Archiv der Kategorie: Berichte

Entschlossenes Zeichen: 500 Menschen bei der Revolutionären Vorabenddemo 2022

Am Samstagabend den 30.04 2022 fand die 5. Revolutionäre Vorabenddemo unter dem Motto „Klassensolidarität statt staatlicher Autorität“ statt.

Ab 19:00 Uhr versammelten sich in der Spitze bis zu 500 Personen am Dr. Ruer Platz in der Bochumer Innenstadt, um von dort aus in einem kraftvollen Demonstrationszug durch Bochum zu ziehen.

Wer in den Vorwochen aufmerksam durch Bochum lief, wurde auf die anstehende Demonstration aufmerksam. So fanden über 700 Plakate und 4.000 Aufkleber den Weg in Bochums Straßen, auch ein Graffiti wurde angefertigt und tausende Flyer in verschiedenen Vierteln verteilt. Ein Dank geht hierbei an alle „helfende Hände“, die sich bei der Vorbereitung der Demonstration eingebracht und mit angepackt haben.

Die Demo

Ab 19:00 füllte sich der Dr. Ruer Platz zunehmend und der Anmelder eröffnete die Veranstaltung und verlas die Auflagen. Unter anderem waren der Konsum von Alkohol und das Abbrennen von Pyrotechnik durch die Polizei untersagt worden, es gab weiterhin keine ungewöhnlichen Auflagen seitens der Cops.

Anschließend begann die Auftaktkundgebung und der Aufruf wurde verlesen. Der erste Redebeitrag wurde von der offenen Antifa-Jugend Bochum „Get active“ gehalten und thematisierte den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. Hierbei wurde unter anderem die milliardenschwere Aufrüstung kritisiert. Anschließend informierten Genoss*innen aus Dortmund über die anstehenden Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai in Dortmund. Zum Abschluss sprach ein Genosse von Ver.di und kündigte den anstehenden Streik im Gesundheitssektor in NRW an. Seit Sonntag dem 1. Mai 2022 werden sechs Unikliniken in NRW bestreikt. Unsere volle Solidarität gilt selbstverständlich den Streikenden!

Hiernach stellte sich die Demo auf und lief zügig und entschlossen Über die Kortumstraße zum Rathaus. Dort folgte die erste Zwischenkundgebung. Es folgte ein Redebeitrag von „AfD Watch Bochum“ über die anstehenden Landtagswahlen und warum die AfD keine Option für Arbeiter*innen darstellt. Des Weiteren stellte sich die neu gegründete Migrantifa Gruppe aus Bochum als Anlaufstelle für rassifizierte Personen, die sich antifaschistisch engagieren möchten, vor.

Von dort aus lief die Demo eine Runde über den West- und Nordring zur Hernerstraße und quer durch die Innenstadt zum Musikforum, um die zweite Zwischenkundgebung abzuhalten.

Diese wurde von „Furore“ einem feministischen Kollektiv aus Bochum eröffnet. Die Genoss*innen stellten die historische Herabsetzung der Frau im Kapitalismus und der Verbindung zur Hexenjagd im Mittelalter anlässlich der Verknüpfung des 30. April mit der Walpurgisnacht dar. Der zweite Redebeitrag wurde von der „4-Stunden Liga“ gehalten. Die „4-Stunden-Liga“ ist ein bundesweites Bündnis, das eine Arbeitszeitverkürzung auf 4 Stunden am Tag fordert, bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf Kosten der Arbeitgeber*innen. In ihrem Redebeitrag konzentrierte sich die „4-Stunden-Liga“ jedoch über die Notwendigkeit einer linken Fehlerkultur.

Hiernach zog die Demonstration über die Viktoriastraße weiter in Richtung Schauspielhaus. Während die „Bermudabrücken“ unterquert wurden, grüßten Antifaschist*innen die Demonstration mit einem Bannerdrop und einer Pyroshow. Zwar machten sich die Cops auch auf den Weg auf die Brücke, jedoch konnten die beiden Zivis nur noch das schöne Transparent einsacken. Spürbar angeheizt, begleitet von kleinen Lichteffekten, erreichte der Demonstrationszug den Ort der letzten Zwischenkundgebung, das Schauspielhaus.

Am Schauspielhaus angekommen hielt die F:antifa, eine antifaschistische Gruppe aus Bochum, die feministische Themen stärker in den Fokus ihres Handelns rücken will, einen Redebeitrag. Dieser thematisierte Transfeindlichkeit und feministische Solidarität. Das Solidaritäts Bündnis Rojava hielt einen weiteren Redebeitrag zu den aktuell stattfindenden türkischen Angriffen auf die kurdischen autonomen Gebiete und rief zu internationaler Solidarität auf.

Vom Schauspielhaus aus lief der Demonstrationszug über die Oskar-Hoffmann-Straße in Richtung des Alsenkiezes. Hierbei wurde auch die Kneipe „Linie 5“ an der Kreuzung Oskar-Hoffmann-Straße Unistraße gekreuzt und von der Demo entsprechend gegrüßt.

Die Line 5 fällt leider schon seit der Inbetriebnahme der neuen Eigentümerinnen durch krude Gestalten auf, die sich dort regelmäßig treffen. So waren auch diesmal wieder Personen aus dem rechten Hooligan- und Rockermilieu zugegen. Unter ihnen weilte an diesem Abend der häufige Gast Thorsten Sallay, der unter anderem an der Planung und Durchführung der HoGeSa-Demonstrationen beteiligt war. Außer dem nervösen Auftreten einiger Cops hatte das Aufeinandertreffen keine Folgen. Die Demo zog lautstark in die Alsenstraße ein und zog die Blicke der Nachbar*innen auf sich.

Ein paar Meter weiter staunten die Teilnehmenden der Demo nicht schlecht, als die ganze Straße durch Pyrotechnik auf den Dächern erleuchtet wurde, was selbst bei den Cops für gute Unterhaltung sorgte.

Von der Alsenstraße ging es über die Wittener Straße zum Hauptbahnhof, wo die Demo endete.

Ein Dank gilt allen Menschen, die an der Planung und Durchführung der Demonstration beteiligt waren und während der Demo Aufgaben übernommen und so zu einem gelungen revolutionären Vorabend beigetragen haben. Ein besonderer Dank gilt dem Saniteam, der Initiative zur Polizeibeobachtung sowie dem Ermittlungsausschuss, die an diesem Abend eine sichere Demonstration für alle gewährleisteten.

Wir sehen uns auf der Straße!

 

Fotos:

 

Erneut Proteste gegen Querdenken in Bochum

Bochum solidarisch durch die Krise

Am vergangenen Samstag, den 26.02.2022, ging es in Bochum erneut gegen Querdenken auf die Straße. Ab 14:30Uhr wurde am Rande des Dr.-Ruer-Platz eine Kundgebung abgehalten, zu der über 30 Organisationen aufgerufen haben. Trotz dieser vielen Gruppen fiel der Protest mit rund 150 Teilnehmer:innen vergleichsweise klein aus.

Schwerpunkt der Kundgebung waren kurze Redebeiträge von Menschen aus sozialen und pflegerischen Berufen, die ihre Situation während Corona schilderten. Dabei wurde erneut aufgezeigt, dass viele der genannten Missstände bereits vor der Corona-Krise vorhanden waren und sich verschlimmert haben.

Während der Kundgebung sammelten sich die Querdenker:innen auf dem Dr.-Ruer-Platz. Ab 15:45 Uhr sollte ihr Demozug durch Bochum ziehen, dabei wurden sie durchgängig von Gegenprotest am Rande der Route lautstark begleitet. Nennenswerte Störungen oder Verzögerungen des Aufzugs gab es jedoch keine. Wir zählten 422 Querdenker:innen. Lobenswert ist der Einsatz der vielen antifaschistischen Jugendlichen zu bewerten, die immer wieder ihre Abneigung gegenüber Querdenken äußerten. Bis auf Joel Herget, sind keine einschlägigen Personen aus der extremen Rechten anwesend gewesen. Das rechte, verschwörungsideologische und antisemitische Narrative und Chiffren von sogenannten „Bürger:innen aus der Mitte der Gesellschaft“ verbreitet werden, macht es nicht besser.

Konsequent gegen Verschwörungsmythen und Antisemitismus!

