Bochum


Keine Tür zum Schließen – Dimensionen von Wohnungslosigkeit

04.10.2022 19:00 Uhr Soziales Zentrum Bochum, Josephstr. 2, 44791 Bochum
Was bedeutet Wohnungslosigkeit für Betroffene? Wie wird man eigentlich wohnungslos – und warum ist der Weg von der Straße oft so schwierig? Wo sind Hürden, Ausschlüsse – und wie sehen Hilfen und politische Maßnahmen aus?

Alexandra Gehrhardt ist Redakteurin beim Straßenmagazin bodo. Im Vortrag spricht sie über die Dimensionen von Wohnungslosigkeit, über Sicht- und Unsichtbarkeiten, Zugänge und Ausschlüsse, Bürokratie und gesellschaftliche Ausgrenzung – und über mögliche Auswege aus der Wohnungslosigkeit.

 

Kein Vergessen – Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland nach 1945
11.10.2022 19:00 Uhr Raum9 (Botopia), Griesenbruchstr. 9, 44793 Bochum
Über 300 Menschen wurden nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland durch rechtsmotivierte Gewalttäter gejagt, verfolgt, verprügelt, gefoltert, misshandelt und getötet. Der Autor Thomas Billstein hat mit seinem Buch »kein vergessen« die erste vollständige Dokumentation bekanntgewordener tödlicher Gewalttaten durch Rechte in Deutschland nach 1945 veröffentlicht. Auf der Veranstaltung wird er den aktuellen Stand der Forschung vorstellen, rechte Tatmotive aufzeigen und Todesopfer aus der Region benennen.

Diese Veranstaltung findet in Kooperation mit der Kulturfabrik Bochum statt.

 

Antifaschistische Linke Bochum,
September 2022

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Josef-Anton Gera – vor 25 Jahren von Neonazis erschlagen

Josef-Anton Gera Gedenkdemo und Mahnwache 2022

Auf die Straße für konsequente Erinnerungskultur von Stadt und Zivilgesellschaft!

Am 14. Oktober 1997 wurde Josef-Anton Gera mit einer Eisenstange derartig brutal zusammengeschlagen, dass er zwei Tage später, am 16. Oktober 1997 gegen 22:00 Uhr, im Krankenhaus verstarb. Die Täter: Neonazis. Das Motiv: Der Hass auf Schwule.

Neonazi-Hintergrund der Täter wird ignoriert

Weder juristisch noch medial wurde das schwulen- und menschenfeindliche Motiv der Tat aufgearbeitet, obwohl es zahlreiche Hinweise auf die Neonazi-Ideologie der Täter gab. Im Prozess kam die extrem rechte Gesinnung der Täter nicht zur Sprache. Die Stadt Bochum schenkte dem Mord, ähnlich wie Polizei und Gericht, wenig Beachtung. Folglich wurde der Fall Gera als Streit unter Trinkern abgetan. Und das, obwohl bekannt war, dass die Laube, in der die Täter wohnten und die zum Tatort wurde, mit Nazi-Symbolik wie Hakenkreuzen, Totenköpfen und SS-Runen übersäht war; obwohl ausgesagt wurde, dass die Täter Hitlergrüße zeigten und angaben „es einem Schwulen mal so richtig gezeigt” zu haben; obwohl der schwer verletzte Gera der Polizei noch sagte, dass die Täter Neonazis waren.

Josef-Anton Gera – unvergessen!

In Erinnerung an Josef-Anton Gera fanden in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich Gedenkaktionen, Demos und Kundgebungen statt. Lokale antifaschistische Strukturen und Einzelpersonen dokumentierten Ende der 90er Jahre den Gerichtsprozess und die lokale Berichterstattung, später trieben sie die politische Aufarbeitung der Tat voran und brachten nicht zuletzt eine Gedenkplakette am Tatort Westpark an, wodurch eine Art Mahnmal enstanden ist. Politisches Gedenken muss aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Deshalb forderten wir im vergangenen Jahr von Stadt und Politik:

1. Josef Anton Gera offiziell als Opfer rechter Gewalt in der jüngeren Geschichte der Stadt anzuerkennen.
2. Über den durch Nazis verübten Mord an Josef-Anton Gera auf der offiziellen Homepage der Stadt aufzuklären.
3. Die bisher geleistete Gedenkarbeit durch lokale Antifaschist*innen dabei zu benennen und die vor zehn Jahren angebrachte Gedenktafel anzuerkennen.
4. Einen Platz in der Innenstadt nach Josef-Anton Gera zu benennen.
5. Ein Mahnmal gegen rechte Gewalt, soziale Ausgrenzung und Homophobie zu installieren.

Stand heute: die Bezirksvertretung Mitte stimmte unserer Forderung zu, den Skateplatz am Westpark nach Josef-Anton Gera zu benennen. Ein deutliches Zeichen, dass die langjährige Erinnerungs- und Öffentlichkeitsarbeit von Antifaschist*innen wirkt und ein wichtiger Schritt für ein angemessenes Gedenken an Josef-Anton Gera.

