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Neonazis und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen spazieren durch Bochum

Am gestrigen Montag, den 11.05., versammelten sich ab 19:00Uhr ca. 30 Personen aus dem Spektrum der Impfgegner*innen und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen vor dem Bochumer Rathaus. In einer lokalen Telegramm Gruppe verabredeten sich diese, um gegen eine vermeintliche “Coronapanikmache” auf die Straße zu gehen.

Unter die Teilnehmenden mischten sich von Anfang an auch die örtlichen Neonazis des Kreisverbands der NPD. Marco vom Brocke, Shauna-Charis Seidel und Claus Cremer nahmen an dem Spaziergang teil. Offensichtlich wurde bereits die Telegramm-Gruppe von der NPD unterwandert, sodass die Info des eigentlich geheimen Spaziergangs bei den Nazis bekannt war. Nach rund 100 Metern wurde den Spaziergänger*innen mitgeteilt, dass sich bekannte NPD-Nazis unter ihnen befänden. Während einige erstaunt reagierten, reagierten andere Teilnehmer*innen wenig beeindruckt. Entscheidend ist jedoch, dass die gesamte Gruppe trotz dieser Information ihren Marsch mit den NPD Kadern durch die Bochumer Innenstadt fortsetzte. In einer regen Diskussion zwischen Kritiker*innen und Teilnehmenden im Nachgang des verschwörungstheorischen “Spaziergangs” wurde behauptet, nichts von der politischen Ausrichtung von Cremer und Co. gewusst zu haben.

Unter den Anwesenden waren zudem viele Personen, die bereits am Samstag der Kundgebung “für den Erhalt der Grundrechte” besuchten, welche auch dem verschwörungstheoretischen Spektrum zuzuordnen war. Bereits am Samstag nahm mit Bernhard Schreiber ein bekannter Reichsbürger aus Gelsenkirchen an der Kundgebung teil. Auch Narrative, die der Neuen Rechten entstammen wurden auf der Kundgebung reproduziert.

Der Spaziergang am heutigen Tag war nicht angemeldet und wurde weder von der Polizei noch vom Ordnungsamt begleitet. So war es den Teilnehmenden möglich einmal durch die komplette Bochumer Innenstadt zu laufen. Das von Nazis und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen eine reale Gefahr ausgeht ist spätestens seit dem Anschlag in Halle und dem Mord an Arkan Hussein Khalaf in Celle bekannt. So kam es auch heute aus diesem Spektrum zu Gewalt. Gegen Ende der Kundgebung versuchten zwei Teilnehmende, die offenbar Sympathien für die NPD haben und kurz zuvor Werbeflyer von Claus Cremer entgegennahmen, kritische Beobachter*innen anzugehen.

Wir gehen weiterhin davon aus, dass in den nächsten Tagen und Wochen Veranstaltungen und Spaziergänge aus diesem Spektrum geplant sind. Die Inhalte die auf solchen Veranstaltungen reproduziert werden, dürfen nicht widerspruchsfrei bleiben. D.h. auch dass antifaschistischer Protest und Beobachtung von Nöten ist. Wenn verschiedene Bochumer Initiativen und Parteien zum Wahlkampf proklamieren, dass sie sich der AfD und der NPD entgegenstellen wollen, dann müssen sie sich konsequenterweise nun auch gegen Verschwörungsmythen auf die Straße begeben. Wir rufen alle antifaschistischen Kräfte in Bochum dazu auf, Proteste zu organisieren und Verschwörungsmythen nicht widerspruchsfrei zu lassen.

Antifaschistische Linke Bochum,
Mai 2020

75. Tag der Befreiung – Befreiung heißt Leben!

1. In Gedenken an die Kämpfenden der Roten Ruhrarmee – Kein Platz für nationalsozialistische Gedenkorte!

1920 haben die Arbeitenden im Ruhrgebiet gegen den faschistischen Kapp-Lüttwitz-Putsch in Berlin mobil gemacht. Mit einem Generalstreik legten sie die Arbeit nieder und ergriffen die Waffen,  um sich gegen faschistische Reichsmilizen zu verteigen. Es entstand die Rote Ruhrarmee. Ihr Ziel war es, die junge Republik und sich selbst vor den putschenden Faschist*innen zu schützen und danach weiter gehende revolutionäre Ziele zu erkämpfen.

Seit 1934 steht in Essen-Horst ein Denkmal, welches eben diesen mordenden Reichswehrsoldaten und faschistischen Söldnern der rechten Freikorps gewidmet ist, die mit aller Brutalität gegen die streikenden und kämpfenden Arbeitenden vorgingen und nach deren Niederschlagung Erschießungen und grausame Racheakte verübten. Die Einweihung fand am 4. November 1934 mit einem nationalsozialistischen Massenaufmarsch unter Hakenkreuzflaggen statt.
Die Kämpfenden der Roten Ruhrarmee sollten auf diese Weise verschmäht und die Geschichte umgedeutet werden. Die blutigen Massaker an den Arbeitenden und den Kämpfenden der Roten Ruhrarmee durch die rechten Freikorps fanden selbstredend keine Erwähnung.

Das Denkmal steht noch immer da. 1985 wurde es umgewidmet: Statt Ruhrkämpferehrenmal wurde es nun zu einem Mahnmal. Diverse Versuche, das Denkmal zu demokratisieren und über Lehrtafeln über seinen Ursprung aufzuklären, scheiterten daran, dass die Tafeln regelmäßig zerstört wurden. NPD-nahe Gruppen haben das Denkmal in der Vergangenheit immer wieder als Aktions- und Pilgerort genutzt. So trafen sich beispielsweise 2011 und 2012 “Die russlanddeutschen Konservativen”, eine Gruppierung, die vergangenes Jahr bei ihrem Lesertreffen Nicolai Nehrling (“Volkslehrer”) geladen hatte, an dem faschistischen Denkmal. 2016 hielt die NPD am Volkstrauertag samt Blumengesteck eine Versammlung statt. Immer wieder wird das Denkmal mit Hakenkreuzen oder SS-Runen beschmiert. Bis heute hat die Stadt Essen es nicht für nötig erachtet, sich diesem Teil der Stadtgeschichte ausführlich zu widmen und einen Umgang mit dem Denkmal zu finden.