Antifaschistische Linke Bochum,
März 2022


Bilder vom Tag:

Demobericht: 1500 Menschen gegen den Krieg

Bochum setzt starkes Zeichen gegen den Krieg.
1500 Menschen sagen: “Nie wieder Krieg – für das Leben!”

Als sich heute gegen 17 Uhr immer mehr Menschen vor dem Bochumer Hauptbahnhof sammeln, ist noch nicht absehbar, wie viele Menschen es am Ende sein würden. Letztlich ziehen am frühen Abend rund 1500 Menschen durch die noch gut besuchte Bochumer Innenstadt und setzen damit trotz kurzfristigen Aufrufs ein starkes Zeichen gegen Krieg und für internationale Solidarität.

Nie wieder Krieg! Für das Leben!

Bevor sich die Demonstration in Bewegung setzte, wurde sowohl der Demonstrations-Aufruf der Antifaschistischen Linken (Link) wie auch ein Redebeitrag einer aus Bochum stammenden deutsch-ukrainischen Studentin verlesen. Beide Reden spiegelten die grausame Realität des Krieges wider und erteilten Putins Angriffskrieg eine klare Absage. Zeitgleich wurden die zögerlichen und unzureichenden Sanktionen gegen die Kriegstreiber in Russland kritisiert. Entscheidend sind jedoch nicht nur Zeichen und Worte sondern auch die praktische Solidarität, die nun mit der Aufnahme Flüchtender sowie die Unterstützung der Menschen in der Ukraine passieren muss. Danach ergriff eine Frau aus der Ukraine spontan das Mikrofon und sendete einen eindringlichen Appell an die Anwesenden. Sie ermutigte zu weiteren öffentlichen Parteinahmen gegen den Krieg und für die Unterstützung der notleidenden Bevölkerung in der Ukraine. Gegen 17.30 Uhr setzte sich der Demozug hinter der klaren Botschaft “Nie wieder Krieg! Für das Leben!” in Bewegung. Erst auf dem Massenberg Boulevard wurde die Größe und Diversität der Demonstration deutlich, die von Parolen gegen den Krieg und für die Aufnahme Geflüchteter begleitet wurde. Auf dem Dr.-Ruer-Platz endete die Demonstration schließlich nach einem appellierenden Redebeitrag der “Seebrücke Bochum”, die auf die Situation Geflüchteter aufmerksam machte. Offenbar war und ist es vielen Bochumer*innen ein Bedürfnis ein Zeichen zu setzen gegen diesen Krieg. Wenn dieser Krieg weitergeht, werden wir immer wieder auf die Straße gehen und werden unsere Solidarität in die Praxis umsetzen!

Für einen handfesten Skandal sorgte an diesem Abend nur die Bochumer Polizei, die zwei verdeckte Zivilbeamte gegen 17.10 Uhr in die Demonstration am Startpunkt schleuste. Einer der Beamten fertigte gar Foto- und Videoaufnahmen an. Als die Zivilpolizisten von aufmerksamen Demoteilnehmenden erkannt und angesprochen wurden, leugneten diese zunächst ihre Zugehörigkeit zur Polizei. Als aufgrund der unter der Jacke zum Vorschein kommenden Ausrüstung der Schwindel aufflog, weigerten sich beide trotz Aufforderung des Demonstrationsanmelders die Demo zu verlassen und rechtfertigten sich auch noch mit der pikanten Aussage eines “Aufklärungsauftrags”. Erst nach Rücksprache mit der Kontaktbeamtin zog diese die beiden Schnüffler aus der Demonstration ab. Wie sich herausstellte handelt es sich bei den beiden Undercover-Polizisten mutmaßig um Beamte des örtlichen Staatsschutzes. “Es ist unglaublich perfide und erbärmlich, wenn die Bochumer Polizei ausgerechnet eine Demonstration gegen Krieg nutzt, um linke Strukturen zu kriminalisieren und auszuforschen. Dieser Einsatz dürfte ein juristisches Nachspiel haben”, stellt Clara Fischer fest.

Antifaschistische Linke Bochum,
Februar 2022

Fotos von der Demo:

Polizeigewalt ermöglicht Querdenken Aufmarsch trotz starker antifaschistischer Proteste

Gegen jeden Antisemitismus Blockade

Am vergangenen Samstag, den 29.01.2022, zog erneut die verschwörungsideologische Gruppe Querdenken mit einer Demonstration durch Bochum. Starten sollte die Demo gegen 15:45 Uhr vom Schauspielhaus. Ab 14:30 riefen antifaschistische Gruppen zu einer Kundgebung gegen die Corona-Krise und Querdenken auf dem gegenüberliegenden Tana-Schanzara-Platz auf.

Rund 500 Menschen folgten dem Aufruf der Bochumer Antifa-Gruppen. Neben dem Protest gegen Querdenken, wurde die Kundgebung dazu genutzt auch Kritik am durchkapitalisierten Gesundheitswesen und dem egoistischen Umgang mit Impfpatenten zu üben. Auch auf die menschenverachtende Situation an den EU-Außengrenzen wurde hingewiesen.
Gegen 15.45 Uhr startete Querdenken in Richtung der Bochumer Innenstadt, wo sie nach einigen hundert Metern stoppen mussten. Aufgrund von Blockaden und Gegenprotest war die geplante Route durch die Rottstraße und Alleestraße nicht mehr durchführbar. Die Demo wurde stattdessen über den Innenstadtring fortgesetzt. An mehreren Stellen wurde Querdenken sowohl von der Straße als auch von Anwohner:innen unschön in Empfang genommen. Immer wieder schlossen sich Passant:innen spontan dem Protest gegen Querdenken an. Auch kreativer Protest wurde geboten, so wollte zu Beginn der Demo der bundesweit bekannte „Haufi“ am Querdenken-Aufmarsch teilnehmen. Polizist:innen verhinderten dies jedoch mit rabiatem körperlichem Einsatz.

Haufi auf Abwegen am 29.01.2022 in Bochum

Überschattet wurden die Proteste von eskalierenden Polizist:innen der 2.BPH aus Bochum. Obwohl der Abstand zwischen Gegenprotest und Querdenken groß genug war, schlug die Polizei immer wieder in den Gegenprotest und verprügelte Menschen. Mehrere Videos belegen, dass in den jeweiligen Situationen nur verbaler Protest geäußert wurde. In der Nähe des Musikforums wurden Antifaschist*innen von der Polizei zeitweise auf einem Hinterhof festgesetzt. Eine Person erlitt bei der Maßnahme eine Verletzung am Kopf, eine weitere mehrere Schnittwunden, die rettungsdienstlich versorgt werden musste. Bereits zu Beginn des Querdenken Aufmarsch wurde ein:e Pressevertreter:in von einem leitenden Beamten der Hundertschaft eingeschüchtert. Später wurde eine weitere Hunderschaft und das Wuppertaler BFE hinzugezogen.

Da trotz der Polizeigewalt die Bereitschaft des Gegenprotest nicht abnahm, entwickelte sich die Demo zu einem Spießroutenlauf für die Querdenker:innen durch Bochum. Immer wieder wurden die verschwörungsideologischen, sozialdarwinistischen und antisemitischen Positionen von Querdenken, am Wegesrand mit Rufen, Transparenten und Schildern kommentiert.

Erneut konnten zudem Menschen gesichtet werden, die der extremen Rechten zugeordnet werden können. So nahmen Robert und Sandra Bischoff am Querdenken Aufmarsch teil. Beide gehören zum Umfeld der lokalen NPD. Auch der Nationalrevolutionär und Querfrontler Joel Herget, nahm an der Demo erneut teil. Die Personengruppe, die am 18.12.2021 beim Querdenken Aufmarsch in Bochum einen versuchten Übergriff auf den Gegenprotest tätigte, war wieder mit von der Partie. Erneut in szentypischer Kleidung.
Auch der Hagener Querdenken-Anhänger Michael Schele trat als Ordner, Redner und Protagonist einer körperlichen Auseinandersetzung am Rande des Demonstrationszuges auf.

