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Bochumer Hooligans an Nazi-Krawallen in Köln beteiligt

Rechtsruck in der VFL-Fanszene

Unter dem Motto „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) fand am vergangenen Sonntag der größte Naziaufmarsch mit Ausschreitungen und Übergriffen in Deutschland seit Jahren statt. Wie antifaschistische Recherchen belegen, war die Hooligan-Gruppe „Brigade Bochum“ nicht nur mit dabei, sondern ist bereits seit Monaten intensiv am Aufbau von „HoGeSa“ beteiligt.

Am Sonntag, 26. Oktober 2014, hatte „HoGeSa“ – ein Zusammenschuss rechter Hooligans zu einer vermeintlichen Demonstration „gegen Salafisten“ aufgerufen, an der nicht nur rechtsoffene Fußballfans aus ganz Deutschland sondern auch organisierte Neonazis aller Coleur teilnamen. Wenige Minuten nach Beginn der Demonstration lieferte sich der rechte Mob Straßenschlachten mit der Polizei, welche die Situation im Gegensatz zu antifaschistischen Gruppen aus Köln völlig falsch eingeschätzt hatte. Letztere hatten zusammen mit kurdischen Genoss*innen eine – allerdings zahlenmäßig unterlegene – Gegenkundgebung organisiert und sich auf den notwendigen Schutz linker Zentren in Köln konzentriert. Im Verlauf des Abends kam es nicht nur in Köln, sondern auch an mehreren Bahnhöfen weiterer Städte zu Angriffen auf Linke und Migrant*innen.

v. l. n. r.: Andreas Kraul aus Herne (Veranstaltungsleiter in Köln, HoGeSa Regionalleiter West), Thorsten Sallay (Brigade Bochum, WDsnt-Forumsadmin), Olaf 'Ole' Plachetka (WDsnt-Forum, Betreiber des 'Alibi', Brigade Bochum, Gremium MC)

Eine vereinte Rechte?

Unter den etwa 5.000 Teilnehmer*innen des Aufmarschs waren rechte Hooligans „alter Schule“, vereint mit Neonazis von der NPD sowie „Die Rechte“, German Defense League (GDL), Identitäre (IB) bis hin zu Pro-NRW Mitgliedern. Auch die Rechtsrockband „Kategorie C“ war vertreten und hatte im Vorfeld mit der Veröffentlichung des Songs „Hooligans gegen Salafisten“ zum Hype beigetragen. „HoGeSa“ muss somit als rechte Sammelbewegung begriffen werden, die zwar (noch) nicht über gefestigte Strukturen verfügt und schnell wieder von der Bildfläche verschwinden kann, sich aber momentan als mobilisierungsfähigste Kraft des rechten Spektrums erweist.

v. l. n. r.: Michael Koslowski aus Dortmund (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Christoph Schwarzer aus Castrop-Rauxel (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Kim Vogelhofer aus Herne (WDsnt-Forum, Brigade Bochum), Brian Dahl aus Herne (WDsnt-Forum, First Class Herne)

Versammlungsleiter „Kalle“ aus Herne

Angemeldet wurde der Aufmarsch von Pro NRW-Funktionär Dominik Roeseler. Nach internen Streitigkeiten und Angst um das Image der rassistischen Kleinpartei wurde die Versammlungsleitung an Andreas “Kalle Gabowski” Kraul übergeben. Kraul, der das Studio „Tattoo by Kalle“ und eine Motorradwerkstatt in der Bochumerstr. 178 in Herne betreibt, hatte sich bereits als HoGeSa-Sprecher bei Zusammentreffen in Essen und Dortmund hervorgetan und gilt als „HoGeSa Regionalleiter West“. Update: Andreas Kraul hat angekündigt, sich vollständig aus HogeSa zurückzuziehen. Inwieweit dies ernst gemeint ist, wird sich beim HoGeSa-Aufmarsch am 15. November in Hannover zeigen.

