Archiv der Kategorie: Recherche

Neue Recherche: Tode bei Polizeieinsätzen 2023!

Am 13. März veröffentlichten wir erneut eine Zusammenstellung aller Tode bei Polizeieinsätzen aus dem vergangenen Jahr, 2023. Viele Fragen um den jeweiligen Tathergang der Tode während Polizeieinsätzen bleiben unbeantwortet. Die Informationen stammen aus Medienbeiträgen, Pressemeldungen der Polizei, Behördenanfragen und Nachforschungen weiterer Initiativen.

Als Frage und Kriterium für unsere Liste gilt: “Wäre die Person ohne den Polizeieinsatz ebenfalls gestorben?”

Die Gesamtzahl von bisher 43 Toden bei Polizieinsätzen erschreckt uns. Es geht um Menschen mit unterschiedlichen Lebenslagen, Zielen und Geschichten. Alle diese Geschichten wurden in einem Zusammentreffen mit der Polizei beendet.

Die Neuerung: Es gibt nun eine eigene Website  für das Projekt!

Zur ausführlichen Recherche und den einzelnen Fällen aus dem Jahr 2023 gelangt ihr dann hier.

3 Jahre und 10 Monate für Synagogen-Schützen

Christian Heß vor Synagoge am 26.04.2021 I

Am 06.12.2023 wurde der Neonazi Christian Heß zu 3 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt. Er stand seit dem 16.11. vor Gericht und musste sich nicht nur wegen des Schusses auf die Synagoge im Jahr 2021, sondern auch wegen mehreren versuchten Brandstiftungen seit 2017 verantworten. Vertreten wurde er durch den Rechtsanwalt und AfD-Politiker Knuth Meyer-Soltau.

Die Hauptverhandlung fand vom 04.-06.12. vor dem Bochumer Landgericht statt. Vorgeworfen wurden dem Rechten der Schuss mit einer Stahlkugel auf die Bochumer Synagoge am 26.04.2021, die Würfe zweier Molotow-Cocktails auf eine Kita in der Zechenstraße im Mai 2017 und auf den Balkon eines Mehrfamilienhauses in der Kulmer Straße am 25.02.2018, die Explosion einer DHL-Paketstaion mittels selbstgebautem Sprengsatz ca. zwei Jahre später und eine versuchte Brandstiftung an einem Fahrzeug der VBW an der Küpperstraße am 20. Dezember 2022. Bei dieser letzten Tat seiner Tatreihe wurde er von Zeugen beobachtet und von der Polizei gestellt. Die daraufhin entnommene DNA ergab Treffer der bereits länger zurückliegenden Taten und überführte Heß als Täter. Sein Geständnis ist vor diesem Hintergrund als hinlänglich zu sehen. Bei seinen Einlassungen ließ der Täter viele Leerstellen. So konnte er sich an die Tatausführungen nicht genau erinnern, ebenso wenig ließ er seine Tatmotivationen im Dunklen. Womöglich geschah dies mit dem Wissen um eine strafverschärfende Wirkung bei einem Bekenntnis zu einer politischen Motivation.

Der politische Background
Die Hausdurchsuchung bei Christian Heß erfolgte am 25.05.2023, während er bei seinem Arbeitgeber in Bochum-Gerthe festgenommen wurde. Bei der Durchsuchung wurden zahlreiche Messer, Dolche, Macheten, Schlagringe, Schlagstöcke, Elektroschocker, Co2-Pistolen und weitere Waffen sichergestellt. Einige von diesen Waffen besaß Heß illegal, darunter auch die Waffe mit der er mittels einer Stahlkugel die Synagoge beschoss. Dort durschlug das Projektil sogar die Sicherheitsscheibe. Ein Teil dieser Waffen waren Selbstbaue, die Heß offenbar mithilfe von Anleitungen konstruiert hatte. Zudem wurde eine Anleitung zum Bombenbau und ein Kanister mit Benzin in einem Rucksack gefunden. Auch ein Stielhandgranaten-Imitat aus dem zweiten Weltkrieg wurde beschlagnahmt. Weiterhin wurden über 250 NS-Devotionalien gefunden. Darunter befanden sich unter anderem Hakenkreuzfahnen, NS-Anstecker, Hitler-Büsten und -Fahnen, Reichskriegsfahnen, SS-Aufnäher und eine Sammlung indizierter Rechtsrock-CDs. Auf seinem Handy fanden sich antisemitische und rassistische Videos und Fotos. Ein Video zeigte u.A. die Erschießung von Jüdinnen und Juden. Die Polizisten entdeckten schließlich Drogen in nicht geringer Menge und eine Cannabis-Pflanze in Heß´ Wohnung.

Die Lebensgefährtin, die in einer eigenen Wohnung lebt, gab zwar an, von seiner Sammelleidenschaft zu wissen, problematisierte diese jedoch nicht. Sie gab ferner an, dass ihr Freund nicht aktiv in einer Partei oder Kameradschaft sei. Zudem würde er keine Demonstrationen besuchen. Er habe eine Abneigung gegen Jüdinnen und Juden und würde antisemitische Narrative weitergeben, wie beispielsweise „dass die Juden gierig und ein verräterisches Volk seien“. Auch würde Hitler ein hohes Ansehen bei ihm genießen. Von den Taten erfuhr die Lebensgefährtin erst durch die Presse. Heß gab gegenüber einer Gutachterin an, dass er selbst kein Nazi sei, sondern bezeichnete sich eher als „Punk-Rocker“. Zudem brachte er an, dass seine politische Gesinnung hier nichts zur Sache tun würde und er sich lediglich für Dinge aus der NS-Zeit interessiere. Der Versuch, die über 250 NS-Devotionalien einer historisch interessierten Sammelleidenschaft zuzuschreiben, wurde schließlich auch vom Oberstaatsanwalt und vom Richter durchschaut. Allein die aktuellen Rechtsrock-CDs und das auch öffentliche Tragen von NS-Symbolen sprechen eine endeutige Sprache. Tatsächlich ist Heß seit vielen Jahren durch das offene Tragen von szenetypischer Kleidung, u.a. das Tragen einer Mütze mit SS-Totenkopf, im Stadtbild aufgefallen. Bereits Mitte der 2000er studierte er in aller Öffentlichkeit die Booklets von Rechtsrock CD`s. Auch mit anderen rechten Jugendlichen wurde er in diesem Zeitraum gesehen, wie sie sich mit erhobenem Arm in der Öffentlichkeit begrüßten. So liegt die Vermutung nahe, dass er sich um 2005 herum im Umfeld kameradschaftlich organisierter Gruppen wie den Freien Nationalisten Bochum/Hattingen und den Freien Nationalisten Witten bewegte und von dort aus als sogenannter “lone wolf” stetig weiter radikalisierte. Bereits Jahre vor diesem Verfahren wurde er im Besitz von Schlagringen erwischt und dafür verurteilt.

Der polizeiliche Staatsschutz gab am zweiten Verhandlungstag an, dass Heß nach der Festnahme im Dezember 2022 ein Prüffall gewesen sei, da er bei der Tat eine Bauchtasche mit SS-Runen trug. Ob dieser in Strukturen sei, sei nicht bekannt, man gehe von einem Einzeltäter aus. Tatsächlich ist nicht bekannt, inwieweit Heß Demonstrationen besuchte. Er war zu Zeiten seiner Ausbildung bei der Demonstration gegen die Schließung des Nokia Werks im Jahr 2008 mit anderen Auszubildenden anwesend. Belege, dass er bei Demonstrationen der extremen Rechten anwesend war, liegen bisher nicht vor. Fraglich bleibt, ob er trotz der anstehenden Strafe und den mahnenden Worten des Richters von seiner menschenverachtenden rechten Einstellung ablässt, denn immerhin forderte er über seinen Rechtswanwalt, den stellvertretenden AfD-Kreisverbandssprecher Knuth Meyer-Soltau, alle seine NS-Devotionalien zurück sowie alle Waffen, die er legal besitzen darf.

Die Taten
Wie bereits beschrieben wurden neben dem Schuss auf die Synagoge verschiedene Brandstiftungen verhandelt. So warf er im Mai 2017 einen Molotow-Cocktail auf eine Kindertagesstätte in Bochum-Hamme. Dieser zündete jedoch nicht, sondern zerstörte nur eine Scheibe der Doppelverglasung und brannte davor aus. Die Erzieherin entdeckte den noch brennenden Brandsatz bei Arbeitsantritt vor der Tür. Im Februar 2018 warf er dann eine als Brandsatz ausgebaute Müllermilchflasche auf einen Balkon eines zwölfstöckigen Mehrfamilienhauses an der Kulmer Straße. Im Februar 2020 sprengte er in Bochum-Langendreer zudem eine DHL-Packstation. Heß ließ sich auf alle Vorwürfe ein und gab vor dem Hintergrund seiner DNA-Spuren an den Brand- und Sprengsätzen ein Geständnis ab. Als Motiv gab er an, dass er „Bock auf Knallen“ gehabt und sich keine Gedanken gemacht habe. Auch das im Falle des Mehrfamilienhauses etliche Menschenleben gefährdet waren, schien ihm wenig Gedanken bereitet zu haben. Weiterhin gab er an, bei jeder Tat unter dem Einfluss von BTM gestanden zu haben. Er gab zwar kurze Entschuldigungen ab, die von Oberstaatswanwaltschaft und Richter als authentisch wahrgenommen wurden. Auch dass der Schuss auf die Synagoge eher ein Zufallsprodukt gewesen sei, nahm das Gericht an. Begründet wurde dies damit, dass er im Vorfeld bereits auf das angrenzende Planetarium geschossen habe. Immerhin erkannten und benannten Gericht und Staatsanwaltschaft seine offesichtliche “nationalsozialistische, antisemitischen und rassistische” Einstellung, brachten diese jedoch kaum in Zusammenhang mit seinen Taten. Gerade in Zeiten eines wieder erstarkenden Antisemitismus, hätte die Betonung dieses Novums nach 1945 deutlicher ausfallen müssen. Zudem legen die Kameraaufnahmen nahe, dass er bei dieser Tat einmal mehr seine Bauchtasche mit dem Aufnäher der SS-Division “Götz von Berlichingen” getragen hat. Diese trug er auch bei seiner Verhaftung am 20. Dezember 2022, nachdem er beim Versuch ein Auto in Brand zu stecken, erwischt worden war.

Das Urteil
In der Gesamtschau wurde Heß vergleichsweise mild verurteilt. Dies hat er einerseits seiner Freundin, als auch seinem Arbeitgeber zu verdanken. Er wurde nach der Festnahme und der Unterbringung in Untersuchungshaft nicht gekündigt und auch seine Wohnung wurde offenbar weiterbezahlt. Deshalb sah das Gericht auch von einer weiteren Unterbringung in U-Haft ab. Während der Oberstaatsanwalt sowohl Fluchtgefahr als auch Widerholungsgefahr bei Heß sah, verwarf der Richter in seiner Urteilsbegründung beide Bedenken. So kann Heß nach Haftantritt hoffen, zeitnah in einen offenen Vollzug zu kommen, um seiner Tätigkeit weiterhin nachgehen zu können. Die Gutachterin konnte keine gefestigte Persönlichkeitsstörung feststellen, sondern nur vereinzelte Züge einer solchen. Sie betonte, Heß war zu jederzeit voll schuldfähig. Er wusste was er tat und plante seine Taten von langer Hand. Heß zeige sich außerdem heiter, wenn er über seine NS-Sammlung oder Waffen sprechen würde. Während er ansonsten eine versteinerte, wütende Mine aufsetzte, was der Richter am Ende der Verhandlung auch würdigte. Dabei machte der Richter dem Rechten ebenfalls deutlich, dass er mit seinem Lebensstil in dem von ihm gewünschten System sehr wohl als “Volksschädling” verurteilt worden wäre. Christian Heß kam somit im Anschluss der Verhandlung aus der U-Haft frei und wird bis zu seinem Haftantritt unter Einhaltung von Auflagen auf freiem Fuß sein. Auch der Gegenstand seines täglichen BTM-Konsums wird sich auf sein Urteil ausgewirkt haben. Weiterhin ist fraglich, warum die Justiz die nicht gezeigte Reue in Frage stellte, als er seine Aservate zurück forderte. Für die versuchte Brandstiftung an der Küpperstraße wurde er freigesprochen. 3 Jahre und 10 Monate sind für die Zeitspanne und die Qualität der Taten ein mildes Urteil, vorallem wenn ihm bereits jetzt der offene Vollzug in Aussicht gestellt wird. Heß nahm bei seinen wohlgeplanten Angriffen Menschenleben in Kauf und nur dank seiner “dilettantischen” (zit. Sachverständiger) Ausführung blieb es bei Sachschäden.