Rund um das Schauspielhaus wurden in der Nacht vor der Demo wurden Flyer verteilt, die krudeste Reichbürgerideologien wiedergaben. Die Flyer können einem Mann in Militärkleidung zugeordnet werden, der auf seinem Ärmel ein SHAEF-Logo als Patch trug, welches ebenfalls auf den Flyern abgebildet war. Hinzu kamen mindestens zwei Personen, die gelbe Armbinden mit der Aufschrift „ungeimpft“ in Anlehnung an die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in der NS Zeit getragen haben.

Im großen und ganzen kann der Protest gegen Querdenken am vergangenen Samstag als positiv bewertet werden. Die Route wurde verkürzt, es war durchgängig Protest an der restlichen Strecke und an der ein oder anderen Stelle konnten demoralisierende Nadelstiche gesetzt werden.

Die Polizei Bochum muss sich nicht nur für das eskalierende Verhalten ihrer Beamt:innen rechtfertigen, sondern auch für ihre skandalträchtige, an die Querdenker:innen gerichtete Lautsprecherdurchsage, in der eben jenen “viel Erfolg” gewünscht wurde.

Die Menschen die festgenommen wurden oder in den nächsten Tagen und Wochen Post von der Polizei bekommen, sollten sich bei uns, den anderen Antifa Gruppen aus Bochum oder der Roten Hilfe melden.

Antifaschistische Linke Bochum,
Februar 2022

 

Weitere Bilder:

 

Querdenken ermöglicht Neonazis und Pandemieleugner:innen Wohlfühlevent in Bochum

Gegenprotest bei Querdenken am 18.12.21 in Bochum

Am gestrigen Samstag, den 18.12.2021, zogen schätzungsweise 1200 Pandemieleugner:innen, Impfgegner:innen, Anhänger:innen von Verschwörungsmythen und bekannte Neonazis unter dem Motto „Pandemie der Lügen“ und „Impffaschismus nicht mit uns“ durch Bochum. Zuvor wurde seit Wochen für dieses Großevent auch überregional in den sozialen Netzwerken mobilisiert Die Teilnehmenden waren entsprechend aus dem gesamten Ruhrgebiet und dem Sauerland angereist.

Querdenken234 – Wohlfühlevent für gewaltbereite Neonazis
Gegen 15:00Uhr begann die offizielle Kundgebung von Querdenken Bochum auf dem Vorplatz des Bochumer Schauspielhaus. Im Laufe dieser Kundgebung und der anschließenden Demonstration ließen die Organisat*innen von Querdenken immer verkünden, dass sich „heute die Mitte der Gesellschaft“ in Bochum eingefunden habe, um gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße zu gehen. Ein Framing welches einer genaueren Prüfung kaum standhält. Weitaus treffender ist nach dem gestrigen Aufmarsch zu konstatieren, dass Teile dieser selbsternannten „Mitte der Gesellschaft“ dem bundesweiten Trend folgend gänzlich ihre Maskerade haben fallen lassen, indem sie wissentlich den offenen Schulterschluss mit organisierten Neonazis und Hools zu eingingen. Bereits vor Kundgebungsbeginn wurden Kleingruppen von Menschen aus dem HoGeSa-Spektrum im Ehrenfeld gesichtet. Diese nutzten die Zeit vor dem Aufmarsch, um sich im an örtlichen Kiosken mit Bier zu versorgen. Im Verlauf der Demonstration gab es zudem aus dieser Personengruppe heraus einen Angriffsversuch auf den Gegenprotest der sich an vielen Stellen am Rande der Demo zeigte. Dieser Anrgiff fand hinter dem Bochumer Hauptbahnhof auf Höhe der Universitätsstr. 1 statt und konnte durch Bochumer Antifaschist:innen abgewehrt werden, woraufhin die beiden Angreifer von der Polizei festgesetzt wurden.


Die NPD erneut zu Gast bei Querdenken

Auch der sich diesmal in Sicherheit wähnende NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer nutzte die Gunst der Stunde, um sich in der Bochumer Innenstadt zu zeigen. Cremer ist dabei keine neuer Gast bei Querdenken-Bochum, da er bereits im Jahr 2020 bei einem Spaziergang aus dem Querdenkenspektrum und an einer Kundgebung im November 2020 auf dem Kirmesplatz teilnahm. Cremer wurde am Samstag von mehreren Personen begleitet, die wir ebenfalls dem NPD-Umfeld zuordnen. Einer von ihnen trug eine Kappe des Fußballballvereins DSC Wanne-Eickel. Der verurteilte Volksverhetzer lebt seit vielen jahren in Wattenscheid und ist seit Ende der 90er als gewalttätiger Neonazikader bekannt. Weitere Neonazis folgten dem Aufruf von Querdenken und waren an rechter Szenekleidung wie “Thor Steinar” zu erkennen.

Dortmunder Neonazikader zu Gast in Bochum

Dortmunder Neonazis – Matthias Drewer, Steven Feldmann, Martin Wegerich, Thorben Vetter und Unbekannt bei Ankunft Querdenken am 18.12.21 in Bochum

Auch Neonazis von der Partei “Die Rechte” aus Dortmund nahmen an der Querdenken-Demo in Bochum teil und lobten über ihre Social Media Kanäle die Organisator:innen der Demonstration. Anwesend waren Matthias Drewer, Thorben Vetter, Steven Feldmann, Martin Wegerich und ein weiterer Neonazi den wir der Partei “Die Rechte” zuordnen. Matthias Drewer und Steven Feldmann sind verurteilte Gewalttäter, die bereits längere Haftstrafen hinter sich haben. Steven Feldmann wurde erst im Sommer aus der JVA entlassen und schaffte es innerhalb kürzester Zeit demnächst erneut eine Haftstrafe antreten zu müssen. Auf Feldmanns Kappe gingen einige Übergriffe, vorallem in den Dortmunder Stadtteilen Marten und Lütgendortmund sorgte er für Angst bei den Opfern seiner Taten. So schlug er solange auf einen Sinto auf einer Kirmes in Lütgendortmund ein bis dieser bewusstlos auf dem Boden lag. Neben den körperlichen Übergriffen bedrohte er auch politisch Andersdenkende mit dem Tod. Erst am 30.11. wurde nach einer AfD Kundgebung in Dortmund Hörde festgenommen, da er Gegendemonstrant:innen angegriffen hatte. Drewer saß ebenfalls für Übergriffe hinter Gittern, er wurde damals als Nazi-Hipster bekannt. Wir erinnern an Demonstrationen im Winter 2014/2015 wo er unter anderem Parolen anstimmte mit denen er Mehmet Kubasik (2006 in Dortmund vom NSU ermordet), Thomas Schulz (2005 von einem Nazi in Dortmund erstochen) und Anne Frank verhöhnte. Martin Wegerich bewegt sich nun auch schon seit ca. 10 Jahren in der Naziszene von NRW. Er war einst Teil der Nationalen Sozialisten Münster und kommt ursprünglich aus Emsdetten. Er betreibt das Projekt „Vlanze Graphics“ und designt Aufkleber, T-Shirts, CD-Cover und anderes für Neonazi Bands und Gruppen. So war er als Grafiker u.a. für den rechten Versand „Antisem.it“ tätig. Thorben Vetter ist Vorstandmitglied von DieRechte Dortmund und gehört den „Frontline Skinehads Dortmund Dorstfeld“ an. Eine Nachfolgeorganisation, der „Skinheadfront Dortmund Dorstfeld“ zu der auch Sven Kahlin/Schröder gehörte, der im Jahr 2005 Thomas Schulz in der Dortmunder U-Bahn-Station Kampstraße erstach.

 

Die nationalrevolutionäre Querfront

Nationalrevolutionär Joel Herget bei Querdenken am 18.12.21 in Bochum

Eine weitere Person, die sowohl den bisher aufegezählten als auch uns aus alten Tagen bekannt ist, ist Joel Herget. Joel Herget war viele Jahre in der Jugendorganisation der NPD, der JN NRW, und später auch bei “Die Rechte” aktiv. Zwischen 2010 und Juni 2016 war er auf nahezu allen Neonazi Demonstrationen in NRW anzutreffen, bis seine Kameraden, die auch gestern anwesdend waren, ihn als Verräter outeten. Herget versuchte danach sein Glück als queerer Querfrontler, der bereits am 01.05.2021 und am 03.07.2021 bei Veranstaltungen der Bochumer Querdenker:innen teilnahm. Unter dem Pseudonym RevolutionsgedankeTM twittert er ungerelmäßig von Veranstaltungen. Er selbst bezeichnet sich Nationalrevolutionär, mit Bezug auf Gregor Strasser. Strasser war Nationalsozialst der ersten Stunde und Mitglied der NSDAP. Im Rahmen des Röhm-Putsches wurde er 1934 von seinen parteiinternen Konkurenten ermordet.