Entstehung von „HoGeSa“

Die rechte Sammelbewegung „HoGeSa“ kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Hinter „HoGeSa“ steckt die (interne) Facebook-Gruppe „Weil Deutsche sich`s noch trau`n“ (WDsnt), ein Zusammenschluss von eigentlich untereinander verfeindeten Hooligan-Gruppen die sich für die „gemeinsame Sache“ zusammengetan hatten. Als erste gemeinsame Aktion war die Störung eine Kundgebung des Salafisten Pierre Vogel am 08.02.2014 in Mönchengladbach. Hier versuchten etwa 150 Hooligans und GDL-Aktivisten mit Feuerwerkskörpern und Flaschenwürfen zur salafistischen Kundgebung vorzudringen.

v. l. n. r.: Christian Kosien (WDsnt-Forum, Brigade Bochum, Black Seven MC), Dirk Matusiak (WDsnt-Forum, Brigade Bochum), Matthias Wilde (WDsnt-Forum, Brigade Bochum), Roger Petry (WDsnt-Forum, Brigade Bochum)

Die „Brigade Bochum“ – Ein „unpolitischer“ Zusammenhang?

Federführend mit dabei war die Bochumer Hooligan-Truppe „Brigade Bochum„. In dem internen Forum, über das sich die Hooligans koordinierten stellte sie mit etwa zwei Dutzend Teilnehmer*innen die größte Gruppe. Die Mitglieder der Brigade scheinen dabei weitgehend personalidentisch mit dem Bochumer Chapter des „Gremium MC“, einem bundesweit agierenden Rockerclub. Im März 2014 war die Brigade aufgefallen, als sie ein Video mit einem in Deutschland indizierten Leitspruch der damaligen Waffen-SS in Kombination mit dem Totenkopf veröffentlichte. Die Brigade gibt sich gerne als „unpolitisch“, doch bereits das Auftreten ihrer Mitglieder, z.B. durch Tragen der Neonazi-Marke „Thor Steinar“, die in vielen Stadien verboten ist, zeigt dass diese oft mehr als nur „rechtsoffen“ sind.

Eine ernst gemeinte Abgrenzung von Neonazis fällt schwer, und ist auch nicht wirklich gewollt. Im Vorfeld der Kölner Ausschreitungen signalisierte HoGeSa der NPD und der Nazipartei „Die Rechte“, dass sie willkommen seien, doch aber bitte auf allzu eindeutige Symbolik verzichten sollten. Ronny Radike bringt den politischen Eiertanz seinen Facebook-Beiträgen auf den Punkt: „Dies ist keine Gruppe für Nazis die in der Vergangenheit leben. Dies sollte wohl für national denkende deutsche seien die die Zukunft dieses Landes sichern wollen“ und Volk steh auf und Sturm bricht los.“ So ist es nicht verwunderlich, dass ein Mitglied der Brigade Bochum im internen Forum indizierte Songs der Ein-Mann-Naziband „Division Germania“ aus Mönchengladbach postet und dafür Zuspruch ernet.

Federführend beim Aufau von HoGeSa war Brigadenmitglied Thorsten Sallay, einem der Administratoren des Forums. Er fühlte sich für Gruppenlogos und T-Shirts des Zusammenhangs verantwortlich und hat ein Faible für Schweineblut gegen Salafisten. Der Bochumer Brigadist Olaf Kutschowitz schlägt hingegen andere Methoden vor: „Zalafistenbärte weg mit einen Brenner“. Auch im HoGeSa-Aufbauforum aktiv ist Olaf „Ole“ Plachetka, der die „Alibi Sportsbar“ am Werner Hellweg 543 und das Studio „Tatort Tattoo & Piercing“ in der Laerfeldstr. 27A betreibt. Das Alibi dient der Brigade Bochum als Vereinsheim und war bereits in der Vergangenheit bereits als Treffpunkt rechtsoffenen Clients aufgefallen. (Update November 2014: Die Brigade hat mittlerweile in der Karl-Lange-Str. 53 eigene Räumlichkeiten angemietet). Weitere Unterstützung bekommt die Brigade Bochum bei gemeinsamen HoGeSa-Aktionen von der befreundeten Hooligan-Truppe „First Class Herne“.

v. l. n. r.: Frank Kunigk (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Frank Tietz (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Ronny Radike (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Dirk Korneffel (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum)