Weitere Taten
In der Causa Heß bleiben weitere Fragen offen. Einerseits wie es zur Politisierung des rechten Täters kam. Heß lebte in seinen Jugendjahren an der Küpperstraße, unweit der heutigen Synagoge. 2004 fand eine Demonstration gegen den Synagogenneubau statt, die NPD verteilte Flyer in der Nachbarschaft und das Auto des Rabbiners wurde zerstört und mit Hakenkreuzen versehen. Hier wäre interessant in wie weit diese Zeit seine ideologische Einstellung beeinflusste.

Brand Rolladen Soziales Zentrum am 28.09.2017

Hinzu kommt, dass die Taten in unmittelbarer Nähe seines Wohnortes oder dem Wohnort seiner Jugend ausgeübt worden. Gerade in Bochum-Grumme und Bochum-Hamme kam es zu zahlreichen Brandstiftungen in den vergangenen Jahren. Einer dieser Brandstiftungen ereignete sich am 28.09.2017 am Sozialen Zentrum Bochum. Der Eingangbereich wurde mit Benzin übergossen und versucht anzustecken. Die damals hin zugerufene Polizei spielte die Situation herunter, die Kriminalpolizei weigerte sich zu kommen. Hier ein Auszug aus dem Schreiben des SZ: „Denn anstatt eine Brandstiftung an einem Wohnhaus aufzunehmen, ging das Ganze bei der Polizei als “Sachbeschädigung durch Feuer auf Straßen, Wegen oder Plätzen” ein. Aber auch das blieb unbeachtet: Nur 8 Tage später erhielt die Anzeigestellerin einen Brief der Staatsanwaltschaft mit der Information, dass das Verfahren eingestellt sei.“ Sechs Jahre später sitzt Christian Heß, der nur unweit vom Sozialen Zentrum entfernt wohnt vor Gericht. Die Taten, die verhandelt werden, liegen zufällig im selben Zeitraum wie der Brandanschlag auf das Soziale Zentrum. Ein Schelm wer böses dabei denkt. Auch hätte geklärt werden müssen ob zwischen dem Wohnort des Angeklagten und dem Wohnort seiner Lebensgefährtin Brandstiftungen begangen wurden. Dass die vor Gericht verhandelten Taten die einzigen waren, die er ausgeübt hat, ist sicherlich zu bezweifeln.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass über 7 Jahre ein neonazistisch motivierter Täter in Bochum eine Anschlagsserie verübte und dabei Menschenleben in Kauf nahm. Zwar trafen nicht all seine Anschläge politische Ziele, jedoch begründet sich seine Waffen- und Gewaltaffinität auf seiner neonazistischen, von Selbstüberhöhung bestimmten Gesinnung. Genau diese wiederkehrenden Verhaltens- und Persönlichkeitsmuster sind rechten Tätern gemein und gefährdeten und kosteten bereits in naher Vergangenheit in Bochum und den Nachbarstädten immer wieder Menschenleben.

Prozessbeobachtung
07.12.23

Weitere Artikel zum Thema:

https://www.deutschlandfunk.de/haftstrafe-in-prozess-um-schuesse-auf-synagoge-in-bochum-100.html
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bochum-schuesse-auf-synagoge-angeklagter-zu-knapp-vier-jahren-haft-verurteilt-a-379d41e1-b6f3-4349-b5d3-77dbd73bc748
https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/urteil-schuesse-synagoge-bochum-100.html
https://www.zeit.de/news/2023-12/06/schuesse-auf-synagoge-haftstrafe-fuer-37-jaehrigen-bochumer
https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/prozess-schuesse-synagoge-essen-100.html
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bochum-mutmasslich-rechtsextremer-soll-auf-synagoge-geschossen-haben-prozess-beginnt-a-42604694-972a-434d-aa20-f83ff01427a6
https://www.waz.de/staedte/bochum/schuss-auf-bochumer-synagoge-ein-prozess-voller-probleme-id240597686.html
https://www.waz.de/staedte/bochum/schuss-auf-bochumer-synagoge-jetzt-beginnt-der-prozess-id240569546.html
https://www.waz.de/staedte/bochum/schuss-auf-bochumer-synagoge-taeter-zu-haftstrafe-verurteilt-id240760712.html

Fotostrecke: AfD Stand in der Bochumer Innenstadt am 21.10.23

Rechtsrock Konzert in Hattingen am 10.06.2023

KC in Hattingen am 10.06.23

Am Samstag, den 10.6.2023, fand in Hattingen ein Rechtsrock Konzert statt.Im Gewerbegebiet Henrichshütte spielte die bundesweit bekannte neonazistische Hooligan-Band „Kategorie C“.

Anhand der per Telegram veröffentlichten Fotos des Frontsängers und rechten Hooligans Hannes Ostendorf lässt sich die Lokalität zweifelsfrei identifizieren. Auch Spuren außerhalb des Veranstaltungsraum weisen daraufhin, dass das Rechtsrock Konzert dort stattgefunden hat.

Spuren nach dem Konzert in Hattingen 10.06.2023

Die Security bestand aus rechten Hooligans und Rockern, die T-Shirts mit dem Aufdruck „Hooligan Security“ trugen. „Dass Ostendorf und seine Band in dieser Region des Ruhrgebiets auftreten, ist gar nicht so untypisch“ so Malte Schröder von Recherche BO. „Ostendorf ist Mitglied der rechten Bremer Hooligan Gruppe ‚Standarte Bremen‘, diese sind seit vielen Jahren mit rechten Hools aus dem Raum Essen befreundet. Auch nach Bochum gibt es lose Kontakte.“

Hannes Ostendorf mit Anhang am 10.06.2023 in Hattingen

Folglich liegt nahe, dass die Tippgeber:innen für die Location aus der Region stammen. Gerade in Essen-Steele treten seit vielen Jahren die Steeler Jungs auf, die sich ebenfalls aus dem dem Milieu zusammensetzt, wie die Band „Kategorie C“: Neonazis, Hooligans und Rocker.
Auch die Vermieter:innen der Halle müssen nun kritisch hinterfragen; wie ein Rechtsrock Konzert in ihren Räumlichkeiten stattfinden konnte.[Aktualisierung 19.06.23: Kurz nach der Veröffentlichung distanzierte sich der Vermieter glaubhaft von dem Konzert und gab an getäuscht worden zu sein]

RechercheBO
19.06.2023

Noch mehr Tode bei Polizeieinsätzen in 2022 – Neue Rechercheergebnisse: Zahl der Tode bei Polizeieinsätzen 2022 erhöht sich um 6 Menschen

CN: Tod, Polizeigewalt

Am 15. Januar veröffentlichten wir hier die schockierende Recherche von 30 Toden, die bei Polizeieinsätzen im Jahr 2022 stattfanden. Leider müssen wir nun, zwei Monate später, am Internationalen Tag gegen Polizeigewalt, diese Recherche ergänzen. Wir müssen ganze sechs weitere Fälle hinzufügen.
Warum haben wir diese Fälle bei unserer ersten Recherche nicht finden können?
Eine spannende Frage, denn daran zeigt sich noch eindeutiger als zuvor, dass die Polizei keine Aufklärung und Öffentlichkeit zu diesen Fällen herstellt. Zu finden waren diese Todesfälle (bis auf teilweise den Pforzheimer Fall) nicht in einsehbaren Presseberichten der Polizei oder anderen Medien, sondern nur auf explizite Nachfrage bei den Behörden. Nach Jahresende wurde folgende Anfrage an alle Innenminsterien der Bundesländer und den Bund gestellt:

„Bitte geben Sie uns eine vollständige Liste mit allen Fällen bei denen ein oder mehrere Menschen im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz direkt oder an den Folgen im Jahr 2022 gestorben sind. Bitte nennen Sie Ort und Datum des Vorfalls. Außerdem ob Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen eingeleitet wurden und was der Verfahrensstand ist.”

Nur zu zwei der sechs Fällen gibt es eine polizeiliche Pressemitteilung, in Pforzheim und Herford. In Herford sind die Angaben dabei sehr ungenau und die Information, dass die Person später an den Folgen des Polizeieinsatzes verstarb, geht nicht aus der Mitteilung hervor.
Ganz konkret ergeben sich nach diesen Ergänzungen für uns folgende Fragen:
Was passierte in Düren und Ravensburg und warum wurde nicht über diese Fälle berichtet? Wurden sie bewusst verschwiegen? Warum gab es im Kreis Düren und im Rhein-Kreis-Neuss keine Ermittlungsverfahren?
Warum schließt die Polizei ihr eigenes Fehlverhalten in Diez kategorisch aus, wenn eine konkrete Todesursache nicht benannt werden konnte? Warum ist ein Tod eines Menschen in Polizeigewahrsam den Polizeibehörden nicht einmal eine Meldung wert? Dies erinnert sehr stark an den Fall von Giorgos Zantiotis. Er starb auch in Polizeigewahrsam und erst nach öffentlichem Druck, gaben die Behörden Stück für Stück Informationen preis.
Der Umstand, dass die Fälle der Polizei offenbar bekannt sind, aber nicht einmal in den öffentlichen Presseportalen eine Berichterstattung wert waren, zeigt zwei Dinge: Es gibt Tode bei Polizeieinsätzen, von denen die Polizei offensichtlich jede Aufmerksamkeit systematisch ablenken möchte. Und zweitens kann nun ganz eindeutig nicht mehr ausgeschlossen werden, dass es noch viele weitere solcher Fälle gibt, über welche keine Pressemitteilungen gemacht wurden. Vom Bund und den Bundesländern Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Sachsen gibt es beispielsweise keine Rückmeldung. Wie hoch ist die Dunkelziffer der Todesfälle?
Außerdem wurden laut den Behörden nur 21 Tode bei Polizeieinsätzen 2022 aufgelistet. Das zeigt, dass die (eigene) Rolle der Polizei in diesen Fällen meist gar nicht als aktiver Einfluss auf den Tod wahrgenommen wird, was die Antworten der Behörden noch unzuverlässiger macht. Dem gegenüber steht unsere Recherche von mittlerweile schon 36 Fälle von Toden bei Polizeieinsätzen in 2022 – und zeigt eine große Lücke auf.
Auch scheinen die Behörden manchmal selbst nicht zu wissen, was sie wissen, oder sie antworten wie es ihnen gerade recht ist. So wird in diesem Zeitungsartikel (https://zeit.de/gesellschaft/2023-02/polizeigewalt-tote-einsatz-debatte ; hinter einer Paywall), darauf verwiesen, dass die Behörden aus Baden-Württemberg keine Zahlen nannte – in der Anfrage von FragdenStaat wurden allerdings von vier Fällen in Baden-Württemberg berichtet.
Noch stärker als vorher ist uns bei dieser Recherche klar geworden: wir können den Aussagen der staatlichen Behörden aktuell nicht trauen – weder in ihrer Berichterstattung, noch auf Nachfrage. Ein komplettes Bild der Lage gibt es nicht.

Zur Vollständigkeit der Auflistung, und um die einzelnen Fälle in ihrer Komplexität zu betonen, haben wir in diesem Beitrag noch einmal alle 36 uns bekannten Fälle aufgelistet. Nur die sechs neu bekannt gewordenen Fälle sind im weiteren Detail beschrieben, während die Beschreibungen und Quellenangaben zu den übrigen Fällen in unserem ersten Beitrag zu finden sind.

Alle Fälle tödlicher Polizeieinsätze

2021-12-16* Nordrhein-Westfalen, Rhein-Kreis-Neuss, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist an einem unbekannten Tag im Jahr 2022 an den Folgen eines Polizeieinsatzes am 16.12.21 im Rhein-Kreis-Neuss verstorben. Der genaue Todestag ist nicht bekannt. Genauso wenig irgendwelche Informationen zu dem Einsatz. Es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen die Beamt*innen eingeleitet.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
*Das Datum ist das Einsatzdatum. Der Todeszeitpunkt ist in 2022, aber nicht genauer bekannt.
Quelle(n):
FragdenStaat

2021-12-26* Nordrhein-Westfalen, Kreis Herford, Name unbekannt

Am 26.12.21 gab es einen versuchten Femizid im Kreis Herford und einen Toten durch den ausgelösten Polizeieinsatz. Ein Mann hat eine Frau in einer Wohnung mit einer Stichwaffe verletzt. Als die Polizei eintraf, soll er mit einer Schusswaffe auf die Beamt*innen gezielt haben. Durch Schüsse der Beamt*innen schwerverletzt kam er ins Krankenhaus, wo er an einem unbekannten Tag im Jahr 2022 verstarb. Die verletzte Frau kam ebenfalls ins Krankenhaus. Es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen die Beamt*innen eingeleitet.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
*Das Datum ist das Einsatzdatum. Der Todeszeitpunkt ist in 2022, aber nicht genauer bekannt.
Quelle(n):
FragdenStaat
PM der Polizei

2022-01-04 Thüringen, Jena, Name unbekannt

2022-01-06 Nordrhein-Westfalen, Bonn Name unbekannt

2022-02-01 Hessen, Gemünden, Name unbekannt

2022-02-09 Hamburg Name unbekannt

2022-02-24 Bayern, Gunzenhausen Name unbekannt

2022-02-25 Thüringen, Schmölln Name unbekannt

2022-03-03, Rheinland-Pfalz, Diez, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist am 03.03.22 in Diez in Polizeigewahrsam verstorben. Laut Behörde konnte durch eine Obduktion die konkrete Todesursache nicht festgestellt werden. Die Polizei schließt ein Fehlverhalten der Beamt*innen aus.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat

2022-03-20 Bayern, Grünthal Daniel Scherschin

2022-04-07 Nordrhein-Westfalen, Bochum Name unbekannt

2022-04-08 Bayern, München, Name unbekannt

2022-04-12 Nordrhein-Westfalen, Neukirchen-Vluyn Name unbekannt

2022-04-27 Berlin Marcel K.