Zum 100-jährigen Jubiläum der Kämpfe der Roten Ruhrarmee wollen wir die Diskussion darum wieder anstoßen. Wir finden es unerträglich, dass das Denkmal mit seinem menschenverachtenden, revisionistischen Ursprung in seiner ursprünglichen Form vorhanden ist. Wir fordern: Reißt das Ding ab – oder klärt darüber angemessen auf! Solange dies nicht der Fall ist, wird das Denkmal durch farblich markierte Säulen an seine blutige Geschichte erinnern.

2. Außenlager des KZ Buchenwald in Bochum

Der 8. Mai und somit der Tag in Gedenken an die Befreiung vom Faschismus in Europa jährt sich dieses Jahr zum 75. Mal. Dieses Datum nahmen wir zum Anlass, um auch in Bochum an die Geschichte eines beliebten Ortes, des Westparks, zu erinnern.

Im Nationalsozialismus war in Bochum eines der zahlreichen Außenlager des KZ Buchenwald. Beim Bochumer Verein, der damals auch das Gelände des heutigen Westparks umfasste, und bei der Eisen- und Hüttenwerke AG (heute Stahlwerke Bochum AG) wurden Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und nicht zuletzt Häftlinge des KZ Buchenwald eingesetzt, die gezwungen waren, sich hier zu Tode zu arbeiten. Die Menschen kamen dabei durch Überarbeitung, Hunger, Misshandlung oder gezielte Hinrichtungen um. Der gebürtige Marler Rolf Abrahamsson, damals 20 Jahre alt, wurde in verschiedene KZ deportiert und gelangte auch in das Bochumer Außenlager des KZ Buchenwald. Für ihn war es “eines der schlimmsten KZ”.

Wohl am 18. März 1945 wurden die beiden Bochumer Außenlager geräumt, weil der “Feind” näher rückte. Die knapp 2000 Inhaftierten wurden in überfüllten Zügen ins KZ Buchenwald deportiert, wo die meisten von ihnen durch sogenannte Todesmärschen umgebracht wurden.

Die Industriewirtschaft in Bochum, insbesondere die Rüstungs- und Stahlindustrie, profitierte immens von der unmenschlichen Ausbeutung, Verschleppung und Inhaftierung von Menschen. Somit steht der heutige Westpark auch als Ort für die unheilvolle Allianz zwischen Kapital und Faschismus. Diese Allianz war es auch, die für die Niederschlagung der Arbeiter*innenaufstände, der Generalstreiks und nicht zuletzt der Roten Ruhrarmee in den 1920er Jahren verantwortlich war. Der mutige Kampf der Arbeitenden im Ruhrgebiet konnte die spätere Machtergreifung und Schreckensherrschaft der Nazis leider nicht verhindern. Erst am 8. Mai 1945 gelang es den Alliierten mit vereinten Kräften den Grauen des Nationalsozialimus in Europa ein Ende zu setzen.

Deshalb gilt es gerade heutzutage wachsam zu sein und aktiv gegen die aufkommenden rassistischen und faschistische Tendenzen vorzugehen.

100 Jahre Rote Ruhrarmee, 75 Jahre Tag der Befreiung – Nie wieder Faschismus!

Antifa 4630

Revolutionäre Vorabenddemo 2020: Online Edition

Revolutionäre Vorabenddemo 2020: Online Edition

Heute, am Vorabend des 1.Mai wäre die Revolutionäre Vorabenddemo wie in den Vorjahren durch Bochums Straßen gezogen, um antifaschistische, antikapitalistische, feministische und ökologische Forderungen einen Ausdruck zu verleihen. Aufgrund der Covid19 Pandemie haben die Veranstalter*innen in diesem Jahr auf eine Durchführung der Demo verzichtet. Nichtsdestotrotz bleibt es wichtig, politische Forderungen zu streuen und andere Wege und Mittel zu nutzen, im Bewusstsein, dass diese sicherlich keine Aktionen oder Demonstrationen ersetzen können. Aus diesem Grund haben Bochumer Antifa Gruppen und Initiativen einen Podcast zum diesjährigen Vorabend des 1.Mai angefertigt. Im nächsten Jahr soll es dann wie gehabt auf der Straße weitergehen.

Antifa 4630

 

Ab 19:00Uhr wird der Podcast auf radio.nrdpl.or/live gestreamt.

Danach wird er euch unter radio.nrdpl.org zur Verfügung stehen.

 

Rassismus tötet

Rassistische und extrem rechte Gewalt zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Bundesrepublik Deustchland. Seit 1990 zählt die Amadeu Antonio Stiftung 208 Todesopfer rechtsextremer Gewalt.

Durch die Corona Krise ist eine überfällige Diskussion, die über extrem rechte Gewalt, wieder in den Hintergrund geraten.

Mit unserer Aktion wollen wir auf die tödlichen Folgen von Rassismus aufmerksam machen.
Am Montag, den 20.04.2020, haben wir auf dem Bochumer Rathausplatz ein Grab errichtet, dieses soll als Mahnmal an die Opfer rechter Gewalt erinnern.
Bereits in der Nacht auf Montag sind in Bochum und Witten zahlreiche Gräber als Mahnmahl entstanden.

Rechte Gewalt ist trauriger Alltag in Deutschland, im ersten Halbjahr 2019 wurden über 609 Angriffe auf Geflüchtete, ihre Unterkünfte und auf solidarische Menschen gezählt, mehr als drei pro Tag. Während die Bundesrepublik selbst von nur 94 Todesopfern seit 1990 spricht, werden von Journalist*innen und Initiaiven über 200 Opfer gezählt.
Bereits Anfang der 1990er Jahre erlebte rassistische Gewalt in Deutschland einen Aufschwung, bei einem Brandanschlag auf zwei Häuser in Mölln 1992 starben drei Menschen, 1993 gab es bei einem Brandanschlag auf die Famillie Genc in Solingen fünf Todesopfer. Am 18. Januar 1996 wurde ein Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Lübeck verübt, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen.
Auch in Bochum gibt es tödliche rechte Gewalt: Josef Anton Gera wurde am 14. Oktober 1997 erschlagen und erlag drei Tage später seinen Verletzungen.
Am 7. Januar 2005 wurde der Geflüchtete Oury Jalloh Opfer eines rassitischen Mordes.
Im März selben Jahres erstoch ein Dortmunder Neonazi den Punker Thomas Schulz.
Bei einem rassistisch motivierten Anschlag in München wurden am 22. Juli 2016 neun Menschen getötet.