Reaktiviert durch Querdenken

Andre Zimmer bei Querdenken am 18.12.21 in Bochum II

Eine weitere Person, die immer noch einen klaren Hang zum Nationalsozialimus, zu Gewalt sowie Sprengstoff und Pyrotechnik hat, ist Andre Zimmer aus Wattenscheid. Zimmer war zwischen 2008 und 2013 für die NPD in Bochum und einer Kameradschaft namens „Volkssturm Deutschland“ aktiv. 2014 beteuerte er vor Gericht nichts mehr mit der Szene zu tun zu haben, aufgrund dessen, dass er eine Familie gründetet erhielt er ein milderes Urteil. Sowohl Sozialarbeiter:innen, der Staatsschutz aus Wanne-Eickel und das Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes beteuerten, dass er eine positive Sozialprognose habe. Zuvor ist er wegen Brandstiftung, Sachbeschädigung, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Vortäuschen einer Straftat, unerlaubtem Führen und Besitz von Schusswaffen, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Nötigung und gefährliche Körperverletzung. Obwohl die Polizei auch Kinderpornografie auf seinem damaligen Handy feststellte, wurde das Verfahren eingestellt. In einer alten Prozessbeobachtung der Antifaschistischen Jugend Bochum wurden die konkreten Taten dokumentiert:

„-Am 30.6.2010 hat Zimmer ein Mobilée aus Holz und Plastik vor der Wohnungstür seiner Großmutter in Brandt gesetzt. Die Tür wurde von außen massiv beschädigt. Dazu verteilte er im Hausflur ein Flugblatt, welches vermeintlich von AntifaschistInnen verfasst worden sein soll und gegen ihn hetzt. Aufgrund dieser Flugblätter wurde – wie von ihm beabsichtigt – erst gegen Linke ermittelt. [Sachbeschädigung und Vortäuschen einer Straftat]
-Am 9.7.2010 sprengte Zimmer mit einer selbstgebauten Sprengvorrichtung den Briefkasten seines elterlichen Wohnhauses. Es entstand ein Schaden von 1500 €. [Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Vortäuschen einer Straftat]
-Am 11.8.2010 zündete Zimmer eine Mülltonne zwischen zwei geparkten PKWs ab, die in Folge dessen komplett ausbrannten. Der Schaden beläuft sich auf ca. 15000€. [Sachbeschädigung]
-Am 15.8.2010 zündete Zimmer vor dem Wohnhaus seines Kameraden Markus Schumacher eine Mülltonne an und sprühte Parolen wie „No Nazis“und „AJB“ an die Hauswand. Am nächsten Tag rief er bei Wolfgang Schumacher, dem Vater des Kameraden, an und kündigte einen Anschlag auf seine Wohnung an. Daraufhin stellte dieser eine Anzeige gegen Unbekannt. [Sachbeschädigung, Bedrohung]
-Am 2.10.2010 zündete Zimmer einen Müllkontainer auf dem Gelände seiner ehemaligen Schule Preins Feld an. Dadurch geriet eine sich daneben befindliche Holzhütte in Brand und brannte nieder. [Brandstiftung]
-Am 1.1.2011 wurde Zimmer durch Beamte eine Gaspistole und 3 Patronen abgenommen. Für die Waffe besaß er keinen Waffenschein. [Unerlaubtes Führen von Schusswaffen]
-Am 24.1.2011 griff Zimmer nach einer NPD-Flugblattaktion 2 AktivistInnen, sowie unbeteiligte Passanten mit Reizgas/Pfefferspray an. Nach Eigenauskunft habe er „die Frau angegriffen, weil sie genervt hat.“ [Gefährliche Körperverletzung in 4 Tateinheitlichen Fällen]“
Hinzu kommt noch die Verhöhnung der Opfer des NSU und des Nationalisozialismus. Zimmer zeigt sich seit dem immer mal wieder am Rande von politischen Veranstaltungen, hält sich dabei jedoch weitestgehend zurück. Seine politische Gesinnung hat er trotz der damaligen Prognose nicht abgelegt, so fährt er ab und an mit aufgedrehtem Rechtsrock durch das Bochumer Ehrenfeld, welches er als „linke Gegend“ ausgemacht hat. Während der Hausbesetzung an der Herner Str. im Jahr 2017 fotografierte er das Haus von der gegenüberliegenden Straßenseite. Zuvor am 04.02.2017 fuhr er mit einem Kleinwagen über den Bochumer Bongard Boulevard. Zu dieser Zeit fand dort eine Kundgebung der Republikaner statt. Seine Durchfahrt galt jedoch dem Gegenprotest. Es ist davon auszugehen, dass Zimmer sich immer noch für seine politischen Gegner:innen interessiert.

Zeit zu Handeln

Blockadeversuch bei Querdenken am 18.12.21 in Bochum

Das Querdenken es schafft rechte Aktivisten wie Andre Zimmer nach langer Zeit wieder auf die Straße zu bekommen, zeigt nur welche reaktivierende Bedeutung Querdenken für eben diese rechte Akteur:innen hat. Der offene Zusammenschluß von verrohtem Bürgertum, Verschwörungsanhänger:innen und Neonazis, der durch Querdenken ermöglicht wird, schafft ein Wohlfühlevent für eben jene. Wenn mindestens 1000 Menschen in der Dämmerung unter Trommelschlägen vor dem Bochumer Rathaus stehen, sollten die Alarmglocken bei allen demokratischen Kräften in Bochum angehen. Dass es nicht zu weiteren Übergriffen gekommen ist, liegt am bisher noch geringen Anteil der rechten Hools und Neonazis. Wenn Querdenken in Bochum jedoch weiterhin weitesgehend ungestört durch die Stadt ziehen kann, wird sich dies ändern. Das zeigen andere Städte, in denen gewaltbereite Neonazis zunächst nur Mitläufer waren und mittlerweile die Demos dominieren. Am vergleichsweise geringen Gegenprotest beteiligten sich schätzungsweise 50-100 Personen. Auch Anwohner:innen zeigten punktuell Protest. Auf dem Nordring blockierte eine Gruppe von 10-15 Personen die Aufmarschstrecke. Leider konnte die Demo an der Blockade vorbei geführt werden. Von den Blockierer:innen wurden später die Personalien aufgenommen und Platzverweise erteilt. Im Vorfeld der Demo gab es im Sozialen Zentrum Bochum die Möglichkeit sich impfen zu lassen, sodass mehrere dutzend Personen geboostert werden konnten. Auch auf dem Tana-Schanzara Platz gab es die Möglichkeit für Menschen Ü30 sich eine Impfung abzuholen, von Querdenker:innen wurde das Angebot natürlich nicht angenommen.

Sehr problematisch finden wir zudem den Umgang der Lokalpresse mit dem Bochumer Querdenken-Ableger. So werden seit 2020 im Vorfeld von Querdenken-Aktionen die Pressemitteilungen der Verschwörer:innen gänzlich unktitisch übernommen. Die eigentliche journalistische Sorgfaltspflicht erschöpft damit Pressemitteilungen von Polizei und Querdenken zu einem Text zu amalgamieren. Wir gehen noch davon aus, dass die Hintergründe dieser dürftigen Arbeitsweise in der Prekarisierung und “Verdichtung” der Arbeit in den Redaktionsstuben liegen und nicht etwa in untersschwelligen Sympathien, die man bei einigen Artikeln durchaus herauslesen könnte. Bezogen auf Querdenken und rechte Aufmärsche ist diese journalistische “Arbeit” jedoch nicht nur oberflächlich sondern schlichtweg gefährlich, da eine mediale Normalisierung und Verharmlosung stattfindet, die ein verzerrtes Bild der Realität darstellt. Wenn man nicht selbst vor Ort ist, sich weder von Redebeiträge, von der Stimmung, noch von den anwesenden Personengruppen selbst ein Bild gemacht hat, ist ein Zeitungsartikel in der größten Regionalzeitung nicht zu verantworten. So veröffentlichte die WAZ ein falsches Demo-Motto, offenbar aus der Pressemitteilung von Querdenken. So wurde aus „Pandemie der Lügen“ und „Impffaschismus nicht mit uns“ ein freundliches „Unantasbarkeit der Menschenwürde“. Die lokale WAZ-Redaktion muss sich daher die Frage stellen lassen, weshalb sie den Querdenker:innen so in die Karten spielt. Bereits 2020 wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass Querdenken in Bochum Neonazis toleriert und an ihren Aktionen teilhaben lässt.
Der bundesweite Trend, dass sich die Querdenker:innen radikalisieren, konnte somit auch in Bochum beobachtet werden. Desweiteren wurden rund um das Schauspielhaus mehrere verschwörungsideologische Aufkleber verklebt, die den Holocaust relativieren.