2022-05-02 Hessen, Offenbach Name unbekannt

2022-05-02 Baden-Württemberg, Mannheim A. P.

2022-05-04 Baden-Württemberg, Pforzheim, Name unbekannt

Ein 46-jähriger Mannes ist am 04.05.2022 in seiner Wohnung in Pforzheim verstorben. Im laufe des Tages, wurde der Mann wegen eines Treppensturzes in einem Pforzheimer Krankenhaus behandelt und entließ sich anschließend selbst. Seine Lebensgefährtin vermutete jedoch, dass nicht der Treppensturz ursächlich für den Tod des Mannes war, sondern ein vier Tage zuvor stattgefundener Polizeieinsatz. Bei diesem soll der Mann einer Aufforderung der Polizei das Revier zu verlassen nicht nachgekommen sein. Daraufhin schoben die Beamt*innen den Mann unter Anwendung unmittelbaren Zwanges aus dem Revier, wobei dieser stürtze. Aufgrund der unklaren Sachlage zum Tod des Mannes wurde eine Obduktion angeordnet, zu dessen Ergebnis keine weiteren Informationen gefunden werden konnten.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat
PM der Polizei

2022-05-10 Baden-Württemberg Name unbekannt

2022-07-04 Sachsen-Anhalt, Weißenfels, Name unbekannt

2022-07-05 Baden-Württemberg, Ravensburg, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist am 07.05.22 in Ravensburg an den Folgen eines Polizeieinsatzes verstorben. Es sind keine Informationen zu dem Einsatz bekannt. Es wurden Ermittlungen gegen Beamt*innen eingeleitet, aber diese sind noch nicht abgeschlossen.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat
PM der Polizei

2022-08-02 Hessen, Frankfurt Amin F.

2022-08-03 Nordrhein-Westfalen, Köln Jozef Berditchevski

2022-08-07 Nordrhein-Westfalen, Oerkenschwick/Recklinghausen Name unbekannt

2022-08-08 Nordrhein-Westfalen, Dortmund Mouhamed Lamine Dramé

2022-08-21 Nordrhein-Westfalen, Kreis Düren, Name unbekannt

Eine namentliche unbekannte Person ist am 21.08.22 im Kreis Düren an den Folgen eines Polizeieinsatzes verstorben. Es sind keine Informationen zu dem Einsatz bekannt. Es wurde kein Ermittlungsverfahren gegen die Beamt*innen eingeleitet.
Disclaimer: Es gibt keine unabhängigen Informationen zu diesem Fall, außer die Aussagen der Behörden selbst.
Quelle(n):
FragdenStaat

2022-09-04 Berlin Name unbekannt

2022-09-04 Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach Name unbekannt

2022-09-07 Sachsen, Leipzig Name unbekannt

2022-09-08 Bayern, Ansbach Name unbekannt

2022-10-06 Berlin Kupa Ilunga Medard Mutombo

2022-10-19 Nordrhein-Westfalen, Dortmund Name unbekannt

2022-10-24 Nordrhein-Westfalen, Zülpich-Linzenich Timo R.

2022-11-17 Nordrhein-Westfalen, Enger, Hikmet T.

2022-11-18 Hessen, Using Name unbekannt

2022-12-10 Sachsen, Dresden David W.

2022-12-15 Hessen, Hattersheim Name unbekannt

Als zusätzliche Quellen, alle beantworteten Rückmeldungen der Behörden:

Wir kennen nicht alle Namen. Wir kennen leider auch nicht alle Positionen der Angehörigen. Falls es von Angehörigen, sei es Familie, Freund*innen oder Bekannten, an einer unserer Darstellungen Anmerkungen oder Kritik gibt, kontaktiert uns gerne unter:

initiative_topa [ät] riseup [dot] net

Dies gilt ebenfalls für das Ergänzen, Korrigieren und Öffentlichmachen von weiteren Informationen (z.B. Namen, Personeninformationen, Infos oder eure offenen Fragen zur Tat). Auch darüber hinaus sind wir für Kritik und Anmerkungen (z.B. zur Sprache, Listung) offen, gerade da uns die Sensibilität und Schwere des Themas bewusst ist.

„Combat 18“ Mitglied und Rechtsrock Frontsänger arbeitet in Bochum

Marko Gottschalk mit Brothers of Honour Jacke in Themar am 05.07.2019 Quelle:Pixelarchiv

Marko Gottschalk, Kopf der Rechtsrockband „Oidoxie“ und Mitglied in der rechtsterroristischen Vereinigung „Combat 18“, , arbeitet seit einigen Jahren in Bochum bei dem Unternehmen „ImmoKonzept“. Dort ist er in dem Bereich Bau tätig. Mit ihm erhält eine Person mit klaren Bezügen zum Rechtsterrorismus Zugang zu verschiedenen Immobilien, Firmen und Privatwohnungen. Momentan arbeitet Gottschalk regelmäßig bei der Sanierung der neuen „Milestone“-Immobilie der „DGC-Gruppe“ an der Wittener Straße 87 in Bochum. Dort entsteht auch der neue Hauptsitz seines Arbeitgebers „ImmoKonzept“.

 

Gottschalk und Oidoxie
Doch wer ist eigentlich Marko Gottschalk. Gottschalk bewegt sich seit Ende der 80er-Jahre in, in der „Skinhead- bzw. nationalen Bewegung“ (Zitat Gottschalk). Er ist der Frontsänger der Dortmunder Rechtsrockband „Oidoxie“ und hat somit auch eine symbolische Strahlkraft weit über die Neonaziszene im Ruhrgebiet und in Westdeutschlands hinaus. Mit seinen Bandprojekten tritt er auf nahezu allen größeren Rechtsrockfestivals auf und verhilft der militanten Neonaziszene damit zu Geldeinnahmen. Gerade das Bandprojekt „Oidoxie“ zählt zu den Zugpferden des deutschen Rechtsrock und wird auch bei internationalen Neonaziveranstaltungen gerne gebucht. Rechtsrockkkonzerte zählen zu den zentralen Einnahmenquellen der deutschen Neonaziszene und wirken auf die Zuhörenden gewaltsteigernd. Immer wieder kommt es im Rahmen von Rechtsrockkonzerten zu Gewaltausbrüchen und Volksverhetzung.
„Oidoxie“ entstand im Laufe und als Produkt der 90iger Jahre als rechte Straßengewalt einen traurigen Höhepunkt erlebte und ist als Band den rechtsterroristischen Netzwerken „Blood&Honour“ und „Combat18“ zuzuordnen. „Blood&Honour“ wurde im Jahr 2000 in Deutschland verboten. Das Verbot von „Combat18“ erfolgte erst im Jahr 2020 nachdem staatliche Strukturen aufgrund einer umfassenden antifaschistischen Recherche aus dem Jahr 2018 unter Zugzwang gerieten.

Straßengewalt und rechter Terror
Von den 90igern schwärmte Gottschalk noch vor wenigen Monaten in einem Interview eines neonazistischen Videoformats als er von seiner Skinheadclique und den Auswärtsfahrten dieser erzählte. Dass diese Zeit von Gewalt gegen Migrant:innen, Obdachlose und allen weiteren, die nicht ins Weltbild der Neonazis passten, geprägt waren, lässt er in seinen Verlautbarungen außen vor. Dass seine Band „Oidoxie“ klare Bezüge zu Combat 18 und somit zum organisierten Rechtsterrorismus aufweist, steht außer Frage. So widtmete Gottschalk das Lied „Terrormachine“ jener rechtsterroristischen Gruppierung. Dort heißt es unter anderem: „Fighting for our nation, fighting against the scum, If you see the hate in our face, you should better run, Fighting for better nations, we want our cities clean, This is the terrormachine, this is Combat 18!“. Was für Gottschalk Kunstfreiheit ist, ist für die Adressat:innen solcher Texte ein klarer Aufruf zur Gewalt. Dass diese Gewalt mit einem rassistischen Weltbild legitimiert wird, macht Gottschalk in einem weiteren Lied deutlich. In „Ready for War“ singt er „We are full of hate for you, C18 stands on our banner, A radical army for freedom, aryan blood, pride and honour“. Weiterhin heißt es dort: „We are Combat 18, who the fuck are you?“. Ein klares Bekenntnis zu Combat 18 seinerseits, was er auch mit einem Tattoo auf seiner Brust verdeutlicht. Auch mit seinem zweiten Rechtsrockprojekt „Straftat“ verherrlicht er Gewalt und ruft zu dieser auf: „Wir sind hier, um zu verletzen, Mit unseren Worten und unseren Texten, […], Dies ist eine Warnung, legt Euch nicht mit uns an,[…], Doch stellt ihr Euch uns in den Weg, Dann bleibt Euch nichts erspart“. Damit ruft er folglich zu politisch begründeten Morden auf. Fünf von diesen gab es in unserer Nachbarstadt Dortmund. So ermordete der Neonazi Michael Berger im Jahr 2000 drei Polizeibeamte. Berger war Teil der „Kameradschaft Dortmund“, der auch Gottschalk zuzurechnen war. Aus eben jener Kameradschaft rekrutierte Gottschalk zudem für seine „Oidoxie Streetfighting Crew“.

Marko Gottschalk mit C18 Tattoo auf der Brust Quelle: AIB

Streetfighting Crew und C18-Zelle
Dass es nicht nur bei verbalen Äußerungen bleibt zeigte die „Oidoxie Streetfighting Crew“, die sich rund um die Band Oidoxie und Marko Gottschalk als sogenannter Saalschutz gründete und aus der lokalen Neonazikameradschaft und aus Kasseler Kameradschaftstrukturen rekrutierte. Es ist bekannt, dass aus diesen Reihen eine 7-köpfige „Combat18“ Zelle von Gottschalk gegründet wurde.
So schoss das OSC-Mitglied Robin Schmiemann, der als Brieffreund der NSU Rechtsterroristin Beate Zschäpe bekannt wurde und noch heute zu „Combat18“ zu zählen ist, bei einem Raubüberfall auf einen Supermarkt einen Migranten nieder, welcher nur mit Glück überlebte. Der V-Mann Sebastian Seemann gab zudem an, dass er Waffen in diese militanten Dortmunder Nazistrukturen verkaufte. Marko Gottschalk selbst ruft nicht nur in seinen Liedern zu Gewalt auf, sondern übt sie auch aus. So griff er mit oben genannten Robin Schmiemann im Januar 2006 nach einer Demonstration eine Gruppe Gegendemonstrant:innen in Dortmund an. Bei dem Angriff schlugen sie mit Schlagwergzeugen auf diese ein. Für die Tat wurde Gottschalk nie rechtlich belangt, obwohl der Verfassungsschutz diese Tat beobachtete. Auch hier könnte man die Vermutung aufstellen, dass Sebastian Seemann nicht die einzige Person in Reihen der Streetfighting Crew war, die mit staatlichen Stellen kuschelte.

Der NSU und die Spuren in die Nachbarstadt
Was ebenfalls nicht gerichtlich aufgearbeitet wurde ist, in welcher Verbindung die NSU-Mordserie mit lokalen Neonazis aus Dortmund gestanden hat. Fakt ist, dass zum Zeitpunkt des Mordes an Mehmet Kubasik eine aktive „Combat18“-Zelle in Dortmund bestand. In einer Zeit als die Dortmunder Neonazis unter dem Motto „Dortmund ist unsere Stadt“ agierten. Nur zwei Tage nach dem Mord an Mehmet Kubasik erfolgte der NSU Mord an Halit Yozgat in Kassel. Aus beiden Regionen kamen Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“, in beiden Regionen waren „Combat18“ Strukturen aktiv. Kurz nach der Enttarnung des NSU setzte sich Gottschalk nach Schweden ab. Erst als deutlich wurde, dass die Ermittlungen nicht in Richtung Dortmund gehen werden, kam er im Jahr 2016 zurück nach Deutschland.