Der rechte Terror bleibt auch in jüngster Zeit ein Thema. Am 09. Oktober 2019 versuchte ein extrem rechter Täter eine Synagoge in Halle anzugreifen, was ihm nicht gelang. Daraufhin erschoss er eine unbeteiligte Passantin und kurze Zeit später einen Menschen in einem Dönerimbiss.
Die rasende Entwicklung erreichte am 19. Februar 2020 ihren vorläufigen Höhepunkt. In Hanau wurden neun Menschen in zwei Shishabars erschossen.
Vor knapp zwei Wochen, am 07. April 2020 wurde ein 15-jähriger Junge Opfer rassistischer Gewalt, in dem er von einem Täter angegriffen und niedergestochen wurde. Er kam im Jahr 2015 mit seiner Familie nach Deutschland. Die Familie überlebte den vom Islamischen Staat verübten Genozid an Jezid*innen im Irak.

Wie unbehelligt rechter Terror in Deutschland seinen Schrecken verbreitet, zeigt das Beispiel des NSU.
Zwischen 2000 und 2007 töteten die Terrorist*innen zehn Menschen, begangen drei Sprengstoffanschläge und 43 versuchte Morde sowie 15 Raubüberfälle. Dass im Kampf gegen extrem rechte Gefahr auf den Staat kein Verlass ist, wurde bei den Ermittlungen zum NSU Komplex deutlich, immer wieder wurden seitens des Verfassungsschutzes Akten vernichtet oder wichtiges Beweismaterial und Informationen unterschlagen.
Der NSU Komplex zeigt eindeutig: Der Staat ist auf dem rechten Auge blind.

Wir rufen dazu auf, weitere Gräber im öffentlichen Raum zu errichten.
Erinnern heißt kämpfen!
In Gedenken an die Opfer rassistischer Gewalt in Bochum und Überall!
Antifa 4630

 

Das Video von der Aktion findet ihr hier: https://vimeo.com/409847907

Absage der diesjährigen Vorabenddemo in Bochum

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Rahmen der globalen Pandemie SARS-CoV-2 sehen wir uns gezwungen, die geplante Vorabenddemo am 30. April abzusagen.
Wir haben größten Respekt vor all jenen, die aktuell und auch weiterhin Aktionen planen und Demonstrationen unter den notwendigen Sicherheitsauflagen durchführen. Die Bochumer Vorabenddemo war bisher immer eine Veranstaltung verschiedenster Gruppierungen und breiter Bündnisse. Auch dieses Jahr sollten unter dem Motto “Kämpfe verbinden” unterschiedlichste Akteur*innen zusammenkommen. Wir haben uns nun dazu entschieden, die Demonstration abzusagen, da wir die Sicherheit der Teilnehmenden nicht vollständig gewährleisten können.
Aktuell steigen die weltweiten Zahlen der Infizierten mit Covid-19. Laut WHO sind inzwischen über 1,5 Mio. Menschen mit dem Virus infiziert, über 90.000 sind bereits an der Erkrankung verstorben. Um die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum zu senken, wird es daher auch in den kommenden Wochen – vielleicht sogar Monaten – weiterhin wichtig sein, Abstand zu halten. Für uns heißt das, Verantwortung zu übernehmen und andere Wege zu suchen, unseren Themen Gehör zu verschaffen.
Denn: Unsere Forderungen bleiben weiterhin aktuell! Die kapitalistische Wirtschafts- und Verwertungslogik verhindert ein gutes Leben für uns alle. Gerade in Zeiten der Krise sehen wir, dass dieses System, das auf Konkurrenz statt Solidarität setzt, soziale Ungleichheiten noch weiter verstärkt und keine angemessenen Lösungen auf die vielfältigen aktuellen Probleme bietet. Wir beobachten auch, dass rechte Parteien und Akteur*innen keine Antworten auf globale Krisen haben. Immer mehr zeigt sich, dass sich hinter populistischen Parolen nichts weiter verbirgt, als der Wunsch, die eigene Macht zu steigern. Darüber hinaus beobachten wir aktuell eine massive Einschränkung der Grundrechte und behalten uns vor, diesen entschlossen entgegenzutreten!
Wir setzen uns weiterhin ein gegen jegliche Herrschaftsverhältnisse, Nationalismus und Kaptalismus. Wir stehen solidarisch mit globalen sozialen Kämpfen für eine gerechtere Welt. Daher wird die diesjährige Vorabenddemo nicht ersatzlos ausfallen. Wir arbeiten an einem Konzept, um unsere Standpunkte und die unserer Bündnispartner*innen trotzdem zu verbreiten und werden euch über die weitere Planung auf dem Laufenden halten.

Antifaschistische Aktion Bochum
Antifaschistische Linke Bochum
Antifaschistische Gruppe V

Das Problem heißt Rassismus – Mahnwache in Gedenken an Arkan Hussein Khalaf

Arkan Hussein Khalaf

Am Samstag den 11.04.2020 brachten Antifaschist*innen aus Bochum eine Gedenkmahnwache für den in Celle ermordeten Arkan Hussein Khalaf an. Dazu bauten sie ein Ort des Gedenkens gut sichtbar gegenüber des Bochumer Hauptbahnhofs an.

 

 

 

 

 

Das Problem heißt Rassimus!

Am Abend des 7. April 2020 wurde in Celle der 15-jährige Arkan Hussein Khalaf von einem 29-Jährigen niedergestochen. Der Junge war mit dem Fahrrad unterwegs, als der Täter ihn niederstach. Das Opfer starb noch am selben Abend im Krankenhaus. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft sei das Motiv bisher unklar – der Täter sei zur Tatzeit “verwirrt” gewesen.
Doch Taten wie diese geschehen nicht wie laut Polizei und Presse “aus dem Nichts” heraus! Hinter ihnen steckt ein System und häufig eine krude Ideologie, die es zu benennen gilt: Rassismus.