Wir konnten bislang keine Personen aus dem Organisator:innen-Kreis von Querdenken Bochum der extremen Rechten zuordnen. Die bisherigen Beobachtungen zeigen, dass jene Leute sehr genau auf die Außendarstellung ihrer Demos achten. Wir als Antifaschist:innen machen Querdenken allerdings(abgesehen von den antisemitischen Verschwörungsnarrativen, die sie verbreiten) dafür verantwortlich, dass sich Nazis bei ihnen wohlfühlen können. Querdenken reaktiviert Neonazis, die seit Jahren nicht mehr in der Bochumer Innenstadt gesehen wurden. Zumindest über die Dortmunder Neonazigruppe wusste die Querdenken-Orga am Samstag bescheid – und unternahm nichts. Alle “Querdenker:innen” müssen sich fragen lassen, weshalb ihre Demonstrationen für Neonazis so anziehend sind. Wir kennen die Antwort bereits. Wer mit Nazis marschiert, marschiert mit Nazis.

Antifaschistische Linke Bochum,
Dezember 2021

 

Weitere Fotos:

70 Menschen bei Demonstration in Erinnerung an Josef Anton Gera

Josef Anton Gera Demo 16.10.2021 in Bochum V

Am vergangenen Samstag gingen ca. 70 Menschen auf die Straße um an Josef Anton Gera zu erinnern. Dieser ist im Jahr  1997 von zwei Neonazis aus homofeindlichen Motiven mit einer Eisenstange attackiert worden, woraufhin er drei Tage später am 17.10.1997 im Bochumer Elisabeth Krankenhaus verstarb.

Die Demo begann gegen 14:00Uhr am Bochumer Rathaus, wo die Tat geschildert wurde und konkrete Forderungen an die Stadt Bochum im Umgang mit dieser rechten Gewalttat verlesen wurden:

„Wir fordern daher die Stadt auf, bis zum 25. Todestag von Josef Anton Gera im kommenden Jahr:
1. Josef Anton Gera offiziell als Opfer rechter Gewalt in der jüngeren Geschichte der Stadt anzuerkennen.
2. über den durch Nazis verübten Mord an Josef Anton Gera auf der offiziellen Homepage der Stadt aufzuklären.
3. die bisher geleistete Gedenkarbeit durch lokale Antifaschist*innen dabei zu benennen und die vor zehn Jahren angebrachte Gedenktafel anzuerkennen.
4. einen Platz in der Innenstadt nach Josef Anton Gera zu benennen.
5. ein Mahnmal gegen rechte Gewalt, soziale Ausgrenzung und Homophobie zu installieren.“

Josef Anton Gera Demo 16.10.2021 in Bochum I

Im weiteren Verlauf wurde noch ein Redebeitrag zur Aktualität transphober/homophober Gewalt verlesen, ehe es in einer kurzen Demo zum Westpark ging, wo vor zehn Jahren Bochumer Antifaschist:innen eine Gedenktafel für Josef Anton Gera anbrachten. An der Bahnhaltestelle/Brücke Bochum West wurde zudem ein Transparent in Gedenken an Josef Anton Gera angebracht. Leider waren vereinzelt auch homofeindliche Pöbeleien am Demorand zu vernehmen. Am Westpark angekommen, trug die VVN BdA Bochum zudem ein Redebeitrag zur Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus vor, ehe Blumen niedergelegt und die Kundgebung mit einer Schweigeminute beendet wurde.

Antifaschistische Linke Bochum,
Oktober 2021

 

Bilder:

zu den Reden: Weiterlesen

Gegen jeden Antisemitismus – Kein Kuscheln mit Faschist*innen!

In den letzten Wochen hat sich der Konflikt zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten immer weiter zugespitzt. Allein in der vergangenen Woche wurden mehr als 2.500 Raketen von der Terrororganisation Hamas auf israelisches Staatsgebiet gefeuert und töteten neben israelischen auch palästinensische Zivilist*innen. Über den Konflikt wird auch in den Sozialen Medien heftig diskutiert. Weltweit fanden und finden derzeit diverse Demonstrationen und Kundgebungen statt – mal in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung, mal in Solidarität mit Israel und Jüdinnen und Juden weltweit.
Im Zuge der aufgeheizten Diskussionen ist eines besonders auffällig: Bekundungen in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung gehen immer wieder einher mit antisemitischen Parolen, Fake News bishin zu Vernichtungsfantasien. Auf pro-palästinensischen Demonstrationen kommt es immer wieder zu Holocaust-Vergleichen und Relativierungen, antisemitische Karikaturen werden hochgehalten und nicht nur Palästina-Fahnen geschwenkt, sondern auch iranische, libanesische, syrische und türkische Nationalfahnen sowie Zeichen der faschistischen Grauen Wölfe und der Hamas.

Am Samstag, den 15.5.2021, fand auch in Bochum eine Kundgebung vor dem Rathaus, ausgerichtet von der Hamas-nahen Palästinensischen Gemeinde Deutschland (PGD) statt. Dort waren u.a. Ausrufe wie „Israel gib auf – Wir geben niemals auf!“, „Mit unserer Seele und unserem Blut kämpfen wir für Al-Aqsa!“ oder „Kindermörder Israel“ zu hören. Darüber hinaus wurden auch hier antisemitische Plakate hochgehalten und nationalistische Symbole offen gezeigt.

Es fanden demnach auch auf der Bochumer Kundgebung Sympathiebekundungen zu diktatorischen und islamistischen Akteuren statt, antisemitische Parolen konnten problemlos geäußert werden und auch die israelsolidarische Kundgebung am Dr.-Ruer-Platz wurde immer wieder aggressiv von Teilnehmenden der Kundgebung der PGD angegangen. Auch wurden in den vergangenen Wochen immer wieder gezielt Synagogen sowie Jüdinnen und Juden zum Ziel antisemitischer Angriffe und Proteste. Demonstrationen und Proteste, auf denen Jüdinnen und Juden, kurdische Genoss*innen oder wir als israelsolidarische Antirassist*innen nicht sicher sind, sind für uns kein place to be. Antisemit*innen sind für uns keine Bündnispartner*innen im Kampf um die Befreiung!

Ohne die rassistische Politik der derzeitigen israelischen Regierung, die Ungerechtigkeiten gegenüber arabischen Israelis, die Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten oder das Erstarken rechter und nationalistischer Bewegungen klein reden zu wollen, sehen wir in der Hamas und Fatah die Hauptaggressoren des Konflikts und Feinde demokratischer Friedensbestrebungen. Solange die „Regierungen“ Gazas und des Westjordanlands den Staat Israel vernichtet sehen wollen, wird es keine Friedensverhandlungen geben.

Das Leid der Bevölkerung der palästinensischen Autonomiegebiete und die Motivation, ebenfalls von rassistischer Diskriminierung und postkolonialen Kontinuitäten Betroffener, an solcherlei Demonstrationen teilzunehmen, ist verständlich, auch wenn sich diese Proteste vorrangig gegen die Unterdrücker der Hamas und Fatah richten müssten. Wir können jedoch nicht darüber hinwegsehen, dass offene Faschist*innen und Antisemit*innen an diesen Veranstaltungen teilnehmen oder diese sogar von ihnen organisiert werden und Antisemitismus, Judenhass und anti-jüdische Vernichtungsfantasien zur vermeintlichen Normalität im Kampf um die Befreiung erhoben werden.