Und heute?
Marko Gottschalk ist auch nach den Verboten von „Blood&Honour“ im Jahr 2000 und von „Combat18“ im Jahr 2020 unter dem Label der Nachfolgeorganisation „Brothers of Honour“ tätig. Hier bei steht das B und das H des neuen Gruppennamens, als in der rechten Szene gängige Abkürzung für „Blood&Honour“. Auf Kutten, die der Rockerszene ähneln, befinden sich zudem Patches die ebenso Bezüge zu „Blood&Honour“ und „Combat18“ aufweisen. So tragen die Mitglieder den C18-Slogan „What ever it takes“ auf ihrer Brust. Ebenso das Chiffre „28FF28“, was ebenfalls „Blood&Honour Forever, Forever Blood&Honour“ bedeutet. Die 28 steht seit jeher für die Buchstaben B und H und somit für das verbotene neonazistische Netzwerk. Interessant hierbei ist, dass Gottschalk, der sich gerichtlich bescheiningen ließ, keine Führungsperson von „Combat18“ oder „Blood&Honour“ zu sein, unter dem neuen Label als „President“ auftritt und dieses gerichtliche Urteil ad absurdum führt. So trat er noch am 04.03.2023 mit eben dieser Kutte in Neumünster auf. Dort sollte ein Konzert der Neonaziband „Endstufe“ stattfinden. Nachdem die Polizei dieses verbot und auflöste, randalierten die anwesenden Neonazis und griffen die Polizeibeamten an.

Der Arbeitgeber und die Stadt

Marko Gottschalk im Werbevideo von ImmoKonzept

Fraglich ist wie eine Größe des deutschen Rechtsrock über Jahre in einer Firma in Bochum tätig sein konnte und dort sogar in Werbeclips auftritt, ohne dass sich jemand an Gottschalks Machenschaften stört. Das seine Freizeitgestaltung all die Zeit unbekannt gewesen sein soll scheint schwer vorstellbar. Spätestens bei Gottschalks „Skin“ Tätowierung am Hals, sollte sich die ein oder andere Person bereits Fragen gestellt haben. Auch in Anbetracht dessen, dass “ImmoKonzept” ein Business Partner des Vfl Bochum ist und Gottschalk womöglich so auch Zugang zu sensiblen Bereichen erhält, stellt die Anstellung von Marko Gottschalk ein Risiko dar. Für die Stadt Bochum zeigt es erneut, dass sich militante und gewaltaffinen Neonazis in Bochum bewegen. Vorangegangen Artikel haben unter anderem aufzeigen können, dass Gottschalk auch Kontakte zu in Bochum lebenden Neonazis pflegt, wie der Fall des „Streetfighting Crew“ Members Sebastian Mietze aufzeigte.

RechercheBO
13.03.23

Weitere Artikel:
Naziaktivistin bei der Schufa in Bochum
Combat 18 Nazi in Bochum
Hammerskins in Bochum

Recherche: Tode bei Polizeieinsätzen 2022

CN: Tod, Polizeigewalt, Femizid

Hintergrund

Im August letzten Jahres erschossen Polizeibeamt*innen den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé. Sein Tod mobilisierte viele tausende Menschen gegen rassistische Polizeigewalt in Dortmund auf die Straße zu gehen. Auch uns beschäftigte dieser Fall sehr, vor allem weil er in einer Reihe mit weiteren bekannten Todesopfern bei Einsätzen durch die Polizei stand. Wir stießen auf viele Berichte von ähnlichen Situationen mit tödlichem Ausgang, aber eine vollständige Liste suchten wir vergeblich. So begann unsere Recherche zu tödlichen Polizeieinsätzen in Deutschland. Unser Ziel war eine Auflistung aller Personen, die im Jahr 2022 während oder in Folge einer polizeilichen Maßnahme gestorben sind. Auch wenn nicht alle Todesfälle so eindeutig auf die Täter*innenschaft der Polizei verweisen, wie der von Mouhamed Lamine Dramé, so stellt sich dennoch oft die Frage nach deren (Mit-)Verantwortung: Wäre die Person noch am Leben, wenn die Polizei nicht gekommen wäre?“

 

Insgesamt haben wir deutschlandweit 30 Fälle mit tödlichem Ausgang gefunden, die unseren Kriterien entsprechen. Davon verstarben allein 10 Menschen im Zusammenhang mit Einsätzen der Polizei Nordrhein-Westfalen. Die meisten dieser 30 tödlichen Polizeieinsätze sind weder aufgeklärt noch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und die Mehrheit der Vorgänge blieben ohne Konsequenzen für die Beamt*innen. 
Neben einer kurzen Beschreibung des Falls sind auch einige Quellen aufgeführt. Auch wenn die Quellenlage von Fall zu Fall stark variiert, haben wir versucht einschlägige und ausführliche Presseberichte, aktivistische Arbeiten oder Beiträge aus Perspektive der Angehörigen zu verlinken. Wenn es besonders wenig Informationen gab, verweisen wir auch auf Pressemitteilungen der Polizei. Hervorheben möchten wir zudem:

Alle Fälle tödlicher Polizeieinsätze

04.01.2022: Name unbekannt — Jena, Thüringen

Eine namentlich unbekannte Person ist am 04.01.2022 in Jena, Thüringen nach einem Polizeieinsatz im Krankenhaus verstorben. Der Mensch wurde ohnmächtig, als die Polizei ihn am 01.01.2022 gewaltsam fesselte. Laut dem Obduktionsgutachten hat der 40-jährige dabei schwere Kopfverletzungen erlitten und erlag ihnen nach drei Tagen im Krankenhaus.
Quelle(n):

06.01.2022: Name unbekannt — Bonn, NRW

Eine namentlich unbekannte Person ist am 06.01.2022 in Bonn, Nordrhein-Westfalen nach einem Polizeieinsatz im Krankenhaus gestorben.
Der Mensch ist auf der Flucht vor der Polizei am 24. Juli 2021 beim Klettern mit Pfefferspray besprüht worden und in einen Container gefallen. Nach der Festnahme verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch. Daraufhin lag der 21-Jährige im Koma und verstarb schließlich fünf Monate später. Seine Familie vermutet, dass er aufgrund seines illegalen Aufenthaltsstatus in Deutschland vor der Polizei fliehen wollte. Unklar ist ihnen, warum die Bodycams der Polizeibeamt*innen ausgeschaltet waren und wann die Rettungswagen nach der Festnahme gerufen wurden.
Quelle(n):

01.02.2022: Name unbekannt — Gemünden, Hessen 

Am 01.02.2022 wurde in Gemünden, Hessen ein namentlich Unbekannter 43-Jähriger von der Polizei angeschossen, nachdem er einen Femizid beging. Er verstarb im Krankenhaus in Marburg an seinen Verletzungen. Zuvor erstach er seine 41-jährige Frau mit einem Messer und fügte auch sich selbst Schnittwunden zu. Unklar bleibt wie viele Schüsse auf ihn abgegeben wurden und welche Rolle die Schussverletzung an der rechten Schulter bei seinem Tod spielte. Das hessische LKA ermittelte gegen zwei von den vier anwesenden Beamt*innen wegen Schusswaffengebrauchs. 
Quelle(n):

09.02.2022: Name unbekannt — Hamburg

Ein namentlich unbekannter, 33-jähriger Mann, verstarb am 9. Februar 2022 nach einer Festnahme mittels körperlicher Gewalt der Hamburger Polizei.
Die Polizei wurde nach eigenen Angaben durch eine*n Passant*in gerufen, da ein Mann in einem „offenbar verwirrten Zustand“ auf eine vielbefahrene Straße lief und verhaftete ihn daraufhin. Nachdem er nach der Festnahme „zur Feststellung seines Gesundheitszustandes“ in einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht worden war, verstarb er laut einer ersten polizeilichen Pressemitteilung noch am selben Tag. In einer zweiten PM wurde jedoch kommuniziert, dass der Mann schon bei der Ankunft am Krankenhaus kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Reanimierungsversuche blieben erfolglos. Der Einsatz sollte polizeiintern untersucht werden, eine genaue Obduktion zur Feststellung der konkreten Todesursache wurde angekündigt. Hierzu finden sich jedoch keine abschließenden Informationen.
Quelle(n):

24.02.2022: Name unbekannt — Gunzenhausen, Bayern

Ein namentlich unbekannter 47-Jähriger wurde am 24.02.2022 in Gunzenhausen, Bayern, durch die Schüsse von zwei Polizeibeamten getötet. Er soll am späten Abend vor seinem eigenen Haus randaliert haben, sodass Passant*innen die Polizei verständigten. Die eintreffenden Polizist*innen entdeckten Feuer im Haus und forderten die Feuerwehr als Unterstützung an. Bei den Löscharbeiten soll der Mensch die Beamt*innen mit einem Messer angegriffen haben. Eine Abwehr mit Pfefferspray scheiterte, woraufhin beide auf ihn schossen. Kurz darauf erlag der 47-Jährige in einer Klinik seinen Schussverletzungen. Wer und wie oft die Polizist*innen auf ihn schossen, bleibt ungeklärt –  genauso wie die Frage, ob es eine andere, nicht-tödliche Deeskalationsmöglichkeit gegeben hätte. Das LKA ermittelt. 
Quelle(n):

25.02.2022: Name unbekannt — Schmölln, Thüringen

Eine namentlich unbekannte Person ist am 25.02.2022 nach einem Polizeieinsatz im thüringischen Schmölln verstorben. Die Person verlor kurz nach Beginn des Polizeieinsatzes im Hausflur eines Mehrfamilienhauses aus ungeklärten Gründen das Bewusstsein und musste noch vor Ort von den anwesenden Rettungskräften reanimiert werden. Nachdem die Person erst wiederbelebt werden konnte, starb sie am darauffolgenden Samstag im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt gegen die beteiligten Beamt*innen.
Quelle(n):

20.03.2022: Daniel Scherschin — Grünthal, Bayern

Der 31-jährige Daniel Scherschin kam am Abend des 20. März 2022, nach einem Polizeieinsatz im bayrischen Grünthal ums Leben. Die Polizei stellte den, seit seinem 16. Lebensjahr an Schizophrenie leidenden, Mann auf der Brandlbergerstraße, nachdem seine Freundin die Polizei gerufen hatte. Er solle eine andere Person mit der Faust geschlagen haben. Kurz darauf starb Daniel beim polizeilichen Festnahmeversuch mit gefesselten Armen und Beinen.
Das Gutachten der Staatsanwaltschaft Regensburg zur Todesursache spricht von: „[…] Todeseintritt bei dem 31-jährigen Verstorbenen mit einem akuten Herzversagen im Rahmen der körperlich anstrengenden Widerstandshandlungen […].“ Das unabhängige, von der Familie in Auftrag gegebene Gutachten spricht von Stauungsblutungen, die durch starken Druck auf den Brustkorb ausgelöst werden können und widerspricht somit dem Gutachten der Staatsanwaltschaft. Auch die Body Cams der beteiligten Polizist*innen waren alle ausgeschaltet. Die Todesursache bleibt ungeklärt. 
Quelle(n):

07.04.2022: Name unbekannt – Bochum, NRW

Eine 46-jährige namentlich unbekannte Person ist am 07.04.2022 in Bochum in Verbindung mit einem Polizeieinsatz verstorben. Gegen 5:55 Uhr wurden die Polizist*innen nach Bochum Riemke gerufen. Der Grund für das Ausrücken der Polizei, außer dass die Person alkoholisiert gewesen sein soll, ist nicht geklärt. Nachdem die Polizist*innen den Mann ansprachen, soll dieser Widerstand geleistet haben. Daraufhin rief die Polizei Verstärkung. Die Person wurde überwältigt und gefesselt, dabei verlor sie das Bewusstsein und konnte nicht reanimiert werden. Die Person verstarb noch am Einsatzort. Nachdem „aus Neutralitätsgründen“ das angrenzende Polizeipräsidium aus Essen ermittelte, wurde „kein Fremdverschulden“ festgestellt und die verantwortliche Staatsanwaltschaft leitete kein Verfahren gegen die Polizist*innen ein. Wie so häufig liegen nur die Berichte der beteiligten Polizist*innen vor und eine neutrale Recherche bzw. eine konsequente Aufklärung wird erschwert. Als Todesursachen laut Polizeigutachten wird laut WAZ später „Intoxikation und Luftnot“ benannt. Ob die Luftnot mit der Überwältigung und Fesselung der Person zusammenhing, ist ungeklärt. 
Quelle(n):