In Deutschland hat die Einordnung rassistischer Straftaten als bloße Meinungsverschiedenheit oder der Täter*innen als “verwirrte Einzeltäter” lange Tradition:
Über zehn Jahre konnte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) unentdeckt Menschen ermorden. Statt ein rechtes Motiv zu vermuten, wurde lieber gegen migrantische Communities ermittelt. Für die Taten des über hundert Personen starken Netzwerks wurde letztlich eine handvoll Personen belangt.
Im Juni 2019 wurde der CDU-Politiker Walter Lübcke auf seiner eigenen Terrasse erschossen. Auch hier wurde zunächst nicht von einem rassistischen Motiv ausgegangen. Der Täter jedoch ist gut vernetzt in die deutsche Neonazi-Szene und handelte aus Hass auf Geflüchtete und deren Unterstützer*innen. In beiden Fällen sind Teile wichtiger Untersuchungsakten vernichtet worden, sodass eine lückenlose Aufklärung der Beteiligten nicht mehr möglich ist.
Keine zwei Monate ist der terroristische Anschlag im hessischen Hanau her. Der Täter tötete neun Menschen, denen er einen Migrationshintergrund zuschrieb. Auch hier wurde ein rassistisches Motiv zunächst geleugnet und stattdessen über die psychische Stabilität des Täters spekuliert, was von AfD bis Neonazis dankend übernommen wurde. Diese und weitere Beispiele ziehen sich durch die Geschichte der BRD. Rassistische Morde häufen sich – ein echter gesellschaftlicher Aufschrei blieb bisher aus. Nach oberflächerlicher Anteilnahme kehrt Deutschland immer wieder zum Alltagsgeschäft zurück und wartet darauf ,dass der nächste rechte Täter zuschlägt. Minderheiten werden mit Trauer, Wut und Angst nach kürzester Zeit allein zurückgelassen.

Rassismus aber ist keine Meinung und auch keine Krankheit, sondern eine tödliche Ideologie! Die Wahl der Opfer erscheint willkürlich, ist jedoch keinesfalls zufällig: Rassist*innen töten aus Hass auf all jene, die nicht in ihr Weltbild passen wie Migrant*innen, Geflüchtete und Menschen, die sich solidarisch mit diesen zeigen. Häufig verbinden sich mit Rassismus noch weitere extrem rechte Einstellungen und Feindbilder. Dabei ist nicht auszuschließen, dass eine psychische Erkrankung vorliegt. Eine psychische Erkrankung macht Menschen jedoch nicht zu Mörder*innen.
Rassist*innen und andere Rechtsterrorist*innen töten weder aus Verwirrung, noch tun sie es losgelöst von rechten Netzwerken. Ob sie sich in extrem rechten Vereinen, Parteien und Sportgruppen oder auf Social Media und anderen digitalen Kanälen organisieren: Sie alle sind gut vernetzt und brandgefährlich.

Gerade jetzt dürfen wir nicht zulassen, dass die Berichterstattung über und die Beschäftigung mit Covid-19 Ereignisse wie dieses Hassverbrechen überschattet. Rassist*innen warten nicht, bis die Krise vorbei ist. Unsere Solidarität ist jetzt gefragt!
Arkan Hussein Khalaf kam 2015 mit seiner Familie nach Deutschland. Die Familie überlebte den vom Islamischen Staat verübten Genozid an Jezid*innen im Irak. Unser aufrichtiges Beileid gilt den Angehörigen des Verstorbenen. Wir möchten mit dieser stillen Gedenkaktion ein Zeichen setzen – gegen Rassismus und für eine offene und solidarische Gemeinschaft. Zünde auch Du eine Kerze im Gedenken an Opfer von Rassismus und Rechtsterrorismus an und zeige, dass Taten wie diese nicht vergessen werden dürfen!

Englisch:

The problem is called racism!

On the evening of 7th April 2020 the 15 year old Arkan Hussein Khalaf was stabbed by a 29 year old man. The boy was driving home on his bike when the offender stabbed him. The victim died of his injuries in hospital the same evening. Police and prosecution say the motive is still unclear – the perpetrator seamed to be „confused“ during the attack.
But actions like this one don‘t happen, as police and press claim, „out of nowhere“! They have a system and crude ideology that needs to be named: racism.
In Germany, the classification of racist offenses as just a disagreement between two parties or of the racist offenders as „confused single offenders“ has a long tradition:
Over ten years the National-Socialist Underground (NSU) could undetectedly murder people. Instead of suspecting an extreme right motive, migrant communities were suspected first. For the murderous actions of the over a hundred people strong network only a handful of people got prosecuted.
In June 2019 the conservative politician Walter Lübcke was shot in his own patio. No racist motive was suspected either. However, the perpetrator is well networked with the German neonazi-scene and acted out of hatred against refugees and their allies. In both cases relevant parts of the files were destroyed so that a complete clarification is not possible anymore.
Not even two months ago there was a terrorist attack in Hanau, Hesse. The perpetrator killed nine people he ascribed an immigration background to. Even in this case a racist motive was denied firstly and instead, it speculated about the perpetrators mental health, which was thankfully adopted by the AfD and neonazis. These and other instances run through the history of the FRG. Racist murders are becoming more frequent – a genuine outcry of society is still absent. After few superficial condolences the German society soon returns to everday business and is waiting for yet another right-wing attack. Minorities are left with grief, anger and angst.

But racism is no opinion or sickness. It is a deadly ideology! The choice of the victims seems arbitrary, but it is not random: Racists kill out of hatred against all those who don‘t fit into their conception of the world like migrants, refugees or those who stand in solidarity with them. Moreover, racism is often combined with other extreme right attitudes and enemy images. A mental illness is not precluded, but it does not make one a murderer.
Racists and other extreme right terrorists neither kill out of confusion, nor do they kill detached from a right-wing network. Whether organized in right-wing associations, parties, sports groups or on social media and other digital media: they all are well networked and dangerous.

Especially now we should not let the media coverage about Covid-19 overshadow incidents like this hate crime. Racists do not wait until the crisis is over. Our solidarity is demanded now!
Arkan Hussein Khalaf and his family fled to Germany in 2015 after surviving the genocide against Yezidi minority groups in Iraq committed by the Islamic State.
Our thoughts and prayers are with the relatives of the deceased. We want to set an example of silent commemoration for the deceased – and for an anti-racist, open and solidary society. Light a candle in remembrance of the victims of racism and right-wing terrorism and demonstrate that they should never be forgotten!

Ob Lesbos oder Bochum, Corona betrifft uns alle #Leavenoonebehind

An dieser Stelle dokumentieren wir die Protestaktion Bochumer Aktivist*innen, welche auf indymedia veröffentlicht wurde:

„Aktivist*innen aus Bochum befestigten heute (11.04.2020) an einem Baukran eine mit einer Rettungsweste bekleidete lebensgroße Puppe an einem Galgenstrick sowie ein Transparent. Die Aktion soll auf die fehlgeleitete Geflüchtetenpolitik Europas und die katastrophalen Zustände in den Lagern aufmerksam machen.