Wir stellen uns gegen jede Form des Antisemitismus – sei es plumper Judenhass, sekundärer Antisemitismus in Form von Holocaust-Vergleichen, struktureller Antisemitismus in Form von Verschwörungsmythen (wie bspw. Parolen wie „Kindermörder Israel“ oder der Behauptung, „die Juden“ würden die Medien kontrollieren) oder israelbezogener Antisemitismus. Statt sich weiter von Hass und Hetze entzweien zu lassen, gilt es, sich mit aller Kraft für ein Ende der Gewalt und progressive Lösungen einzusetzen, denn letztendlich ist es die Bevölkerung auf beiden Seiten, die am stärksten unter dem Konflikt leidet.

Kundgebung gegen Antisemitismus am Dr.-Ruer-Platz [5]

Auf der zeitgleich am 15.5.2021 stattgefundenen Kundgebung gegen Antisemitismus haben auch wir einen Redebeitrag gehalten, der im Folgenden dokumentiert wird:

Wir stehen heute hier, um unsere Solidarität mit Jüdinnen und Juden weltweit auszudrücken. Der aktuell wieder einmal auflodernde Konflikt in Israel verstärkt auch hierzulande antisemitische Ressentiments und lässt die Hemmschwelle für Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden sinken. Nicht selten wird die Forderung nach Freiheit für die palästinensische Bevölkerung gleichgesetzt mit der Forderung nach der Vernichtung Israels. Statt eine starke antirassistische Bewegung oder den Kampf gegen die Terrororganisation Hamas, die die palästinensische Bevölkerung als Schutzschild benutzt, zu fordern, wird die Existenz des Staates Israel und der Schutz jüdischen Lebens in Frage gestellt. Jüdinnen und Juden werden weltweit für die israelische Politik verantwortlich gemacht und jüdisches Leben auch hierzulande verbal und physisch angegriffen.

Bereits vor zwei Wochen kam es auch in Bochum zu einem Angriff auf die jüdische Gemeinde, bei dem mit Stahlkugeln auf die Synagoge geschossen wurde. Bereits vor zwei Wochen brodelte der Konflikt im Nahen Osten und eskalierte im Laufe der vergangenen Tage. Während dem generationenübergreifenden Konflikt nicht mit einer einfachen Einordnung in Gut und Böse beizukommen ist, geschieht aktuell jedoch genau das: Plumpe Schuldvorwürfe, Rassismus und Antisemitismus dominieren die Debatte – dabei wünscht sich ein Großteil der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten bloß, in Frieden koexistieren zu können und leidet dennoch am härtesten unter den Auseinandersetzungen. Die Terrororganisation Hamas feuerte allein seit diesem Montag mehr als 2000 Raketen auf israelisches Staatsgebiet. Obwohl das israelische Abwehrsystem es ermöglichte, einen Großteil der Raketen abzufangen, starben bislang zahlreiche Menschen. Israel antwortete mit Luftangriffen, bei denen hochrangige Führer der Hamas und des militanten Islamischen Dschihads, aber auch mehrere Zivilist*innen getötet wurden. 

Wir stellen uns sowohl gegen die antisemitische Terrordiktatur von Hamas und Fatah, als auch gegen die rechtspopulistische Likud-Regierung und rechtsextreme israelische Mobs. Sowohl für Jüdinnen und Juden als auch für arabische Israelis und Palästinenser*innen bedeutet eine Aufrechterhaltung der derzeitigen Politik, dass die Sicherheit und das Leben in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten weiterhin gefährdet bleiben. Diesen Zustand gilt es zu beenden! 

Die Verbrechen der deutschen Nazibarbarei haben der Welt schmerzlich deutlich gemacht, dass der Staat Israel notwendig ist, um Jüdinnen und Juden weltweit einen Schutzraum zu bieten. In der Diaspora sind sie seit 2.000 Jahren Hass und Verfolgung ausgesetzt. Die derzeitige Situation in Israel gefährdet diesen so notwendigen Schutz. Für uns steht fest, dass es keinen Frieden mit den Feinden Israels geben kann. 

Es sind vor allem Palästinenser*innen, die unter der Terrorherrschaft der Hamas in Gaza und der Diktatur der Fatah im Westjordanland leiden. Auch zahlreiche palästinensische Todesopfer des derzeitigen Konflikts wurden durch fehlgeschlagene Raketenabschüsse aus Gaza verursacht. Frieden im Nahen Osten kann es nur geben, wenn sich die Palästinenser*innen auch selbst gegen ihre Unterdrücker auflehnen. Erst wenn die Hamas ins Meer und die Fatah in den Jordan getrieben wurde, gibt es die Chance auf Friedensverhandlungen. Wer jedoch in der derzeitigen Situation des Terrors nach Friedensverhandlungen schreit und Terrororganisationen an den Verhandlungstisch setzen will, sei an die Worte des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden und Überlebenden der Shoa Paul Spiegels erinnert: „Hinter dem Ruf nach Frieden verstecken sich die Mörder!“

Obwohl Antisemitismus der deutschen Dominanzgesellschaft seit hunderten von Jahren immanent ist, lässt sich in den vergangenen Jahren eine drastische Steigerung des offen ausgedrückten und ausgelebten Antisemitismus erkennen. Und kaum etwas gab dem Antisemitismus in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung wie die aktuelle Corona-Krise. Auch in Bochum nehmen bspw. die Schergen von Querdenken und Co. kein Blatt vor den Mund, wenn sie ihre antisemitischen Inhalte unter die Leute bringen können. Wir Antifaschist*innen haben bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, dass aus Verschwörungsideologien irgendwann Vernichtungsphantasien werden. Der Angriff auf die Bochumer Synagoge ist die nächste Eskalationsstufe in einer Gesellschaft, in der antisemitische Einstellungen immer weiter auf dem Vormarsch sind. Und heute, etwas mehr als zwei Wochen danach, findet eine Veranstaltung der „Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland“, die der Hamas nahesteht und offen die Vernichtung Israels und jüdischen Lebens propagiert, zentral in der Innenstadt statt. Dort demonstrieren neben Menschen, die ihre Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung ausdrücken wollen, auch glühende Antisemit*innen und offene Faschist*innen der Grauen Wölfe.

Doch es ist uns egal, ob Verschwörungsideolog*innen, rechte, linke oder islamistische Antisemit*innen, wie sie heute unterwegs sind. Wir stehen gegen jede Form des Antisemitismus ein. Unsere Solidarität gilt allen Betroffenen von antisemitischem Hass, egal ob in Israel, Gelsenkirchen, Bochum oder anderswo auf der Welt. Daher stehen wir heute hier in Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde Bochum. Ein Angriff auf das jüdische Leben ist ein Angriff auf die freie, pluralistische und gerechte Gesellschaft, die wir errichten wollen. In dieser Gesellschaft hat Antisemitismus keinen Platz.

Uns ist schmerzhaft bewusst, dass auf staatliche Akteur*innen kein Verlass ist, im Kampf gegen Antisemitismus. Das haben zahlreiche Statements der etablierten Politik und inhaltsleere Symbolpolitik, aber auch finanzielle Unterstützung für palästinensischen Terror vonseiten der BRD und der EU bereits zu Genüge bewiesen. 

Auch die Bochumer Polizei hat in den vergangenen Monaten bei zwei Autokorsos aus dem verschwörungsideologischen Spektrum katastrophale Arbeit geleistet. Begleitet von einem riesigen Blaulichtmeer konnten diese verschwörungsideologischen und antisemitischen Kundgebungen ungestört an der Bochumer Synagoge vorbei fahren und ihren Hass und ihre Hetze verbreiten. Wenn die Polizei so etwas geschehen lässt, ist es nicht verwunderlich, dass antisemitische Täter*innen sich in Sicherheit fühlen und ihren Worten Taten folgen lassen. Das Ergebnis einer solchen Politik haben wir am Mittwoch in Gelsenkirchen erlebt: Trotz eines großen Polizeiaufgebots konnten eliminatorische Antisemit*innen vor der dortigen Synagoge extrem antisemitische Parolen rufen, ohne dass die Polizei eingriff. Am Dienstag wurden auch in Dortmund ungestört antisemitische Rufe bei einer spontanen Demonstration laut, bei welcher Anhänger*innen der rechtsextremen Grauen Wölfe, sowie Hamas-Anhänger*innen teilnahmen. Nicht nur in Gelsenkirchen und Dortmund fühlen sich militante Antisemit*innen wohl, auch in anderen Ruhrgebietsstädten kam es bereits während des letzten Gaza-Krieges 2014 zu zahlreichen antisemitischen Ausschreitungen, oft unter den Augen der eingesetzten Polizist*innen.