08.04.2022: Name unbekannt — München, Bayern

Eine namentlich unbekannte 30-Jährige ist am 05.04.2022 nach einem Polizeieinsatz im Münchener Stadtteil Giesing im Krankenhaus verstorben. Die an manischer Schizophrenie leidende Frau soll ein ausgeliehenes Handy nicht zurückgegeben haben, woraufhin zwei Streifen am Ort des Geschehens eintrafen.
Die Frau wurde zu Boden gerungen und ihre Hände wurden gefesselt. Nachdem die Fesseln abgenommen wurden, floh sie und brach wenige Meter weiter wieder zusammen. Dort wurden ihr erneut die Hände gefesselt und die Frau wurde in die psychiatrische Klinik gebracht. Dem Personal fiel eine Armverletzung auf, daraufhin wurde die Frau auf die Intensivstation gebracht. Dort verstarb sie. Welche Verantwortung die Polizei für den Tod der 30-Jährigen hat, bleibt ungeklärt. 
Quelle(n):

12.04.2022: Name unbekannt — Neukirchen-Vluyn, NRW

Ein namentlich unbekannter Mann ist am 12.04.2022 in Neukirchen-Vluyn in Nordrhein-Westfalen von der Polizei erschossen worden. Nachdem die Polizei abends zur Wohnung des 50-Jährigen gerufen wurden, weil dieser in seiner Wohnung randaliert haben soll, brachen sie seine Tür auf. 
Der Mann soll der Polizei mit einem Messer gedroht haben, woraufhin das Spezialeinsatzkommando (SEK) kam. Er soll sich mit dem Messer auf die SEK-Beamt*innen zu bewegt haben, weshalb die Beamt*innen dem Mann mehrmals in den Oberkörper schossen und ihn dabei töteten. Er verstarb im Krankenhaus.
Über das Ermittlungsverfahren, das die Polizei Duisburg einleitete, ist bisher noch nichts bekannt.
Quelle(n):

27.04.2022: Marcel K. — Berlin

Am 39 Jahre alten Marcel K., der am 27.04 an den Folgen eines Polizeieinsatzes am 20.04 in Berlin Schöneweide starb.
Der kranke und am Bein verletzte, wohnungslose Marcel K. suchte in dieser Nacht mit zwei Freunden einen geeigneten Schlafplatz, den die drei Freunde hinter einem Waschcenter in der Brückenstraße 1 fanden. Nachdem die Freunde einschliefen, wurden sie gegen 23 Uhr von Polizist*innen zur Räumung geweckt. Zwar konnten seine zwei Freunde fliehen, Marcel wurde jedoch von einem Beamten an seinem verletzten und stark schmerzenden Bein gepackt. Seine beiden Freunde konnten aus der Ferne beobachten wie mehrere Polizist*innen auf den am Boden liegenden Marcel einschlugen und ihm Pfefferspray ins Gesicht sprühten.
Marcel geriet in Atemnot und blieb danach leblos am Boden liegen. Ein Krankenwagen brachte den bewusstlosen Marcel K. in ein. Dort verstarb er am sieben Tage später an den Folgen des Polizeieinsatzes. Die Schönweider Initiative „A-Küche“ sowie Nachbar*innen solidarisieren sich seitdem in Form verschiedener Gedenkaktionen wie die Markierung des Tatorts oder machen mit Plakaten und Demonstrationen auf den Fall von Marcel K. aufmerksam.
Quelle(n):

02.05.2022: Name unbekannt — Offenbach, Hessen

Ein namentlich unbekannter, 38-jähriger Mann, fiel in Offenbach, Hessen, in Folge eines Polizeieinsatzes vom Dach eines sechsstöckigen Hauses und verstarb noch vor Ort. #polizeitötet
Nachbar*innen hatten die Offenbacher Polizei wegen des Mannes gerufen, da dieser in seiner Wohnung „randaliert“ haben soll. Der Mann, der sich in der Vergangenheit „wegen psychischer Auffälligkeiten bereits mehrmals freiwillig in eine Fachklinik begeben“ haben soll, hatte der Polizei zufolge ein Messer bei sich und sei aggressiv aufgetreten. Daraufhin wurde das SEK zum Einsatz hinzugezogen. Dies eskalierte die Situation massiv und der Mann flüchtete auf das Dach des sechsstöckigen Gebäudes. Von dort stürzte er einige Zeit später und nach etwa sechsstündigem Einsatz in den Tod.
Untersuchungen zur Ursache des Sturzes wurden durch die Polizei angekündigt, Ergebnisse hierzu sind jedoch nicht zu finden.
Quelle(n):

02.05.2022: A. P. — Mannheim, Baden-Württemberg

Der 47-Jährigen A. P. ist am 02.05.2022 in Mannheim, Baden-Württemberg, von der Polizei getötet worden. Am Mittag des 02.05. rief ein Arzt des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim die Polizei, da A. P. die Einrichtung ohne Vorankündigung verließ. Wenig später wurde A.P. vor einem Imbiss in der Mannheimer Innenstadt aufgefunden. Laut Polizei leistete A. P. Widerstand, weswegen die Polizei „unmittelbaren Zwang“ ausübte. A. P. kollabierte und musste noch vor Ort reanimiert werden. Er verstarb wenig später in der Mannheimer Universitätsklinik. Der Polizeieinsatz ist wenig später auf einem Handyvideo, gefilmt von einem Passanten zu sehen. Die Polizist*innen warfen A. P. demnach zu Boden, schlugen ihm wiederholt mit der Faust ins Gesicht bis dieser blutete und sprühten ihm aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht. Auch knieten sie sich auf dem am Boden liegenden A. P. Das Gutachten der Mannheimer Staatsanwaltschaft zur genauen Todesursache spricht von „Lage und fixationsbedingten Atembehinderung“, sowie von „Ersticken durch eine Blutung in die oberen Atemwege“. In den darauffolgenden Tagen forderten einige Hundert Demonstrierende und Initiativen in Mannheim und Heidelberg die konsequente Aufklärung des Falls und dessen möglicher rassistischer Komponente. Der Landeschef der GdP, Gundram Lottmann, entschied sich, seine Anteilnahme vor allen den beteiligten Polizist*innen auszusprechen. Gegen sie läuft ein Ermittlungsverfahren, eine öffentliche Aufarbeitung findet nicht statt.
Quelle(n):

10.05.2022: Name unbekannt — Mannheim, Baden-Württemberg

Ein 31-jährigen Mann, Name unbekannt, verstarb am 10.05.2022 in Mannheim während eines Polizeieinsatzes. Laut polizeilicher Pressemitteilung habe der 31-jährige mit seiner 55-jährigen Mutter laut gestritten und sich im Verlauf dieser Auseinandersetzung selbst Schnittwunden hinzugefügt. Die durch eine*n Hausbewohner*in hinzugerufenen Beamt*innen verschafften sich gewaltsam Zutritt zu der Wohnung. Dort soll der Mann versucht haben, sie mit einem Messer anzugreifen. Nach vergeblichem Pfeffersprayeinsatz schoss ein Beamter ihm gezielt ins Bein, woraufhin der 31-jährige kurze Zeit später verstarb. Inzwischen (bereits im September) wurde das Verfahren gegen den schießenden Beamten eingestellt, da der Beinschuss laut Obduktionsbericht wohl nicht die (alleinige) Todesursache war. Auch hier scheint es dringenden Klärungsbedarf hinsichtlich polizeilicher Deeskalationsstrategien zu geben. Es war bereits der zweite Tod durch polizeiliche Fixierung in Mannheims innerhalb von acht Tagen
Quelle(n):

04.07.2022: Name unbekannt — Weißenfels, Sachsen-Anhalt

Ein namentlich unbekannter, 36-jähriger Mann verstarb am 04.07.2022 in Weißenfels zwei Tage nach einer versuchten Festnahme durch die Polizei im Krankenhaus.
Gemäß Polizeiangaben versuchte der Mann am 02.07., nachdem zwei alarmierte Polizist*innen diesen bei einem Einbruchsversuch konfrontiert hatten, zu flüchten. Beim folgendem Festnahmeversuch soll sich der Mann zur Wehr gesetzt haben und die Polizist*inne setzten „Zwangsmaßnahmen“ ein. Was genau diese umfassten, ist nicht klar. Der Mann verlor im Laufe der Konfrontation das Bewusstsein und wurde vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus eingeliefert.
Dort verstarb er zwei Tage später. Die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau sollte das Geschehnisse „unabhängig“ und „neutral“ ermitteln, so die Polizeiinspektion Halle. Eine Obduktion wurde angeordnet, jedoch sind keine Ergebnisse bekannt.
Quelle(n):

02.08.2022: Amin F. — Frankfurt am Main, Hessen

Amin F. bedrohte am 02.08.2022 in Frankfurt in einem Hotel zwei Frauen. Nachdem sie sich in Sicherheit gebracht hatten, riefen sie die Polizei. Es gab die Vermutung, dass Amin F. eine Waffe besäße. Das SEK stürmte in das Hotelzimmer, in dem sich Amin F. allein aufhielt und hetzten einen Polizeihund auf ihn. Er wehrte sich mit einem Messer gegen den Hund. Nachdem er eine Stichbewegung in Richtung der Beamt*innen gemacht haben soll, wurde er mit sechs Schüssen, wovon einer ihn im Kopf traf, erschossen. Der Mensch war von Rassismus betroffen. Inwieweit Rassismus eine Rolle beim Einsatz spielt, da sich das Ganze im Frankfurter Bahnhofsviertel abspielte, wo regelmäßig Menschen über rassistische Polizeiarbeit berichten, ist nicht klar. Auch bleibt die Frage offen, ob ein deeskalativeres Vorgehen zur Sicherstellung der angeblichen Waffe möglich gewesen wäre.
Quelle(n):

03.08.2022: Jozef Berditchevski — Köln, NRW

Jozef Berditchevski starb am 03.08.2022 in Köln, Nordrhein-Westfalen an Blutverlust, nachdem er zwei Mal von Polizeibeamt*innen angeschossen wurde. Er war 48 Jahre alt, studierter Musiker, jüdischer Abstammung und kam um 1990 aus Russland nach Köln, um nicht im Krieg zu kämpfen.
Der 03.08. war der Tag einer Zwangsräumung aus seiner Wohnung, da er infolge der Einschränkungen für Künstler*innen wegen Corona in eine finanzielle Notlage kam und zudem einen problematischen Umgang mit Alkohol entwickelte. Schon bei einem Suizidversuch im Juni hatte Jozef Probleme mit der Polizei gehabt, da er sich gegen ein Einschreiten gewehrt hatte und daraufhin für Widerstandshandlungen angezeigt wurde. Er hatte vorher angekündigt, sich vor der Räumung zu wehren und soll ein Messer in der Hand gehabt haben. Daraufhin wurde er mit Pfefferspray angegriffen, was ihn nicht zum Verlassen der Wohnung brachte. Es wurde dann zwei Mal auf Jozef Berditchevski geschossen und dieser verstarb noch in der Wohnung. Hat die Kölner Polizei bei Weigerung vor einer Räumung keine anderen Mittel, als die Mieter*innen zu erschießen, wenn diese nicht Folge leisten? Zwangsräumungen sind bei akuter Suizidgefahr unzulässig. Wurde dies bei Jozef, bei dem die Suizidgefahr offensichtlich behördlich bekannt war, berücksichtigt?
Freund*innen, Nachbar*innen, Mietinitiativen und Musiker*innen erinnern seit dem Todesfall bei Kundgebungen in Köln an Jozef und fordern, dass ein anderer Umgang in solchen Situationen ermöglicht wird.
Quelle(n):

07.08.2022: Name unbekannt — Oer-Erkenschwick, NRW

Ein namentlich unbekannter 39-Jähriger starb am 07.08.2022 in Oer-Erkenschwick, Nordrhein-Westfalen, im Zusammenhang mit einer Festnahme durch Polizeibeamt*innen. Die Polizei wird von alarmierten Nachbar*innen zu der Wohnung eines 39-jährigen Mannes gerufen. Eine Frau, die ebenfalls in der Wohnung gewesen sein soll, habe sich selbst in Sicherheit gebracht. Nachdem die Polizei in die Wohnung eingedrungen ist, leistet der Mann Widerstand. Die Polizei setzt Pfefferspray ein und überwältigt den Mann, woraufhin er sein Bewusstsein verliert und im Krankenhaus verstirbt.
Gegen Polizeibeamt*innen wird auch ermittelt, weil sie Zeug*innenvideos gelöscht haben soll.
Quelle(n):