Remembering means fighting!

Das Gedenken an Josef-Anton Gera hat für uns heute auch insofern noch große Bedeutung, als dass es Verbindungen zu aktuellen Kämpfen und ihre Verflechtungen aufzeigt. Homo-, Queer- und Transfeindlichkeit sind auch heute noch tödlich, wie nicht zuletzt in Münster deutlich wurde. Anfang September wurde nach dem CSD der trans Mann Malte umgebracht, nachdem er bei einer verbalen Anfeindung gegen Homosexuelle interveniert hat. Auch in Bremen und Dortmund wurden trans Menschen angegriffen und verletzt. Bei diesen Fällen waren die Täter keine klassischen Neonazis. Das zeigt, wie sehr Trans- und Homofeindlichkeit in der sogenannten Mitte der Gesellschaft verankert sind und was für eliminatorische Züge sie annehmen.

Raus auf die Straße!

Gedenkdemo:
15.10.2022 – 14:00 Uhr
Bochum HBF

Mahnwache:
16.10.2022 – 11:00 Uhr
Eingang Westpark (DGB Haus)

Antifaschistische Linke Bochum,
September 2022

Anmerkung: Auf sich bereits im Umlauf befindlichen Stickern ist die Mahnwach auf den 17.10. terminiert. Dies ist leider falsch, da wir die Mahnwache auf den richtigen Todestag den 16.10. geschoben haben. Viele Jahre wurde fälschlicherweise der 17.10. als Todesdatum genannt.

Rechte Hegemonie – Wie Neonazis ostdeutsche Gemeinden kapern

Veranstaltungstour mit Colorido e.V.: Rechte Hegemonie – Wie Neonazis ostdeutsche Gemeinden kapern

Gibt es ein Ost-West-Gefälle beim Rechtsradikalismus in der BRD? Vieles deutet darauf hin: Bei den Bundestagswahl 2021 hatte die AFD im Westen hohe Wahlverluste, im Osten dagegen konnte sie bei den Direktmandaten kräftig zugewinnen. Verschiedenste faschistische Organisationen wie der III. Weg, eine Kleinstpartei mit klarer nationalsozialistischer Programmatik, sind in ostdeutschen Kleinstädten verankert. Aber dieser sog. ostdeutsche Rechtsradikalismus hat sich vielerorts erst durch massive Zuzüge aus dem Westen entfalten können.

2014 siedelte der Neonazi Tony Gentsch zusammen mit einigen Familien aus Bayern in die sächsische Kleinstadt Plauen (60.000 Einwohner*innen) um. 2017 eröffnete der III. Weg hier das erste Parteibüro und erwarb in den Folgejahren mehrere Immobilien. Mit Angeboten wie Hausaufgabenbetreuung, Bastelnachmittage, Sportkurse, Kinderfreizeit, Volksküche und Kleiderkammer – natürlich nur für “Deutsche” – stopften die Neonazis Löcher der soziokulturellen Infrastruktur der Stadt. Ende Mai 2019 zog der III. Weg mit einem Mandat in das Plauener Kommunalparlament ein.

Während der Corona-Pandemie konnten die Nazis ihr Wirkungsfeld und ihren Einfluss auf das konservative bis rechtsoffene Bürgertum in Plauen verstärken. Die CDU Plauen sieht den III. Weg als „demokratische Kraft“ an. Mit seiner Unterstützung strich die CDU dem „Bündnis für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage“ im April 2021 die städtischen Zuschüsse.

Gegen diese Normalisierung rechter Akteur:innen kämpft der Verein „Colorido e.V.“ in Kooperation mit dem Netzwerk „Vogtland nazifrei“ an. Von seinen Erfahrungen wollen wir profitieren und haben ihn deshalb eingeladen, im Ruhrgebiet und in Düsseldorf von seiner Arbeit zu berichten. Begleitend zeigt Colorido e.V. die Ausstellung „Plauen auf dem Holzweg? – SUR LA PISTE BRUNE DE LA TROISIÈME VOIE“, die die Ereignisse in Plauen darstellt und kommentiert.

Donnerstag 22.09.2022, 19:00 Uhr, Soziales Zentrum Bochum
Freitag 23.09.2022, 19:00 Uhr, Trotz Allem Witten
Samstag 24.09.2022, 19:00 Uhr, Hauptstr.181, 44652 Herne
Sonntag 25.09.2022, 19:00 Uhr, ZAKK Düsseldorf

Eine Veranstaltungsreihe organisert von:

Kulturfabrik Bochum
Antifaschistische Linke Bochum
Trotz Allem Witten
KAZ Herne
ZAKK Düsseldorf
Rosa Luxemburg Stiftung
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