Hooligan-Laden an der Herner Straße

Ein weiterer Bochumer HoGeSa-Akteur, der wahrscheinlich nicht direkt zum Brigade-Umfeld gehören dürfte, ist David Janzen-Kwasny. Er ist Betreiber eines Hooligan-Versandhandels mit Ladenlokalen in Bochum und Hagen. Janzen-Kwasny hat sich zwar von rechtem Gedenktengut distanziert, allerdings hält sich die Glaubwürdigkeit aufgrund einer Kooperation mit Neonazis oder zumindest einer Akzeptanz gemeinsamer Aktionen mit solchen in Grenzen. Auch arbeitete der ehemalige Betreiber des Bochumer Thor Steinar Ladens „Goliath“ (2006-2007), Thorsten Kellerhoff, für Janzen-Kwasny in dessen Hagener Filiale. Update: David Janzen-Kwasny hat glaubwürdig gemacht, nicht aktiv an HoGeSa beteiligt zu sein und sich mittlerweile öffentlich, auch in Hooligan-Kreisen, von rechtem Gedankengut distanziert.

v. l. n. r.: Thomas Blank (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Thomas Schmidt (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum), Timo Bednarzik (WDsnt-Forum, Hool-Szene Bochum)

VfL muss Konsequenzen ziehen

Am 22.03.2014 erklärte VfL-Vereinssprecher Christian Schönhals gegenüber dem WDR, dass die „Brigade Bochum“, die immernoch offiziell als VfL-Fanclub geführt wird, sich „nicht mehr viele Verfehlungen erlauben“ dürfe. Spätestens nach dem letzten Wochenende ist es für den VfL Zeit zu reagieren. Weiterhin ist uns bekannt, dass es auch Fangruppen innerhalb der Bochumer Fan- und Ultraszene gibt die sich klar von Nazis distanzieren und kein Bock auf diese in ihrer Kurve haben. Wir hoffen, dass dies auch weiterhin so bleibt. Nicht-rechte Fussballfans aus Bo-Werne sollten sich überlegen, ob sie ihr Bierchen weiterhin im „Albibi“ trinken. Update: Laut DerWesten kann der VfL sich auch weiterhin nicht dazu durchringen, der Brigade Bochum den Status eines Fanclubs abzuerkennen. Dafür gab eine Banner-Aktion von Fusballfans im Stadtion: „Gegen Stumpfsinn im Namen des Fußballs“.

Gegen menschenverachtende Ideologien wie Neonazismus und Salafismus! Für eine freie Gesellschaft!

Weitere Informationen im AIB: „Patriotisches Menschenmaterial“ – Eine Analyse und Hintergründe der extrem rechten HoGeSa-Vorläufer Facebook-Gruppe „Weil Deutsche sich’s noch trau’n!“

Antifa startet Infoportal zur extremen Rechten

Pünktlich zur heißen Phase des Europa- und Kommunalwahlkampf haben Bochumer Antifaschist*innen ein Informationsportal online geschaltet, um über Neonazis und deren Umtriebe zu informieren. Das “Antifa Recherche Patchwork” ist eine Art “Meta-Rechercheseite”. Ziel des Projekts ist die Bündelung, Dokumentation und Visualisierung von Akteuren und Aktivitäten der extremen Rechten in Bochum. Dazu werden aus unterschiedlichen Internetquellen Informationen zusammengetragen. Diese Daten sind nach Ort bzw. Datum sortier- und filterbar und können auf einer Karte angezeigt werden.

Aggregation, Dokumentation und Visualisierung von extrem rechten Akteuren und Umtrieben

Das Projekt soll dazu beitragen, aktive Neonazis in Bochum öffentlich sichtbar zu machen und einen Überblick über ihre regionalen Aktivitäten zu erlangen sowie diese für alle Interessierten zugänglich zu machen. Betrieben wird das Patchwork von einem Zusammenschluss aus Einzelpersonen, die es der Öffentlichkeit leichter machen möchten, Nazis in ihrer Umgebung zu identifizieren. Nicht alle Nazis, die auf dieser Seite aufgeführt werden, leben in Bochum. Jedoch wirken sie hier oder haben hier ihren Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplatz. Das Datum der Veröffentlichung ist nicht zufällig gewählt, denn zur Europa- und Kommunalwahl wird die extreme Rechte wieder vermehrt aktiv werden.

“Es gibt in Bochum verschiedene antifaschistische Initiativen und Einzelpersonen, aber auch kritische Journalist*innen, die über Naziumtriebe aufklären. Oft gehen diese Informationen leider in den Weiten des Interwebs unter. Unser Anliegen ist es deshalb, die verfügbaren Daten zu bündeln. Wir fügen hierzu ausschließlich bereits im Netz vorhandene Informationen zusammen, daher der Name ‚Patchwork‘.” erklärt Claudia Behrens, Pressesprecherin des Projektes.