Wir wollen diesen Status quo jedoch nicht hinnehmen und rufen ganz Bochum auf: schaut nicht weg, wenn ihr Zeug*innen von Antisemitismus werdet, egal wo, egal wann! Verteidigt die Werte, für die wir jeden Tag einstehen, stellt euch vor die Synagogen, wenn wieder Antisemit*innen durch die Straßen ziehen.

Egal ob aus dem islamistischen oder verschwörungsideologischen Spektrum, aus der konservativen und rechten Szene, aus der so genannten Mitte der Gesellschaft oder auch aus linken Spektren: Antisemit*innen sind unsere Feinde und wir werden nicht ruhen, bis jeglicher Antisemitismus auf dem Müllhaufen der Geschichte liegt!

Keinen Frieden mit den Feinden Israels – Gegen jeden Antisemitismus!
non a parole – Antifaschistisches Kollektiv Bochum
[1], [2], [4], [5] Twitter/Autonome Antifa 170
[3]                   WAZ/Dietmar Wäsche

Stellungnahme antifaschistischer Gruppen zu einem Redebeitrag anlässlich des Gedenkens zum 76. Jahrestag des Kriegsendes

Wie in jedem Jahr gedachte die progressive Bochumer Zivilgesellschaft den Opfern von Krieg und Faschismus auf dem Bochumer Hauptfriedhof am Freigrafendamm.
Da der 8. Mai, der Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation, in diesem Jahr auf einen Samstag fiel, wurde das Gedenken auf den Freitagnachmittag vorverlegt, um unter anderem dem Holocaust-Überlebenden Bochumer Felix Lipski und anderen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Bochum die Teilnahme zu ermöglichen.
Erneut kamen – trotz Pandemie – mehr als 100 Menschen zusammen, um am Erinnerungsrundgang teilzunehmen. Darunter auch Vertreter*innen zahlreicher antifaschistischer Gruppen.

Während eines Redebeitrags kam es zu einem Eklat, den wir als Antifaschist*innen keineswegs unkommentiert lassen können.
Der Redner konnte seiner scheinbar großen Liebe zum seit vielen Jahren diktatorisch regierten Russland kaum einen Einhalt gebieten. Auch sein Feindbild, so viel stand bereits nach wenigen Sätzen fest, war klar: Jegliche Opposition gegen Russland. Und obgleich die geopolitische Lage natürlich nicht in Gute auf der einen und Böse auf der anderen Seite eingeteilt werden kann, ist das, was im Redebeitrag folgte, mit keinem anderen Wort als Propaganda zu bezeichnen. Laut Redner sei Russland ein Garant für Frieden, während die Weltgemeinschaft den Krieg gegen Russland suche. Angesichts russischer Militärunterstützung für Assad, dem Krieg in der Ostukraine und unaufhörlichem russischem Säbelrasseln auf der Weltbühne sind solche Behauptungen unhaltbar. Doch leider kam es im Laufe dieses Pamphlets noch schlimmer: Trotz der Anwesenheit eines Holocaust-Überlebenden und mehrerer Jüdinnen und Juden erdreistete sich der Putin-Versteher, das Gefangenenlager Guantanamo mit einem Konzentrationslager und Annegret Kramp-Karrenbauer mit Hitler zu vergleichen.

Wir als progressive Antifaschist*innen sind über alle Maßen schockiert und schämen uns für diesen Redebeitrag. Für uns steht fest, dass kein einziges Verbrechen der Geschichte mit dem Menschheitsverbrechen der Shoa verglichen werden kann. Wer dies versucht, reiht sich ein in eine lange Reihe von Relativierer*innen der Shoa. Hier ist für uns eine rote Linie erreicht!

Trotz der Tatsache, dass dieses relativierende Pamphlet ohne den Hauch einer gesellschaftspolitischen Analyse in keiner Weise von uns stammt, möchten wir uns entschuldigen, dass auf einer Veranstaltung, die wir seit so vielen Jahren unterstützen, Platz für solche Worte ist. Es wird weder der Erinnerung dieses so wichtigen Tages, noch dem Andenken der Opfer von Krieg und Faschismus gerecht, wenn ein Putin-Versteher eine Rede hält, die so auch von Seiten regressiver Kräfte wie der MLPD oder – zumindest in Teilen – der AfD stammenkönnte.

Wir möchten bei all jenen Menschen, die diesen geschichtsvergessenen Vergleich mit anhören mussten, vor allem jedoch bei unseren jüdischen Mitmenschen, die dankenswerterweise in jedem Jahr am Gedenken teilnehmen, um Verzeihung bitten.

Für uns gilt weiterhin und für immer: Gegen jeden Antisemitismus, auch gegen denjenigen, der in Form von Relativierungen und Holocaust-Vergleichen geäußert wird.

non a parole – Antifaschistisches Kollektiv Bochum
Antifaschistische Gruppe 5
f:antifa Bochum
Offenes Antifa-Café Bochum

8. Mai – Tag der Befreiung.Tear Fascism down!

Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung. Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endet nach 12 Jahren die Schreckensherrschaft der Nazis, der in Europa rund 40 Millionen Menschen zum Opfer fallen. Millionen Jüdinnen und Juden, verschleppte Zwangsarbeiter*innen, Sinti und Roma, Linke, Zivilist*innen, Homosexuelle und Menschen mit Behinderungen werden von den Nazis dabei organisiert und systematisch ermordet. Antifaschist*innen konnten trotz ihrer Kämpfe die Machtergreifung der Nazis nicht verhindern. Die Geschichte zeigt uns, dass der einmal erstarkte Faschismus in Europa nur unter Aufwendung größter militärischer Anstrengungen zerschlagen werden konnte. Dies gilt es bei den heutigen Kämpfen gegen die wieder aufkeimenden reaktionären und regressiven Tendenzen zu bedenken.

Bochum wurde am 10. April befreit, als amerikanische Panzer über die Herner Straße einrollten. Als Gauhauptstadt ernannt spielt Bochum für die Nazis eine wichtige Rolle. Dank der vielfach ehrenamtlich geleisteten Recherche und Erinnerungsarbeit sind die Gräueltaten der Nazis auch in Bochum gut dokumentiert. Kurz nach ihrer Machtübernahme 1933 werden zuallererst Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen in geheimen Gefängnissen wie „Gibraltar“ oder dem „Gerther Blutkeller“ in der Hegelschule von Mitgliedern der Sturmabteilung (SA) gefoltert und ermordet. Zu den Opfern gehörten u.a. der jüdische Kaufmann Albert Ortheiler, der Uniformen an antifaschistische Verbände lieferte und der KPD’ler Heinrich Fischer. Die SA war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP und spielte als Ordner- und Schlägertruppe auch in Bochum eine entscheidende Rolle beim Aufstieg der Nationalsozialisten. Im Vorfeld der Machtergreifung 1933 widmeten sich die „Braunhemden“ intensiv dem Straßenkampf und Überfällen auf Juden, Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen. Nach der Machtergreifung diente sie der NSDAP in gleicher Weise vorübergehend als „Polizei“. Mitglieder der SA waren Überzeugungstäter, die über ihre freiwillige Mitgliedschaft beim paramilitärischen Arm der NSDAP eine hohe Identifikation und Überzeugung demonstrierten.

Einer von ihnen war Alfons König, SA-Mann aus Bochum. Von den Nazis wurde er nach seinem Tod als sogenannter „Blutzeuge“ geadelt, da er bei einem Verkehrsunfall in Stromberg auf einer Propagandafahrt nach Besenkamp-Enger umkam. So benannten die Nazis während der NS-Zeit eine Straße nach ihm und machten ihn zu einer Märtyrerfigur für die Bochumer SA-Ortsgruppe. Bis ins Jahr 2021 schaffte es der Grabstein von Alfons König mehr oder weniger unbeschadet davon zu kommen. Die Stadt Bochum scheint es all die Jahre nicht interessiert zu haben, dass ein Reichsadler und das verbotene Logo der SA auf dem Grabstein prangten, was diesen für lokale Nazis über die Jahre sicher zu einem besonderen Ort machte. Der Grabstein befand sich bis vor wenigen Tagen auf einem Bochumer Friedhof. In unmittelbarer Nähe zum Grab des Nazischergen liegen 9 Arbeiter*innen, die im Kampf gegen den faschistischen Kapp-Lüttwitz Putsch 1920 ihr Leben verloren. Ihre Gräber wurden von den Nazis während der NS- Zeit zerstört. Der Grabstein von Alfons König befindet sich nun nicht mehr auf dem Friedhof. Bessere Orte für derlei Überbleibsel aus dieser Zeit wären ohnehin Archive und Museen gewesen.