In der Nacht auf den 11. April 2020 haben Aktivist*innen an einem Kran in Bochum auf der Kronenstraße ein Transparent mit der Botschaft „Ob Lesbos oder Bochum, Corona betrifft uns alle #LeaveNoOnebehind“ befestigt. Gleichzeitig wurde eine lebensgroße Puppe in einer Rettungsweste an einem Galgenstrick am Kran aufgehängt.
Mit der Aktion soll auf die verheerenden Verhältnisse in den türkisch-griechischen Grenzgebieten und den hiesigen Geflüchtetenunterkünften aufmerksam gemacht werden. Die Rettungsweste steht dabei symbolisch für alle Geflüchteten, die unter der menschenverarchtenden Abschottungspolitik der Festung Europa leiden müssen.

Corona trifft uns alle – aber es trifft uns nicht alle gleich!

Derzeitig befinden sich über 20.000 Personen ohne Zugang zu fließendem Wasser oder medizinischer Versorgung im Lager „Moria“ auf der griechischen Insel Lesbos. Das Geflüchtetenlager ist inzwischen – genau wie Sammellager und Geflüchtetenunterkünfte in Deutschland – unter Quarantäne gestellt. Doch wie sollen sich Menschen schützen, die gezwungen sind, auf engstem Raum und unter menschenunwürdigen Bedingungen im Lager auszuharren?

In den Lagern und Unterkünften droht eine humanitäre Katastrophe, die nur durch eine sofortige Evakuierung verhindert werden kann! Statt aber den Menschen zu helfen, feiert sich die Bundesregierung dafür, 50 Minderjährige aus den Lagern aufnehmen zu wollen und auf die Bundesländer zu verteilen. Das macht im Schnitt gerade einmal drei (!) Kinder pro Bundesland!
Eine solche Symbolpolitik ist mehr als beschämend und lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein!

Genug Platz für alle

In Deutschland stehen aufgrund der Schließung von Hotels und Jugendherbergen über 40.000 Betten leer. Es wäre ein Leichtes, nicht nur einen Teil der Geflüchteten aus den europäischen Grenzgebieten aufzunehmen, sondern auch Betten für Menschen aus den hiesigen Unterkünften sowie für Obdachlose bereit zu stellen.
Einige Kommunen gehen hierbei bereits als gutes Beispiel voran. Oberbügermeister Eiskirch versichert: Bochum hat Platz. Wir wollen, dass es nicht bloß bei dieser hohlen Phrase bleibt. Denn es stimmt: Bochum ist eine solidarische Stadt und Bochum hat Platz! Wir schließen uns den Forderungen der Seebrücke an und fordern die Stadt auf, sich verstärkt für die Aufnahme von Geflüchteten und die Unterbringung von besonders gefährdeten Personengruppen einzusetzen.

Kein Mensch darf zurückgelassen werden – leave no one behind!“

Den Artikel auf indymedia findet ihr hier.

Solidarisch gegen Corona – Plakataktion in Bochum

Solidarisch gegen Corona Plakat April 2020

In der vergangenen Nacht haben Bochumer Antifaschist*innen in mehreren Stadtteilen Bochums Plakate mit Forderungen bezüglich der Covid19 Pandemie angebracht. Im Folgenden dokumentieren wir den Inhalt des Plakats.

Solidarisch gegen Corona
Die Corona Pandemie und die Gefahr der Ansteckung lähmt uns, das öffentliche Leben und die sozialen Kämpfe. Auf der anderen Seite lässt diese Ausnahmesituation die vielen ständigen Krisen und Bruchstellen eine kapitalistischen Systems noch offener zutage treten. Trotz aller Einschränkungen und berechtigten Ängste haben wir Forderungen:

Zeigt Solidarität!
Alle sind betroffen, doch einige Menschen trifft die Krise stärker als andere: Obdachlose, Geflüchtete, ältere Menschen und Menschen aus Risikogruppen. Die Zahl der häuslichen Gewalttaten steigt. Supportet die Menschen um euch herum, setzt euch füreinander ein und stärkt euch gegenseitig! Physical Distancing statt Social Distancing!

Materielle Bedürfnisse aller Menschen sicherstellen!
Gerade in dieser globalen Krise, in denen Einzelhandel und die Gastronomie geschlossen haben, verlieren besonders Menschen im Niedriglohnsektor ihre Arbeit und Existenzgrundlage. Diese Menschen benötigen eine materielle und soziale Absicherung! Auch nach der Pandemie gilt: eine persönliche Krise kann jederzeit jeden Menschen treffen.

Mietenstopp und günstigen Wohnraum!
Da viele Menschen in Geldnot geraten oder Schulden aufnehmen, fordern wir einen Mietenstopp und die sofortige Aussetzung von Zwangsräumungen! Wohnen ist ein Menschenrecht! Dies gilt verschärft in Zeiten der Pandemie – aber auch danach: jeder Mensch muss braucht einen Wohn- und Schutzraum, unabhängig vom Einkommen.

Gleiche gute gesundheitliche Versorgung für Alle!
Corona kann jede*n treffen. Das Virus macht nicht Halt an nationalen Grenzen und kann Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter oder sozialem Status infizieren. Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und alle anderen Diskriminierungsformen versuchen die Menschheit zu spalten. Jedoch: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Alle verdienen dieselbe Gesundheitsvorsorge. Gesundheitliche Behandlungen dürfen niemals neoliberalen Prämissen unterworfen werden. Für ein gemeinwohlorientiertes und bedarfsgerechtes Gesundheitssystem! Gesundheit ist keine Ware! Gehaltserhöhung und gute Arbeitsbedingungen für Pfleger*innen und Ärzte statt Applaus!

Denunuziert keine anderen Menschen!
Meldet keine Menschen bei der Polizei, wenn diese sich draußen bewegen. Es kann immer Gründe geben, warum sich Menschen draußen aufhalten, sei es nun der Weg zum Einkauf, Suchtproblematiken oder Obdachlosigkeit. Lassen wir die Angst vor dem Virus nicht dazu führen, das soziale Leben durch Misstrauen zerstört wird. Haltet Distanz, räumlich aber nicht menschlich! Sei kein Bulle!