08.08.2022: Mouhamed Lamine Dramé — Dortmund, NRW

Mouhamed, das war Mord. Justice for Mouhamed.
Am 08.08.2022 wurde Mouhamed Lamine Dramé in der Dortmunder Nordstadt von Polizist*innen mit Pfefferspray und Tasern verletzt und mit Polizeidienstwaffen erschossen. Der 16-Jährige war erst wenige Wochen zuvor aus dem Senegal unbegleitet nach Deutschland geflüchtet und wohnte seit einer Woche in einer Wohngruppe in Dortmund. Er hatte darum gebeten, über seine Fluchterfahrungen zu sprechen und wurde erst am Vortag mit Depressionen und einer posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert. Er befand sich an dem Tag in einer akuten psychischen Krise und signalisierte, sich mit einem Messer selbst umzubringen, weshalb die Polizei gerufen wurde. Auf die polizeiliche Ansprache in einer ihm unbekannten Sprache reagierte Mouhamed nicht. Er saß draußen in gekrümmter Position auf dem Boden und hielt sich ein Messer gegen den Bauch. Von ihm ging keine Gefahr aus. Daraufhin wurde Pfefferspray eingesetzt und Mouhamed richtete sich auf. Als er auf die Beamten zuging wurden Taser und Waffe eingesetzt. Zwischen Tasereinsatz und Schussabgabe lagen nur 0,7 Sekunden. Von sechs Schüssen trafen Mouhamed fünf. Er wurde nicht vor Pfefferspray, Taser oder Waffeneinsatz gewarnt. Die Polizei legte ihm danach noch Handschellen an. Die Bodycams der Polizist*innen waren ausgeschaltet, aber die Funkaufnahme lässt Rückschlüsse auf den Ablauf zu und zeigt beispielsweise auch, dass von Anfang an vom einsatzleitenden Polizisten geplant wurde, eine ganze Flasche Pfefferspray auf Mouhamed anzuwenden. 
Aufgrund des skandalösen und ungerechten Todes von Mouhamed gingen tausende Menschen zu Demonstrationen auf die Straße, um Gerechtigkeit zu fordern. Der Solidaritätskreis Mouhamed setzt sich für Aufklärung, Begleitung von Mouhameds Familie im Senegal auch bei einer Nebenklage und für ein Ende systematischer Polizeigewalt ein. Offen ist noch, ob es zur Anklage gegen beteiligte Polizist*innen kommt. 
Quelle(n):

04.09.2022: Name unbekannt — Berlin 

Am 04.09.2022 wurde in Berlin-Lichtenberg ein namentlich Unbekannter 23-Jähriger von der Polizei erschossen, während er einen Femizid beging. Nachbar*innen hatten die Polizei wegen Schreie aus der Wohnung im neunten Stock eines Mehrfamilienhauses gerufen. Sie gaben außerdem an, dass der Mann versucht habe, andere Wohnungstüren einzuschlagen. Beim Eintreffen schlug der Mann, laut Polizeiangaben, mit einem Beil auf eine am Boden liegende Frau ein. Einer der beiden Beamten schoss zweimal und verletzte den Mann tödlich. Auch die 27-jährige Frau erlag am Tatort ihren schweren Verletzungen. GdP(Gewerkschaft der Polizei)-Sprecher Benjamin Jendro sagte, die Schusswaffe sei in dieser Situation „das einzige Mittel“ gewesen und die Frage nach Taser als Alternative „rein spekulativ und nicht fair gegenüber den Einsatzkräften“ sei.
Quelle(n):

04.09.2022: Name unbekannt — Mönchengladbach, NRW

Ebenfalls am 04.09.2022 starb eine namentlich unbekannte Person in Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen. Der 26-Jährige hatte nachts ein Streitgespräch mit seiner Freundin, weshalb Nachbar*innen beunruhigt die Polizei riefen. Als diese kam, wollte die Person aus Angst vor den Beamt*innen über den Balkon fliehen und stürzte dabei vom Balkon. Die Person war an dem Abend alkoholisiert und laut RP-online Mitglied in einer Bruderschaft. Erste Verdachte, ob es sich um ein Fall häuslicher Gewalt handelte, wurden abgeschwächt aber sind nicht ganz geklärt.
Quelle(n):

07.09.2022: René W. — Leipzig, Sachsen

Ein namentlich Unbekannter 36-Jähriger ist am 07.09.2022 in Leipzig in Sachsen von der Polizei erschossen worden.
Wegen eines mutmaßlichen Ladendiebstahls, bei dem der Mann zwei Flaschen Bier und Kartoffeln gestohlen und Personen mit einem Messer gedroht haben soll, suchte die Polizei die Wohnung des Opfers im Stadtteil Paunsdorf auf. Dort sei es gegen 16 Uhr zum Gebrauch der Schusswaffe gekommen. Der Mann verstarb wenige Stunden später im Krankenhaus.
Wie genau die „bedrohliche Einsatzlage“ aussah, die dazu führte, dass die Beamt*innen auf den Mann schossen, wurde seitens der Polizei nicht erläutert. Auch auf die Fragen nach der Anzahl, der am Einsatz beteiligten Polizist*innen und die Anzahl der abgegebenen Schüsse verweigert die Polizei bis heute jede Auskunft.
Quelle(n):

08.09.2022: Name unbekannt — Ansbach, Bayern

Am 08.09.2022 wurde eine namentlich unbekannte Person in Ansbach, Bayern, von drei Schüssen durch die Polizei erschossen. Der 30-Jährige habe zuvor einen Jugendlichen mit zwei Messern angegriffen und weitere Passant*innen griffen ein, sodass er fluchtartig den Ort verließ. Die Polizei traf den Menschen einige Straßen weiter und trifft ihn mit drei Schüssen. Beamt*innen berichten später, dass er sie ebenfalls mit einem Messer bedroht habe. Der Mensch war von Rassismus betroffen.
Quelle(n):

06.10.2022: Kupa Ilunga Medard Mutombo — Berlin 

Am 6.10.2022 starb Kupa Ilunga Medard Mutombo mit 64 Jahren in einem Berliner Krankenhaus an den Folgen von Verletzungen, die ihm bei einem Polizeieinsatz am 14.09.2022 zugefügt wurden. Er sollte von drei Polizist*innen sowie Gesundheitspersonal in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden, nachdem er zuvor jahrelang in einer Einrichtung für betreutes Wohnen für seelisch und psychisch krank gemachte Menschen gewohnt hat. Statt drei wurde er mit 16 Polizist*innen sowie Hunden konfrontiert und verunsichert. Sie gingen ihn, laut Aussage von Kupa Ilunga Medard Mutombos Betreuer, aggressiv an und fixierten ihn mit dem Knie auf dem Boden, bis er keine Luft mehr bekam. Nach einiger Zeit gab es Reanimationsversuche und er wurde in den folgenden Tagen im kritischen Zustand in das Vivantes Klinikum und dann in die Charité verlegt. Erst am 21. September wurde Mutombo Mansamba, Kupa Ilunga Medard Mutombos Bruder vom Charité Krankenhaus darüber informiert, dass dieser sich dort befinde, als Medard scheinbar bereits im Koma lag. Die Berliner Polizei sieht bei ihren Ermittlungen, die sie gegen sich selbst führt, kein rechtswidriges Handeln und auch kein Fremdverschulden, obwohl die Todesursache ein Hirnschaden aufgrund von Sauerstoffmangel ist. 
Medard war von Rassismus betroffen und musste Medikamente gegen Schizophrenie nehmen. Warum wurde sein Bruder nicht über die Verlegung oder die Folgen des Einsatzes informiert? Warum machte die Berliner Polizei den Vorfall erst eine Woche später öffentlich? Warum waren so viele Polizist*innen und sogar Hunde vor Ort? Sein Bruder fordert Aufklärung, ein Gerichtsverfahren und ist überzeugt, dass Medard ohne den Polizeieinsatz noch leben würde. 
Quelle(n):

19.10.2022: Name unbekannt — Dortmund, NRW

Am 19.10.2022 ist ein namentlich unbekannter Mann in Dortmund-Dorstfeld, Nordrhein-Westfalen, nach Einsatz eines Tasers durch die Polizei gestorben. Die Polizei war gerufen worden, weil der 44-Jährige Autos beschädigte, nach Hilfe rief und nicht ansprechbar war. Als die Polizei kam, soll er handgreiflich gegen das Polizeifahrzeug geworden sein. Die Beamt*innen setzen einen Taser ein, woraufhin der Mann „reanimationspflichtig“ wird. Kurze Zeit später verstirbt er im Krankenhaus. Der Mensch war schwer herzkrank und zudem wohnungslos. 
Die Bodycams waren ausgeschaltet, weshalb sich nichts genaueres zum Ablauf sagen lässt.
Die Polizei Recklinghausen ermittelte „aus Neutralitätsgründen“ und sieht keine Kausalität zwischen Tasereinsatz und dem plötzlichen Tod. Immer wieder wird Drogenkonsum als Grund für seinen Tod genannt. Wie viel Zeit verging zwischen Tasereinsatz, Festnahme, Zusammenbruch des Mannes und Reanimierung? Wäre die Person auch ohne den Polizeieinsatz gestorben?
Quelle(n):

24.10.2022: Timo R. — Zülpich, NRW

Der 31-jährige Timo R. wurde am 24.10.2022 in Zülpich, Nordrhein-Westfalen, von einem Polizeibeamten erschossen. Er soll gewaltsam versucht haben, in das Haus seiner Eltern zu kommen, woraufhin diese die Polizei riefen. Der Mensch soll einer Polizeibeamtin mit einem Messer nahegekommen sein, woraufhin er durch mindestens einen Schuss des Polizeibeamten getroffen wurde und vor Ort daran verstarb. Ein Gutachten vonseiten der Bonner Staatsanwaltschaft benennt den Schuss später als Nothilfe. Unbekannt ist, wie viele Polizist*innen vor Ort waren und warum keine anderen Deeskalationsmaßnahmen ergriffen wurden. Timo R.s Eltern befinden sich derweil in psychiatrischer Betreuung.
Quelle(n):

17.11.2022: Hikmet T. — Enger, NRW

Am 17.11.2022 ist der 59-Jährige Hikmet T. in Enger, Nordrhein-Westfalen, infolge von Schüssen von Polizeibeamt*innen gestorben. Hikmet habe nach Angaben von Nachbar*innen der Presse gegenüber, Familienmitglieder damit bedroht, sich selbst zu verletzen. Dann hat er mithilfe von Brandbeschleuniger einen Brand im Haus ausgelöst.
Nachdem Polizei und Feuerwehr eintrafen, verließ Hikmet das brennende Haus. Kurze Zeit später wurde mehrmals geschossen. Es ist unklar, wie diese Situation genau ablief und wie viele Schüsse fielen, aber Hikmet wurde dabei ins Bein getroffen. Ein „sichelförmiges Küchenmesser“, das der Polizei als Rechtfertigung zum Schuss diente, hat er möglicherweise auch mit Absicht der Selbstverletzung in der Hand gehabt und war zu dem Zeitpunkt durch den Brand schwer verletzt. Scheinbar wurde mit Löschung des Brandes erst begonnen, nachdem Hikmet das Haus verließ.
Zuerst wurde berichtet, dass Hikmet außer Lebensgefahr sei, doch am 17.11. wurde sein Tod bekanntgegeben. Die Sprecher der Polizei wiesen jegliche Verantwortung von sich. Eine unabhängige Obduktion hat es nicht gegeben, die Polizei Bielefeld ermittelt „aus Neutralitätsgründen“. Wie viele Schüsse wurden am 3. November abgegeben? Wie viele davon trafen Hikmet? Warum wurde nicht früher mit der Brandlöschung begonnen? Und wie wurde die Bedrohungslage von der Polizei eingeschätzt, angesichts dessen, dass Hikmet T. von Rassismus betroffen war?
Quelle(n):

18.11.2022: Name unbekannt — Using, Hessen

Am 18.11.2022 stirbt eine namentlich unbekannte Frau in Using, Hessen, nach einem Polizeieinsatz.
Ein Nachbar rief die Polizei, da sie sich in ihrer Wohnung laut verhalten habe. Die Polizei traf die 39-Jährige kurz darauf in einer Nebenstraße an und fesselte sie. Laut Pressemitteilung der Polizei „verschlechterte sich der Gesundheitszustand“ der Person plötzlich, und sie verstirbt, nach Reanimation vor Ort, später im Krankenhaus. Die Obduktion führte zu keinem klaren Ergebnis. Wäre die Person auch ohne Polizeieinsatz gestorben?
Quelle(n):

10.12.2022: David W. — Dresden, Sachsen

Der 40-jährige David W. beginn am 10.12.2022 in Dresden, Sachsen, einen Femizid, bei dem er seine Mutter tötete. Danach nahm er eine Frau und ein Kind als Geiseln in einem Einkaufszentrum. Bei einer Befreiungsaktion der Polizei wurde David W. angeschossen und verstarb später im Krankenhaus.
Quelle(n):

15.12.2022: Name unbekannt — Hattersheim, Hessen

Ein namentlich Unbekannter 28-Jähriger ist am 15.12.2022 im hessischen Hattersheim von der Polizei getötet worden. Der Mann kollabierte in einem Restaurant in Hattersheim, woraufhin Sanitäter*innen anrückten. Diese riefen die Polizei, da sich der Mann aggressiv verhielt. Als der Mann die Personalienkontrolle verweigerte, eskalierte die Situation. Die Polizist*innen setzten Pfefferspray gegen den Mann ein, worauf dieser das Bewusstsein verlor und noch vor Ort wiederbelebt werden musste. Er verstarb Stunden später im Krankenhaus. Wäre die Person ohne Polizeieinsatz gestorben?
Quelle(n):