Damit reiht sich die Aktion in das linksradikale Bochumer Brauchtum ein, welches nationalsozialistische und kriegsverherrlichende Denkmäler und Grabstätten zeitgemäß kommentiert. So wurde im Jahr 1983 das Kriegerdenkmal im Bochumer Stadtpark gefällt, welches die Nazis erbauen ließen. Im Jahr 1987 verlor die Soldatenstatue in Bochum Langendreer an der Unterstraße ihren Kopf. Auch der Ersatzkopf wurde im Jahr 2010 abgeschlagen.

Wo und wann der Grabstein von Alfons König wieder auftaucht, bleibt zunächst ungewiss. An dem letzten Aufenthaltsort wird es sicherlich nicht sein.

Antifa 4630

Quellen:

https://www.bochumschau.de/video/soldaten-denkmal-stadtpark-bochum-2012.htm
https://www.bochumschau.de/kriegerdenkmal-soldaten-stadtpark-bochum-2012.htm
https://www.bochumschau.de/kriegerdenkmal-soldaten-kopf-bochum-langendreer-2019.htm
https://linksunten.archive.indymedia.org/node/12063/index.html
https://linksunten.indymedia.org/de/node/28625/index.html

Solidarität mit der jüdischen Gemeinde in Bochum

Solidemo wegen Angriff auf Synagoge 26.04.21 in Bochum

In der Nacht auf Montag wurde die Synagoge an der Castroper Straße mit Eisenkugeln beschossen. Diese wurden vermutlich mit einer Zwille abgegeben. Hierbei wurde eine Scheibe im Eingangsbereich der Synagoge beschädigt. Aus Solidarität mit der jüdischen Gemeinde in Bochum, haben wir gestern spontan eine Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit der jüdischen Gemeinde – Gegen jeden Antisemitismus“ durchgeführt. Hierbei kamen ca. 100 Menschen zusammen die spontan vom Hauptbahnhof in Richtung Synagoge zogen, um die Demo dann letztendlich am Dr. Ruer Platz zu beenden.

Im weiteren dokumentieren wir unseren Redebeitrag, der sich inhaltlich mit antisemitischen Vorfällen und Angriffen in Bochum und Umgebung befasst:

„In der vergangenen Nacht wurde eine Scheibe im Eingangsbereich der Synagoge mit Stahlkugeln, die wohl mit einer Zwille abgefeuert wurden, zerstört. Auch beim angrenzenden Planetarium wurden zerstörte Scheiben entdeckt. Unwahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet die Synagoge während der Ausgangssperre Ziel von blindem Vandalismus geworden ist. Ein antisemitischer Hintergrund liegt nahe.
Seit der Corona Pandemie genießen antisemitische Narrative erneut Hochkunjunktur, die meist in verschiedensten Verschwörungserzählungen eingebunden sind. Damit einhergehen oftmals Vergleiche, die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren. Auch in Bochum traten verschwörungstheoretische Gruppen mit Kundgebungen, Demonstrationen oder Autokorsos in die Öffentlichkeit und verbreiteten krude Erzählung über geheime Eliten und die “Finanzmafia”, die die Corona Pandemie angeblich steuern würden. Auch plumper Antisemitismus und NS-Verharmlosungen konnten während dieser Veranstaltungen beobachtet werden. So wurde in den letzten Wochen bei “Querdenken 234” Veranstaltungen ein Polizist als “KZ-Aufseher” bezeichnet und ein Schild mit der Aufschrift „Ist wieder 1933?“ „Heil(t) Merkel & Spahn von ihrem Corona-Wahn!“ wurde stolz in die Luft gehalten. Im März wurden gleich zwei Autokorsos der verschwörungsideologischen Gruppe “Querdenken” direkt an der Synagoge vorbeigeleitet, geschützt von einem kompletten Fuhrpark von Polizei und Ordnungsamt. Antifaschist*innen wiesen unermüdlich auf den gefährlichen Antisemitismus, der von diesen Gruppen ausgeht hin.
Ebenfalls werden in Bochum seit 2018 regelmäßig antisemitische Parolen großflächig im Stadtgebiet gesprüht, auch hier sind neben den Schmiereien, die aus dem klassischen Nazispektrum stammen, auch solche dabei die einen verschwörungsideologische Hintergrund haben. In den letzten Wochen tauchten entlang des Radweges in der Nähe des Bochumer Westparks antisemitische Schmiereien auf, die auch ein, in Gedenken an die beim rechtsterroristischen Anschlages in Hanau getöteten Menschen erstelltes Graffiti, zerstören sollten. Doch es bleibt leider nicht nur bei gesprühten Parolen und verbalen Entgleisungen. So wurde im vergangenen Jahr eine Ausstellung die das Leben jüdischer Sportler*innen thematisierte, in der Bochumer Innenstadt zerstört. In unserer Nachbarstadt Essen wurde im November 2020 eine Scheibe der dortigen Synagoge mit einem Betonblock eingeworfen. In Hamburg ist nur ein Monat zuvor ein jüdischer Student von einer Person mit einem Spaten angegriffen worden. Der traurige Höhepunkt der vergangenen Jahren ist sicherlich der antisemitische Anschlag von Halle, als ein Rechtsterrorist versuchte an Yom Kippur in die Synagoge einzudringen und im weiteren Verlauf zwei Menschen erschoss.
In Bochum wurde im Jahr 2004 das Auto des Bochumer Rabbiners angegriffen. Dabei wurden Reifen zerstochen, Scheiben eingeschlagen und Hakenkreuze in den Lack gekratzt. Dieser Angriff reihte sich damals in eine lange Reihe von antisemistischen Taten ein, die rund um den Neubau der Synagoge an der Castroper Straße verübt wurden. Hinzu kamen wöchentliche Flugblatt-Aktionen Bochumer Nazis gegen die Synagoge, die Schändungen des jüdischen Freidhofs in Bochum und in Dortmund sowie eine Demonstration der NPD zusammen mit Freien Kameradschaften, die sich gezielt gegen die Synagoge richtete. Herbei hielt der Vorsitzende der nordrhein-westfälsichen NPD Claus Cremer eine antisemitische Rede, für die er im Nachhinein wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Cremer saß im Zeitraum von 2009 bis 2020 im Bochumer Stadtrat.
Ein damaliges NPD Mitglied schändete im Jahr 2014 zudem den jüdischen Friedhof in Wattenscheid. Dort wurden bereits im Jahr 2010 Grabsteine massiv mit Naziparolen und Hakenkreuzen geschändet. Auch in Herne kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Schändungen von Gedenksteinen und jüdischen Grabsteinen.
Ob die Täter*innen nun Nazis, Anhänger*innen von Verschwörungstheorien, Islamisten oder einfache Bürger*innen sind, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen bedarf einer unverzüglichen, entschlossenen Reaktion.
Wir müssen uns Antisemitismus klar entgegenstellen! Wir haben zu oft erlebt, dass aus Worten und Parolen Taten werden. Wir als Antifaschist*innen weisen unentwegt und besorgt auf antisemitische Auswüchse hin und sehen, dass wir uns dabei nicht auf Staat und Polizei verlassen können.
Lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen und unsere Solidarität und auch Wut über deartige Taten in die Bochumer Öffentlichkeit tragen!

Denn wir stehen:
Gegen jeden Antisemitismus!“

Einen weiteren Redebeitrag zu Antisemitismus und Verschwörungsmythen hielt die Gruppe Non a parole. Desweiteren wurde die Demo unterstützt von Fantifa Bochum/Witten, Antifa Café Bochum und antifaschistischen Einzelpersonen.

 

Antifaschistische Linke Bochum,
April 2021