Freiheiten und Grunderechte verteidigen!
Derzeit werden viele unserer erkämpften Freiheiten eingeschränkt. Ausgangs-, Kontaktsperren und Versammlungsverbote mögen in Zeiten einer Pandemie notwendig und richtig sein. Wir sollten allerdings sehr wachsam sein, ob diese Maßnahmen tatsächlich notwendig und zielführend sind – und bei einer Entspannung der Situation auch umgehend zurückgenommen werden. Ein repressiver, autoritärer Staat muss verhindert werden!

Solidarität mit den Geflüchteten!
An den europäischen Außengrenzen leben gerade unzählige geflüchtete Menschen unter katastrophalen Bedingungen, die durch die herrschende Pandemie nur noch verschlimmert werden. Die EU lässt diese Menschen im Stich oder hindert sie gar mit Gewalt an einem Grenzübertritt. Vergesst diese Menschen nicht und setzt euch weiter für die Aufnahme von Geflüchteten ein – Refugees Welcome!
#BochumHatPlatz #LeaveNoOneBehind

Kämpft weiter und bleibt gesund!
Bleibt auf dem Laufenden, was neben Corona gerade passiert. Lasst staatliche Einschränkungen nicht unhinterfragt! Vernetzt euch und beschreitet neue Wege für Kommunikation und politischen Aktivismus! Stellt Forderungen und lasst uns diese Krise als Chance für den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft nutzen!

Wenn ihr selbst aktiv werden wollt und unsere Forderungen teilt, druckt euch das Plakat selber aus und verbreitet es:

Die PDF steht euch hier zum Download zur Verfügung: #CoronaSolidarität

Antifa 4630

Einige Eindrücke:

Der Ruhraufstand feiert sein 100-jähriges Jubiläum!

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Arbeiter*innenkampfes im Ruhrgebiet haben wir ins als Bochumer Antifaschist*innen mit dem Zeitgeschehen auseinander gesetzt. Dabei haben wir die geschichtlichen aufgearbeitet und uns zugleich gefragt, welche Relevanz die Kämpfe von damals für uns heute haben. Herausgekommen ist dabei eine Broschüre, die wir aufgrund der aktuellen Situation für euch aufgesprochen haben. RadioNordpol Dortmund hat die Aufzeichnung für uns veröffentlicht.

Den Audioaufzeichnung findet ihr unter:

100 Jahre Ruhraufstand

Und unter:
https://www.freie-radios.net/101370

100 Jahre Ruhraufstand – Broschüre 2020

Vorwort
Die vorliegende Broschüre erinnert an die Ereignisse im Ruhrgebiet vor 100 Jahren. Wir möchten damit den Ruhraufstand, der vom 13. März bis 12. April 1920 andauerte, zurück in das kollektive Gedächtnis bringen. Vor 100 Jahren tobten schwere Kämpfe im Ruhrgebiet. Doch die Geschichte beginnt woanders, denn zunächst hatten die rechten Kapp-Putschisten am 13. März 1920 die SPD-Regierung in Berlin zur Flucht gezwungen. Konsequenterweise stellten sich diesmal Sozialdemokrat*innen, Gewerkschaften und Kommunist*innen geschlossen gegen diesen reaktionären Versuch der Machtübernahme und traten in den größten Generalstreik der deutschen Geschichte. Die Bedingungen für die Arbeiter*innen und ihre Familien im Ruhrgebiet war zu dieser Zeit von unvorstellbaren Entbehrungen, harter Arbeit und einer für Mensch und Natur dystopischen Umgebung geprägt. Es bestand eine massive Kluft zwischen einer reichen, elitären Oberschicht und der Masse der Arbeiter*innen. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit brutaler Polizeigewalt bei vorangegangenen Arbeiter*innenkämpfen organisierten sich die Arbeiter*innen im Ruhrgebiet und bewaffneten sich. Aus losen Zusammenhängen, die in Stadtteilen, Stahlwerken oder Zechen organisiert waren, erwuchs die Rote Ruhrarmee. Doch nicht nur der Widerstand wurde organisiert, sondern auch das Politische; und so war das Ruhrgebiet in dieser Zeit fest in der Hand linker Kräfte. Die Elite-treue Reichswehr, die Polizei und die rechten Freikorps waren vertrieben. Dies war den Eliten aus Politik, Militär und Industrie natürlich ein Dorn im Auge und insbesondere den adeligen Militärgenerälen schmerzte die Niederlage an Rhein und Ruhr. Nachdem der Kapp-Putsch nach 100 Stunden bereits geschlagen war setzten Verhandlungen ein und Regierung und Militär wollten die alte Ordnung wieder herstellen. Schließlich ignorierten Reichswehr und rechte Freikorps, die bereits Hakenkreuze am Helm trugen, jegliche Verhandlungen und Abkommen und griffen die sich in Auflösung befindlichen Einheiten der Roten Ruhrarmee an. Sie übten im April 1920 brutale Vergeltung an Arbeiter*innen und ermordeten Hunderte von ihnen.

Vor 100 Jahren war alles anders?! Nein, nicht alles!

Dieser Monat des Widerstandes mit all seinen Begleitumständen ist für uns aus der Retroperspektive lehrreich und weist Kontinuitäten auf, auch wenn die gesellschaftlichen Umstände und die Härte der Auseinandersetzungen in ihrem historischen Kontext gesehen werden müssen. Das Ruhrgebiet ist heute ein anderes, die Gesellschaft hat sich ausdifferenziert, Demokratisierungsprozesse haben eingesetzt und soziale Kämpfe werden im Deutschland des 21. Jahrhunderts nicht mehr bewaffnet geführt. Auf der anderen Seite hat der bereits damals brutalen radikale Neoliberalismus nichts von seiner Rücksichtslosigkeit eingebüßt, lassen sich in der Parteienlandschaft Ähnlichkeiten erkennen und bestehen alte Bündnisse weiterhin fort, wenn auch weniger sichtbar. Wir als Linke stehen selbstverständlich an der Seite der Unterdrückten, weshalb wir uns auch heute positiv auf den Ruhraufstand beziehen. Ausgebeutete Arbeiter*innen nahmen ihr elendes Schicksal nicht länger hin und bäumten sich gegen Fabrikbesitzer und Industrielle auf. Heute sind diese Kämpfe global und das Schicksal der Ruhrgebietsarbeiter*innen hat mittlerweile die Arbeiter*innen des globalen Südens erreicht. Wir nehmen ebenfalls zur Kenntnis, dass nur die Organisation des Widerstandes zu dem, wenn auch kurzfristigen Erfolg des Ruhraufstandes führte. Die entscheidende Lehre aus dieser Zeit ist jedoch, dass die Strukturen im Kapitalismus fortbestehen: oben gegen unten, reich gegen arm, rechts gegen links. Die Ereignisse im Frühjahr 1920 verdeutlichen, dass sich im Ernstfall die unvereinbaren Gegensätze der Gesellschaft polarisieren. Die Profiteure von Ausbeutung und Unterdrückung verbinden sich mit rechten Parteien und Militärs, um das System aufrecht zu erhalten. Einen ersten Vorgeschmack dieser Verbindung gaben uns bereits FDP, CDU und AfD in Thüringen. Das Parteiprogramm der AfD verdeutlicht dies abermals, indem wirtschaftsfreundliche Maßnahmen angedacht sind, während im Bereich Sozial- und Rentenleistungen massive Kürzungen vorgeschlagen werden. Die Sympathien zwischen Wirtschaftsliberalen und Extremer Rechter sind also nur konsequent. Wir hingegen müssen damals wie heute an der Seite der Unterdrückten, Marginalisierten und Diskriminierten stehen und gegen die um sich greifenden gesellschaftlichen Verrohungstendenzen aufstehen