Erläuterung zu den Fällen

Jeder Fall unserer Liste ist komplex. Jeder ist anders, denn es handelt sich jeweils um ganz verschiedene Personen, die in sehr unterschiedlichen Situationen verstarben. Gemeinsam ist allen Todesfällen, dass sie im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz stattfanden. In erster Linie soll unsere Recherche für mehr Zugänglichkeit, Transparenz und Aufklärung sorgen. Es ist nicht unser Ziel eine Position des Urteilens einzunehmen, auch wenn wir sicherlich nicht ganz frei davon sind. (Gerade Schilderungen patriarchaler Gewalt oder die Bedrohung Dritter lassen uns in einem widersprüchlichen Verhältnis zu manchen Getöteten stehen.) Zudem sind unsere Kurzbeschreibungen vermutlich unvollständig. Das ist Teil des Problems und zeigt, wie dringend notwendig offizielle, unabhängige Aufklärung benötigt wird. Die schockierende Zahl von 30 Toten im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen ist für uns ein klares Zeichen eines strukturellen Problems bei der Polizei.
Ein besonderes Augenmerk unserer Recherche lag ebenfalls auf Diskriminierungsmustern wie Rassismus, patriarchaler Gewalt oder Benachteiligung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sowie wohnungslosen Menschen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass diese Strukturen nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch die Arbeit der Polizeibeamt*innen prägen. Gerade weil viele der gestorbenen Personen mehrfach diskriminiert wurden, vermuten wir, dass ihr Umfeld teilweise ebenfalls über zu wenig Ressourcen verfügt, um eine Aufklärung zu erwirken. Ohne Druck von Seiten der Angehörigen oder einem starken lokalen Netzwerk aus Initiativen, wird nach der Pressemitteilung der Polizei, gegebenenfalls mit Ankündigung einer Ermittlung einer weiteren Polizeibehörde, nichts weiter der Öffentlichkeit gegenüber berichtet. 
Wir finden das ungerecht und fordern deshalb für jeden einzelnen Fall: Polizeiliche Verantwortung anerkennen, lückenlose und unabhängige Aufklärung der Todesfälle, transparente Öffentlichkeitskommunikation und zuletzt: Diskriminierung stoppen! Aus diesem Grund haben wir die Initiative „topa“ = „Tode bei Polizeieinsätzen aufklären!“ gegründet.
Wir kennen nicht alle Namen. Wir kennen leider auch nicht alle Positionen der Angehörigen. Falls es von Angehörigen, sei es Familie, Freund*innen oder Bekannten, an einer unserer Darstellungen Anmerkungen oder Kritik gibt, kontaktiert uns gerne unter:
initiative_topa@riseup.net
Dies gilt ebenfalls für das Ergänzen, Korrigieren und Öffentlichmachen von weiteren Informationen (z.B. Namen, Personeninformationen, Infos oder eure offenen Fragen zur Tat). Auch darüber hinaus sind wir für Kritik und Anmerkungen (z.B. zur Sprache, Listung) offen, gerade da uns die Sensibilität und Schwere des Themas bewusst ist.

Anmerkung:

  1. Unsere Recherche fand ehrenamtlich und mit begrenzten Ressourcen statt. Trotz intensiver Suche können wir die Vollständigkeit nicht garantieren.
  2. Häufig mussten wir Formulierungen aus Medienberichten und demnach auch binäre Geschlechtszuschreibungen übernehmen.
  3. Ein Femizid ist ein geschlechtlich motivierter Mord an einer Frau oder weiblich gelesenen Person durch einen Mann, mit dem sie in einer Beziehung steht. Uns haben die Femizide im Zusammenhang mit den Fällen sehr betroffen gemacht und wir ordnen sie in einen größeren, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang von patriarchaler Gewalt und gefährlicher männlicher Sozialisation ein. Dafür gibt es auch den Begriff Feminizid, welcher die staatliche Unsichtbarmachung, Straflosigkeit und Tolerierung von Femiziden bezeichnet. Das zeigt sich in Deutschland beispielsweise an medialen Benennungen von Femiziden als „Beziehungsdrama“, wo den Getöteten eine Mitschuld an der Tat unterstellt wird. In dieser Struktur bewegen sich auch männlich sozialisierte Beamte, weswegen es schockierenderweise immer wieder zu Femiziden mit Dienstwaffen kommt (Verweis).

 

Bochumer Neonazis bei Nazi-Demonstration am 1. Mai 2022 in Dortmund

Am vergangenen Sonntag fand anlässlich des 1. Mai in Dortmund eine Demonstration von Neonazis um die Partei „Die Rechte“ statt. Auch Nazis aus Bochum nahmen an der schwach besuchten Veranstaltung teil.

Unter den 220 anwesenden Nazis befand sich der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer aus Wattenscheid. Er ist verurteilter Volksverhetzer und übernimmt auf rechten Demos oft die fruchtlose „Medienarbeit“.

 

Auch Parteikollege Karsten Römhild nahm an der Veranstaltung teil. Römhild ist seit über dreißig Jahren NPD Mitglied und lebt im Bochumer Ehrenfeld. Zuletzt zeigte er sich beim Trauermarsch für Siegfried „SS Siggi“ Borchardt.

Ebenfalls nahmen Robert und Sandra Bischoff am Nazi-Aufmarsch teil. Beide gehören zum Umfeld der Bochumer-NPD. Sie tauchen gemeinsam seit 2018 bei Naziveranstaltungen auf und sind gelegentlich anwesend wenn die NPD-Stände durchführt.

Mit Pascal Seifert nahm zudem ein Neonazi teil über den wir bereits 2018 aufgrund seiner mehrfachen Übergriffe im Bochumer Stadtgebiet berichteten. Im letzten Jahr wurden bei Twitter Sprachnachrichten veröffentlicht, in denen Seifert den Holocaust leugnet/relativiert und offen Gewalt androht.

Holger-Nils Hölper ist u.a. wegen Volksverhetzung vorbestraft und besuchte vor einigen Wochen die Spaziergänge der Querdenken Szene in Bochum. Bei rechten Demos in NRW wird er oftmals von seinem Sohn begleitet, so auch Sonntag.

Falls in den kommenden Tagen noch weitere Bilderstrecken veröffentlicht werden und sich ergibt, dass weitere Bochumer Neonazis an der Demonstration teilgenommen haben, werden wir dies an dieser Stelle aktualisieren.

Antifaschistische Linke Bochum,
Mai 2022

Organisierte rechte Kriminalität: Rocker, Nazis und Hooligans

Die folgende Recherche wurde auf Indymedia veröffentlicht und erreichte uns in einer Rundmail mit beigefügten Bildern. Wir kommen der Bitte der Autor*innen um Veröffentlichung gerne nach und spiegeln diese Recherche an dieser Stelle:

Am 19.01.2022 fanden bundesweit Razzien wegen Drogen- und Waffenhandel statt, unter anderem in Essen. Dabei wurde ein Gebäude auf dem Gelände an der Alleestraße durchsucht. Dieses Gelände wird unter anderem seit Jahren von der rechtsextremen Bürgerwehr „Steeler Jungs“ genutzt.

Steeler Jungs auf dem Gelände an der Alleestraße

Die Ermittler fanden dort mehrere Dutzend Kilogramm Drogen, etwa 50.000 Euro Bargeld, eine Drogenplantage, ein funktionsfähiges Sturmgewehr, ein Präzisionsgewehr sowie mehrere Handfeuerwaffen. Auch eine Waffenwerkstatt und Munition wurden von den Einsatzkräften aufgefunden. Zuletzt wurde die Adresse an der Alleestraße als Drehort für das Musikvideo zum Song von Xavier Naidoo und Hannes Ostendorf (Sänger der Naziband “Kategorie C”) gewählt. In dem Video finden sich viele Gesichter der Bandidos Essen und der rechten Schlägergruppe „Steeler Jungs“ wieder. Es deutet also alles daraufhin, dass es sich bei dem durchsuchten Gebäude, um die Räumlichkeit handelt, die von den neonazistischen und in die organisierte Kriminalität verstrickten „Steeler Jungs“ handelt. Ob die Polizei bei den Durchsuchungen auch die Tatwaffe finden konnte, mit der auf das Steeler Kulturzentrum „Grend“ geschossen wurde, ist bis dato nicht bekannt. Insgesamt halten Polizei und Lokalmedien sich zu diesem aufsehenerregenden Vorgang auffällig bedeckt.

Foto vom Einsatzgeschehen am 19.01.2022 (Quelle: WDR)

Beziehungen zwischen Neonazis, Rockern und Hooligans sind keine Seltenheit, wurden jedoch in den letzten Jahren bundesweit intensiviert und ausgebaut. Im Ruhrgebiet ist aus punktuellen Überschneidungen in den letzten Jahren durch HoGeSa und Bürgerwehren ein festes, weitverzweigtes und abrufbereites Netzwerk entstanden. Männlichkeitswahn, Gewaltfetisch und die Selbstinszenierung sind dabei nur drei Gründe, weshalb Personenkreise aus der organisierten Kriminalität, Neonazis und rechte Hooligans zueinander finden. Schließlich lockt auch das Geld: Drogengeschäfte, die Organisation von Kampfsportevents und Rechtsrockkonzerten, Zuhälterei sowie Türsteher- und Security-Tätigkeiten bieten für diese Menschen ein Auskommen.
Der folgende Artikel gibt einen ersten Einblick in Strukturen und Verbindungen im zentralen Ruhrgebiet und darüber hinaus.

„Bifi“ und seine Steeler Jungs

Die obengenannten „Steeler Jungs“ bestehen zum Großteil aus dem Umfeld der explizit rechten Hooligangruppierung “Alte Garde“ von Rot-Weiß Essen. Dreh- und Angelpunkt ist Christian “Bifi“ Willing, Leiter des Essener/Bottroper Bandidos-Chapters sowie der RWE-Hooligangruppe. Er steht als Person beispielhaft für die Überschneidung zwischen Rockern, Nazis und Hooligans. Die vom Ehepaar Willing betriebene „Sportsbar 300” fungiert als Treffpunkt und Vernetzungsort dieser gewaltbereiten Millieus. Ein weiterer Vernetzungsort ist der „Guerreros Fightclub“ dieser wurde ebenfalls von Christian Willing gegründet. Die bei den Durchsuchungen festgestellten Gegenstände in den Räumlichkeiten von Willing und seinen Leuten bestätigen, dass es sich dabei nicht um Motorradliebhaber handelt, sondern um illegal bewaffnete Schläger, die ihr Geld im Bereich der organisierten Kriminalität verdienen, also auch mit Zuhälterei, Menschenhandel und Zwangsprostitution. Die sich seit 2017 als Bürgerwehr gerierenden „Steeler Jungs“ entstammen genau diesem Umfeld um Willing, dem „300“ und alten RWE-Hooligans, die mittlerweile im Rockermilieu untergekommen sind. „Bifi“ beschäftigt seine Kameraden aus Bürgerwehr und Rockerclub nebenbei bei seiner Firma „Willing Umzüge & Haushaltsauflösungen“.

Essen & Dortmund: rechte Ideologie verbindet Hooligans

Willings rechte Hooligans agieren jedoch nicht nur als „Steeler Jungs“ politisch, sondern fielen auch rund um den Verein Rot-Weiß Essen mehrfach auf. So sollen sie z.B 2013 die Mitarbeiter*innen und Gäste des Fanprojektes vor der Vorführung des Films „Undercover unter Nazis“ bedroht haben. Dies ist nur ein bekanntgewordener Fall und dürfte kein Einzelfall sein. Es geht ihnen im und um das Stadion an der Hafenstraße um ihre rechte Vormachtsstellung. Antirassistisches Engagement im Vereinsumfeld wird umgehend eingeschüchtert. Dabei konnten sie sich bislang auf das passive Verhalten des Vereins verlassen. Beispielhaft ist dabei der enge Kontakt zum Dortmunder Neonazi Andre Fuhr. Fuhr ist seit vielen Jahren Teil der organisierten Dortmunder Nazistrukturen und gehört zur Partei „Die Rechte“.

Alte Garde Essen mit Andre Fuhr

Im Oktober 2020 nahm er beim neonazistischen Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ teil, welches von seinem Dortmunder Nazifreund Alexander Deptolla organisiert wird. Zuletzt nahm er am 09.10.2021 am Trauermarsch für Siegfried Borchardt in Dortmund mit seiner Freundin Marnie Wachmann teil. Andre Fuhr tranierte auch schon gemeinsam mit Willing im Guerreros Fightclub. Seine Beine hat er sich in einem Bandido-Tattoostudio in Dortmund tattoowieren lassen, Inhaber ist „Benjamin G“ vom Chapter „Metropol“.
Die rechten Essener Althools versuchen zunehmend und bisweilen leider erfolgreich Einfluss auf ihren Hooligannachwuchs zu nehmen, der sich hauptsächlich aus der Ultra- und Hooligangruppe „Vandalz“ speist.