Hier können sich auch Menschen über die extreme Rechte informieren, die bisher nicht wussten wo überall Informationen zu finden sind, wer die stadtbekannten Neonazis in Bochum sind und was sie in den letzten Jahren verbrochen haben. Naziaktivitäten werden in chronologischer Form sowie auf einer Bochum-Karte dokumentiert. Auf diese Art können rechte Umtriebe beliebig sortiert und gefiltert werden, etwa nach Stadtteil “Langendreer” oder nach Typ “Übergriff”. Die Daten gehen bis Anfang 2010 zurück.

“Gerade in Zeiten des Wahlkampfs wird die extreme Rechte vermehrt versuchen, mit Infoständen und weiteren Aktionen in die Öffentlichkeit zu treten. Wir zeigen dass wir ein Auge auf sie haben.” so Claudia Behrens weiter.

Das ehrenamtlich betriebene Infoportal kann dabei selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Etwa die “Grauen Wölfe” oder die latent rechtspopulistische “AfD” finden hier bisher keine Berücksichtigung. Das Projekt kann und soll antifaschistische Recherche-Arbeit vor Ort auch nicht ersetzten, sondern viel mehr ergänzen. Es lebt vom Mitmachen, Hinweise auf Naziaktivitäten sind stets willkommen.

Das “Antifa Recherche Patchwork” ist unter folgender Adresse erreichbar: recherche-bochum.tk

Nachbarschaftsinitiative outet Pro-NRW-Aktivist Francis Marin

Laut Linksunten wurde der Pro-NRW-Aktivist Francis Marin in seiner Nachbarschaft in Bo-Riemke geoutet. Aus do­ku­men­ta­ri­schen Gründen möch­ten wir den Artikel der Nachbarschaftsinitiative „Riemke gegen Rechts“ auf un­se­rem Blog fest­hal­ten:

Pro-NRW Parteifunktionär Francis Marin, Vorm Gruthoff 10, 44807 Bochum

»Achtung: Extrem rechte Umtriebe in unserer Straße!

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn,

Habt ihr euch auch gefragt, woher auf einmal die ganzen rassistischen Plakate kommen, die in den letzten Tagen in Riemke aufgetaucht sind? Die Antwort ist Francis Marin, der in unserer Straße wohnt und hier Propaganda für die extrem rechte Partei „Pro-NRW“ verbreitet.

Francis Marin ist seit einiger Zeit Mitglied der vom NRW-Innenministerium als verfassungsfeindlich eingestuften Partei und kandidiert auch für die Kommunalwahl. Der 28-jährige Sterilisationsassistent gilt als die Nummer 2 im Bochumer Kreisvorstand. Am vergangenen Samstag, 3. Mai, organisierte er eine rechte Hetzkundgebung auf dem Husemannplatz und trat dort als Redner auf.

„Pro NRW“, die Partei, die sich selbst „Bürgerbewegung“ nennt, wurde 2007 gegründet. Sie ist keine Bürgerinitiative im üblichen Sinne, sondern der Versuch ein extrem rechtes Parteiprojekt mit diesem Label zu tarnen.

„Pro NRW“ sammelt die Enttäuschten und Gescheiterten aus anderen rechten Parteien – etwa ehemalige NPD-Kader – ein. Das Hauptthema im Wahlkampf von „Pro NRW“ ist momentan die Hetze gegen AsylbewerberInnen, die als „Betrüger“ diffamiert werden. Aufhänger für ihre Agitation sind Flüchtlingsunterkünfte. Gegen die dort lebenden Menschen veranstalten sie in regelmäßigen Abständen Kundgebungen, zuletzt in Bochum am 5. Oktober 2013 in der Wohlfahrtstraße. „Pro NRW“ lehnt die interkulturelle Gesellschaft, die in unserem Einwanderungsland längst Realität ist, radikal ab. Die Partei schürt Ängste und hofft von Vorurteilen in der Bevölkerung profitieren zu können.

Gegen führende Mitglieder von „Pro NRW“ ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft zur Zeit wegen bandenmäßigen Betrugs sowie Wahl- und Urkundenfälschung. Auch Francis Marin wurde im November 2013 dabei erwischt, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Unterschriften für seine Kommunalkandidatur zu sammeln.

Nachbarschaftsinitiative „Riemke gegen Rechts“

Für ein weltoffenes und tolerantes Riemke!
In unserer Nachbarschaft ist kein Platz für Rassismus!«