In diesem Sinne: Es lebe die Rote Ruhrarmee!

Antifaschistische Linke Bochum,
März 2020

 

 

100 Jahre Ruhrwiderstand

Im März 1920, also vor 100 Jahre entstand in den Städten des Ruhrgebiets die „Rote Ruhrarmee“,die zeitweise rund 100.000 Bewafnnete zählte.
Zunächst verteidigte diese bewaffneten Einheiten die Städte des Ruhrgebiets und deren Arbeiter vor den reaktionären Militärs des Kapp-Putsches.
Nach der Niederschlagung des rechten Putsches, der maßgeblich durch die Rote Ruhrarmee gelang, forderten die Arbeiter mehr Rechte und grundlegende, progressive Änderungen in Staat und Militär. Schon während dieser Tage versuchte die Arbeiterschaft des Ruhrgebiets ihr hartes, entbehrungsreiches Leben neu zu strukturieren, besser zu machen. Die sogenannte „März- Revolution“ scheiterte aber schließlich an der brutalen und beispiellose Niederschagung durch die Reichswehr und die schändliche Rolle der SPD.

Kapp-Lüttwitz-Ludendorf-Putsch

Am Moren des 13. März 1920 marschierte die berüchtigte Marinebrigade Ehrhardt von Döberitz unter den schwarz-weiß-roten Fahnen des Kaiserreiches und mit aufgemalten Hakenkreuzen an den Stahlhelmen nach Berlin und besetzte das Regierungsviertel in der Wilhelmstraße.
Die beiden Rechtsparteien im Reichstag (DNVP und DVP) sowie zahlreiche bürgerliche Politiker unterstützten den Putsch oder ließen ihre Sympathien erkennen. Viele warteten die weitere Entwicklung ab. Der Staatsstreich löste in allen Teilen Deutschlands heftige Reaktionen aus.
Die Aufrufe der Gewerkschaften zum Generalstreik verbreiteten sich rasch und fanden große Resonanz. Kurz vor ihrer Flucht aus Berlin veröffentlichte die SPD-Regierungsmitglieder und der SPD-Vorsitzende Wels einen außergewöhnlich scharf gehaltenen Aufruf zum Generalstreik.
Der Generalstreik, der am Montagmorgen des 15. März mit voller Wucht einsetzte, legte überall in Deutschland Produktion, Verwaltungen und Verkehr lahm. Insgesamt streikten über 12 Millionen Arbeiter und Angestellte.
Übereinstimmend werten Historiker diesen Generalstreik als den größten Massenstreik, den es je in Deutschland gegeben hat.

Widerstand im Ruhrgebiet

In Westen stellten sich mehrere Truppenteile der Reichswehr ganz offen hinter die rechte Putsch-Regierung und zeigten dies noch am 13. März mit dem demonstrativen Hissen der alten Reichsflagge „Schwarz-Weiß-Rot” in ihren Kasernen.
Umfangreichen Truppenbewegungen und Zugtransporte mit Kriegsgerät machten den Arbeiter*innen im Ruhrgebiet schnell deutlich, was die rechten Putschisten vor hatten. Die Truppentransporte lösten daher überall große Unruhen aus und die Bahnhöfe, die sie passierten, wurden zu ersten Kristallisationspunkten des beginnenden Kampfes. Schon am 14./15. März 1920 kam es deshalb in Hamborn, Annen, Werden, Unna/Kamen und Velbert/Wülfrath zu ersten bewaffneten Zusammenstößen und Kämpfen. Die Entscheidung brachten tagelange und blutige Kämpfe in Essen und Remscheid am 18./19. März, an denen Arbeiterwehren und lose Einheiten von Arbeiter*innen eingriffen.
Die Arbeiter*innen die bereits im ersten Weltkrieg viel Fronterfahrung sammeln konnten, schlugen durch ihr schnelles Handeln die Reaktion zurück.
Nach den Erfolgen der Arbeiterwehren in Wetter und Dortmund hatte sich im Dreieck Hagen – Dortmund – Bochum das Zentrum der Aufstandsbewegung formiert, deren Zentrale sich in Hagen befand. In Marl entstand zu diesem Zeitpunkt die Kampfzentrale der Bochumer Arbeiterwehr.

Rote Ruhrarmee

Nach den siegreichen Kämpfen der Arbeiterwehren und dem Rückzug des Militärs war eine Situation geschaffen, wie sie bisher im Verlauf des Widerstandes nirgends erreicht worden war. Der Begriff Rote Ruhrarmee, in Remscheid entstanden, wurde nun zum Inbegriff der bewaffneten Kräfte der Arbeiter*innen. Auf großen Konferenzen der Arbeiterräte wurde jetzt der Aufbau von Verwaltungsstrukturen ebenso diskutiert wie die Unterstützung der Roten Ruhrarmee und die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung an Rhein und Ruhr.

Ende des Kapp-Lüttwitz-Putsches

Der Kapp-Lüttwitz-Putsch war am 18. März 1920 durch den Generalstreik und die bewaffneten Aktionen des Proletariats im RW-Industriegebiet, in Mitteldeutschland und in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich beendet worden.
Kaum waren die Putschisten verjagt, verlangte die Regierung von der Arbeiterschaft die Entwaffnung der Roten Ruhrarmee. Doch die Arbeiterräte und die Gewerkschaften wollten mehr Rechte, mehr politischen und mehr sozialen Einfluss, die Umwandlung der nationalistisch/monarchistisch geprägten Reichswehr und der paramilitärischen Einheiten in eine Volksarmee. Die selbstbewussten Arbeiter*innen an Rhein und Ruhr hatten ihre Lektion gelernt. Die Ablehnung der Forderung der Reichsregierung hatte zur Folge, dass Lebensmittellieferungen in das Ruhrgebiet unterbrochen wurden, die Reichsbank den Zahlungsverkehr mit dem Ruhrgebiet einstellte und Militär aus Süd- und Ostdeutschland in das Münsterland und Ostwestfalen beordert wurde.

Einmarsch der Reichswehr ins Ruhrgebiet

Nach dem Scheitern der Versuche der Gewerkschaften die Bildung einer „Arbeiterregierung“ herbeizuführen und aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Abteilungen der Arbeiterbewegung zur Einschätzung der Lage riefen die Gewerkschaften zum Ende des Generalstreiks auf. Auch die „Bielefelder Verhandlungen“ (23./24. März 1920) blieben ohne Erfolg, da die Reichswehr diese ablehnten und die Regierung Versprechungen machte aber keine Garantien abgeben wollte.

Weitere Verhandlungen in Münster beendete die Reichswehr mit einem unerfüllbaren Ultimatum zur Abgabe der Waffen der Roten Armee. Schon vor dessen Ablauf begannen die Reichswehr und die ihr unterstellten extrem rechten Freikorps ab dem 28. März mit den Vormarsch in das Ruhrgebiet. Südlich von Wesel, Haltern und Lünen/Hamm setzten aus ganz Deutschland zusammengezogene Truppen über die Lippe und überrannten Stellungen der Roten Ruhrarmee. Es waren zum überwiegenden Teil die gleichen Truppen, die den Putsch aktiv unterstützt oder ihn gebilligt hatten. Die Clique aus Monarchisten, Militärs und Industriellen holte mit Rückendeckung der Regierung zum Gegenschlag aus. Innerhalb von wenigen Tagen wurde das Ruhrgebiet besetzt. Der Vormarsch der Reichswehr ging einher mit Razzien in Arbeitersiedlungen, tausenden Festnahmen, willkürlichen Erschießungen und der Einrichtung von Sonder- und Standgerichte. In den ersten Apriltagen zerfiel die Rote Ruhrarmee. Verstreute Einheiten lieferten der Reichswehr noch bis zum 6. April kleinere Gefechte, dann war der Kampf beendet.

Nun folgte der »weiße Terror«. Die Schmach der Niederlage im 1. Weltkrieg, die Wut über den Sturz der Monarchie und die Errichtung der Republik ließen die Reichswehr Verbrechen begehen, die bis heute erschüttern und kaum fassbar sind. Die Freikorps- und Regierungstruppen, die im Dienste der SPD-Regierung die Rote Ruhrarmee besiegt hatten, nahmen in brutaler Weise Rache an ihren Gegnern. Aus den Siedlungen und Wohnungen heraus wurden wahllos Männer verhaftet; man riß ihnen das Hemd vom Leibe, jeder der eine Druckstelle an der Schulter hatte, musste also ein Gewehr getragen haben und wurde sofort erschossen. Auch Mädchen und Frauen, die sich der Roten Ruhrarmee als Sanitäterinnen oder Küchenhilfen zur Verfügung gestellt hatten, wurden in Racheaktionen ermordet. Die Leichen wurden – oft namenlos – in Massengräbern bestattet. Aus Kreisen der Arbeiterschaft und der Angehörigen wurden Gedenksteine und Ehrengräber angelegt, die jedoch vielfach in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört wurden.

In Bochum findet eine jährlich Gedenkveranstaltung statt. Einige Ehrengräber und Gedenksteine haben diese Zeit jedoch überstanden und sind einen Besuch wert:

  • Ehrengrab auf dem Friedhof Wiescherstraße in Herne
  • Gedenkstein auf dem ehemaligen Friedhof, jetzt Park Dannenbaumstraße in Bochum-Laer
  • Gedenkstein auf dem Friedhof in Bochum-Werne
  • Gedenktafeln aus den 1930er und 1980er Jahren am Wasserturm am Steeler Berg in Essen
  • Gedenktafel auf dem Südwestfriedhof Essen
  • Mahnmal auf dem Friedhof Horst-Süd in Gelsenkirchen
  • Ehrengrab auf dem Westfriedhof in Oberhausen
  • Mahnmal für die ermordeten Arbeiter der Roten Ruhrarmee auf dem Nordfriedhof in Dortmund
  • Ehrengrab auf dem Friedhof Duisburg-Walsum
  • Ehrengrab mit Statue auf dem Rembergfriedhof in Hagen
  • Gedenktafel am Bahnhof der Stadt Wetter (Ruhr) für die dortigen Kämpfe (seit 1987)
  • Ehrengrab in Witten-Bommern
  • Ehrengrab für einen Arbeiterkämpfer in Wengern
  • Gedenktafel am Ort von Erschießungen in Pelkum
  • Ehrengrab auf dem Friedhof Pelkum

Weiterhin haben wir anlässlich des 100 jährigen Jubiläums des Ruhraufstand Shirts entworfen, die ihr, sobald es wieder möglich ist, bei Veranstaltungen erwerben könnt. Weiterhin danken wir dem Druckkollektiv Unterdruck  aus Dortmund, welches uns beim Druck der Broschüre unterstützt hat.

In Erinnerung an Thomas Schulz

Heute jährt sich der Todestag von Thomas „Schmuddel“ Schulz zum 15. mal.
Der Punker wurde 2005 in Dortmund vom damals 17-jährigen Neonazi Sven Kahlin mit einem Messerstich ins Herz ermordet, nachdem er den Neonazi für rechte Sprüche zur Rede stellte. Sven Kahlin beging auch nach seiner 5-jährigen Haft weitere Gewalttaten gegen Linke, ist weiterhin Teil der Rechten Szene in Dortmund und wird, genau wie seine Tat, von dieser bis heute offen gefeiert!

Doch nichts uns niemand ist vergessen!
In Erinnerung an Thomas Schulz & alle anderen Opfer rechter Gewalt!

Antifaschistische Aktion Bochum
Antifaschistische Linke Bochum

am 28. März 2020

(https://aa170.noblogs.org/post/2020/03/28/2621/)