Ein Vorgang der auch in anderen rechten Fußballszenen zu beobachten ist und dem sich Nachwuchsgruppen nur entziehen können, wenn sie einen Bruch mit „den Alten“ wagen. Die zuvor seit Jahren ruhende Freundschaft zwischen den aktiven Fanszenen von Essen und Dortmund wird seit einiger Zeit durch die Rechtsausleger beider Seiten wieder intensiviert. Kontakte werden vor allem von Seiten der rechten Essener Althools um Willing zu rechten Dortmunder Hooligans von 0231 Riot und Northside gepflegt, zu denen auch Andre Fuhr gehört. Diese Freundschaft wird mittlerweile auch von den Essener Junghools getragen.

Vandalz Essen bei Guerreros Fightclub

Präsenz zeigen die Dortmunder bei Essener Heim- und Auswärtspielen mittels ihrer „Dortmund Hooligans“ Zaunfahne. Gemeinsam durchbrachen sie am 14.09.2021 beim Spiel von Rot-Weiß Essen in Münster ein Tor, stürmten den Heimbereich und prügelten Menschen krankenhausreif, darunter einen Rentner. Einen Monat vorher am 25.08.2021 besuchten Essener Hooligans der Alten Garde gemeinsam mit den Hools von 0231 Riots das Auswärtsspiel gegen den Wuppertaler SV. Darunter befand sich auch Andre Fuhr und Yannik Wiesner. Beide kämpften auf dem Kampfsportevent „Pure Violence“, was in den Räumlichkeiten der 0231 Riots ausgetragen wurde. Auch Yannik Wiesner, aus dem Umfeld der 0231 Hools, präsentiert seine menschenverachtende Ideologie unverfroren auf Instagram. Seit 2020 spielt er in seiner Freizeit beim FC Gevelsberg-Vogelsang in der Position des Torwartes.

Der Übergang zwischen der organisierten Neonaziszene und rechten Hooligans in Dortmund scheint ohnehin seit Längerem fließend zu sein. So sind auch die bekannten Neonazis Franz Pauße und Sven (Kahlin) Schröder im Besitz des internen „Dortmund Hooligans“-Shirts und traten damit öffentlich in Erscheinung.

Ein weiterer rechtsextremer Hooligan auf der Fight Card des obengenannten Events „Pure Violence“ ist Marc Rohrbacher, dieser kommt aus dem Neckar-Odenwald-Kreis und ist ein führender Kopf des „Nord Württemberg Sturm“. Er verkehrt in der extrem rechten Fanszene des 1. FC Schweinfurt 05 und präsentierte bei seinem Kampf in Dortmund einen Schal von eben diesem Verein. Im Nachgang des Kampfes machte Marc Rohrbacher noch einen Abstecher in die Räumlichkeiten der rechtsextremen Dortmunder Naziszene in Dorstfeld.

Ein weiteres Beispiel der rechten Hooliganfreundschaft ist der bereits vor einigen Jahren geoutete (Nazi-)Kampfsportler Tom Neubert. Im Mai 2019 repräsentierte er die Hooligans Dortmund bei einem Kampf beim „F1ght K1ngs“- Kampfsportevent in Kiew, welches vom umtriebigen Neonazi und Gründer von „White Rex“ Denis „Nikitin“ organisiert wird. Wenig später postete er Fotos von sich, auf denen er mit den Essener Vandalz in der Kurve zu sehen ist. Einen Schal der Hooligans von Borussia Dortmund zeigte Neubert auch nach einem illegalen Kampf der Veranstalter des „King of the Streets“ (KOTS) im September 2019 in Schweden in die Kamera. Ein Spruchband „Vollgas Tom – Hau ihn um“ zeigten die Vandalz kurz vor diesem Kampf in ihrer Heimkurve. Tom Neubert erlangte ähnlich wie Fuhr besondere Nazibekanntheit, als er beim rechten Boxsportevent „Kampf der Nibelungen“ in Ostritz teilnahm. Tom Neubert hat nie einen Ausstieg aus der Neonaziszene vollzogen. Vielmehr erfährt er gerade jetzt als Prügelnder oder Verprügelter seine Anerkennung aus dem rechten Lager.

Organisierte Kriminalität meets Neonazis

Auch die „Bandidos Essen“ gehen gegenlich mit der Alten Garde ins Stadion, dort treten sie gemeinschaftlich mit Bomberjacken oder Kutten auf. Zu den Bandidos in Essen zählen noch weitere sogenannte Supporter Motorrad Clubs. Unteranderem “Crew 45” oder „Escuderos MC“. Die Bandidos gehören aufgrund von Waffen-/Drogenkriminalität, Zwangsprostitution und Menschenhandel zu den polizeilich relevanten Rockergruppierungen. Auch diese pflegen Rockertypisch gute Kontakte zu den anderen Bandidos und Supporter Gruppen.

Bandidos und Alte Garde Essen im Stadion an der Hafenstraße

Das oben genannte Kampfsportevent „Pure Violence“ wurde organisiert von den Rockern der Freeway Riders. Um die Beschaffung des Merchandise kümmerte sich der mittlerweile führende Kopf der Outlaw MC Bochum und Ex Mitglied der Freeways „Malte Bracke“. Mitglieder des „Outlaws MC“ sorgten vor kurzem wegen einer Schießerei und ihrem Anführer Bracke für Aufsehen. Die Medien berichteten dabei auch über Brackes rechte Gesinnung. Auch in Brackes direktem Umfeld in Person seiner Freundin (Manuela) gibt es Kontakte zu einem rechten Dortmunder Northside-Hooligan. Samuel Denski, der ebenfalls in diesem Kreisen verkehrt, ist verwandt mit Manuela. Denski ist Bindeglied zwischen den organisierten Dortmunder Neonazis aus Dorstfeld, der Dortmunder Hooliganszene um „Northside“ und der organisierten Kriminalität. Fotos dokumentieren, dass Denski ein „Northside“-Tattoo auf dem Unterarm hat, mit dem Dortmunder Neonazi Jim Koal verkehrt und mit Kleidung des Neonazi-Kampfsportevents „Kampf der Nibelungen“ posiert. Die Northside existiert bereits seit mehreren Jahren. Während dieser Zeit wird deutlich, dass auch die führenden Hooligans der Northside eng verbunden mit den Neonazis aus Dorstfeld sind. Ein weitere Gatekeeper der Lebenswelten Hooligans und extremer Rechten in Dortmund ist Timo Kersting. Kersting ist Kampfsportler und hat in seiner Karriere schon mehrere Kämpfe bestritten. Er wird durch die Neonazi-Marke ‚White Rex‘ unterstützt.
Auch die „Ghost Gang“, die eine Freundschaft zu den Freewayriders pflegt, ist gespickt mit gewaltbereiten Rechtsextremisten. Eine organisatorische Unterstützung der Pure Violence Veranstaltung von der Ghost Gang wird vermutet. Rocker der Gruppierung besuchten unter anderem den Trauermarsch und die Beerdigung von Siegfried Borchardt. Bekanntester Neonazi des Rockerclubs ist der Lagerist Sascha Vasic (geb. 30.07.1973), der unter anderem als Türsteher der bekannten Altstadtkneipe „da spiegel“ in Düsseldorf arbeitet. Dort kontrolliert Vasic, der unter anderem als Frontkämpfer des Düsseldorfer Querdenken Ablegers auftritt, Impfausweise am Eingang. Als Lagerist arbeitet er bei der Firma „Kowa Europe GmbH“ in Düsseldorf. 
Ein weiteres Beispiel für die Mischszene zeigte sich bei der Beerdigung von Siegfried Borchardt in Dortmund. Dort wurde die Durchführung tatkräftig unterstützt durch Mirko Appelt, Chef des Hells Angels Chapters Rostock. Der ehemalige Blood & Honour-Aktivist gehörte in der Vergangenheit zu den Anführern des sogenannten „Selbstzschutz Sachsen-Anhalt“.

Beim Thema Mischszene darf man die bis jetzt immer noch ungeklärten Verbindungen zwischen dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und Rockern nicht vergessen. Es gibt schon seit vielen Jahren enge Verbindungen zwischen Personen, die sowohl in der extremen Rechten als auch im Bereich der Rocker-Kriminalität aktiv sind.

Allgemein lässt sich festhalten, dass die Mischszene eine hochexplosive Mischung darstellt, bedenkt man, dass finanzielle Ressourcen, räumliche Strukturen und der Zugang zu Waffen und Sprengstoff in diesen Kreisen vorhanden sind.

Neonazi und Brandstifter in Wattenscheid bekannt gemacht

Laut der Plattform Indymedia wurde der Neonazi und NPD Aktivist Patric Knöpke, über den hier an anderer Stelle bereits berichtet wurde, in seiner Nachbarschaft informiert. Wir dokumentieren an dieser Stelle den Beitrag:

„In der Nacht auf Donnerstag, den 15.12.2021, haben wir den Neonazi und verurteilten Brandstifter „Patric Knöpke“ geoutet. Knöpke lebt in der Hammer Straße 14 bei Wattenscheid-Günnigfeld.

Das verteilte Flugblatt:

 

Achtung: Neonazi und Brandstifter in Wattenscheid!

Liebe Anwohnerinnen und Anwohner von Wattenscheid-Günnigfeld, in der Hammer Straße 14 wohnt der Rassist und rechtsextreme Gewalttäter Patric Knöpke.

Seit einigen Jahren berichten Bochumer Antifaschist*innen über ein hohes Aufkommen von rassistischen, antisemitischen und nazistischen Schmierereien im Bereich zwischen Wattenscheid und Bochum-Stahlhausen.

Hinter diesen Schmierereien steckt der Neonazi Patric Knöpke (geb. 1987 in Mülheim). Knöpke kommt ursprünglich aus Mülheim-Broich und zog nach einer Haftstrafe nach Gladbeck. In Gladbeck hielt es ihn jedoch nicht lang, sodass er wahrscheinlich im September/Oktober 2018 nach Bochum zog. Er lebte dort bis Anfang 2020 in der Zunftwiese 92. Dabei verbreitete er während er im Bochumer Norden wohnte, genauso wie an seinen anderen Wohnorten zuvor, zahlreiche rassistische und neonazistische Schmierereien. Dazu zählten beispielsweise Hakenkreuze und antisemitische bzw. antimuslimische Parolen. Nun treibt er sein Unwesen in unserer Nachbarschaft.

Bereits in Mülheim war Knöpke bekannt, weil er im Umfeld des Autonomen Zentrum Mülheim mehrfach Probleme verursachte. Knöpke hat ein aggressives Auftreten und gilt als unberechenbar. Er verbüßte bereits mehrere Haftstrafen, u.a. wegen schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung, Volksverhetzung und Brandstiftung. Er wurde für 22 Brandstiftungen zwischen den Jahren 2010 und 2012 verantwortlich gemacht. 2018 störte er u.a. mit dem Neonazi Robin Zahn und dem Identitären Noah von Stein in Essen eine „Wir sind mehr“ Demonstration. Es wird davon ausgegangen, dass Knöpke mehrfach das Graffiti in Gedenken an die Opfer des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau übermalt hat. Vorallem in Wattenscheid sind vermehrt Nazischmiereien mit menschenverachtenden Inhalten aufgetaucht. Auch in der U-Bahn Haltestelle Bochumer Verein/Jahrhunderthalle und in der Umgebung des Westparks tauchen auch aktuell, immer wieder rechte Sticker, Schmierereien und Hakenkreuze mit seiner Handschrift auf.

Neben dem Nazigeschmiere hat sich Knöpke auch Graffiti-Kürzel zugelegt. Er ist verantwortlich für die “Heil” und “KDF” Schriftzüge in seinem Umfeld. Weiterhin hat sich Knöpke mehrere einschlägige  Nazitattoos stechen lassen,u.a. am Hals eine schwarz-weiss-rote Banderole mit dem dem verbotenen SS-Slogan “Meine Ehre heißt Treue”. An dieser Banderole hängt wiederum ein Eisernes Kreuz, auf dem sich ein Hakenkreuz befindet. Ein weiteres Hakenkreuz befindet sich auf seinem Oberarm, auf dem auch ein SS-Totenkopf gestochen wurde. Eine Schwarze Sonne “ziert” seinen Ellenbogen.

Keine Ruhe für Neonazis!
Rechte Gewalttäter aus der Anonymität reißen!

Ihre Nachbar*innen von:
Wattenscheid gegen Rechts!“

Fotos: