Rechte Gewalt in Dortmund: Keine neue Qualität, sondern eine kontinuierliche Erscheinungsform

In Dortmund häufen sich erneut rechtsmotivierte Übergriffe auf Linke und Menschen, die nicht in das Weltbild der Rechtsradikalen passen.
Den traurigen Höhepunkt fand die Gewalt in einem Messerangriff auf einen Antifaschisten am 14. August 2016.

we hate Dortmund

Was geschah in den letzten Wochen?
Bereits am 31. Juli griffen aggressive Faschos der Partei Die Rechte auf der Rückreise aus Köln Antifaschisten am Zugbahnhof an. Ein Tag nach der gewalttätigen Auseinandersetzung kam es in Dorstfeld zu Flaschenwürfen auf zwei Menschen, die von den Nazis augenscheinlich dem linken Spektrum zugeordnet wurden. Michael Brück und Christoph Drewer, zwei führende Köpfe der rassistischen Partei in Dortmund, sollen laut den Betroffenen an dem Angriff beteiligt gewesen sein.

Einem Genossen, der bereits bei diesem Vorfall angegriffen wurde, lauerten am 14. August mehrere vermummte Personen vor seiner Haustür auf, traten ihn nieder und stachen mit einem Messer zu. Dem Angegriffenen gelang es trotz einer Stichverletzung im Bauchbereich zu flüchten. Nach der Erstversorgung der Wunden im Krankenhaus wurde Anzeige bei der Polizei in Dortmund erstattet.
Dass dies alles keine Einzelfälle sind, erwies sich kaum einen Monat später am 11. September. An der Haltestelle Wittener Straße in Dorstfeld kam es erneut zu einer Auseinandersetzung, bei der ein 17-jähriger und eine ihm zu Hilfe eilende Person von einer Personengruppe bedroht und bespuckt wurde. Auch hier trifft die Täterbeschreibung sehr gut auf Christoph Drewer zu, welcher bereits seit Jahren durch sehr aggressives Verhalten auffällt und eine Haftstrafe zu erwarten hat. In den Morgenstunden desselben Tags ereignete sich ein ähnlicher Vorfall auf dem Wilhelmsplatz in Dortmund Dorstfeld, bei dem zwei Jugendliche von einer mehrköpfigen Gruppe angegangen wurden. Nach der Frage, ob sie etwas gegen Nazis hätten, wurde Pfefferspray gesprüht. Die Dortmunder Nazis stellten es auf ihrem Blog so dar, als ob Gutmenschen aus Dortmund ihnen Gewalttaten anhängen wollten. Andererseits verkündeten sie im selben Artikel, dass Dorstfeld bekanntlich kein Zuckerschlecken für “Linke” sei.

Die genannten Vorfälle sind nur eine kleine Auswahl aus den Übergriffen auf Antifast*innen in den letzten Jahren. Obwohl sich die Öffentlichkeit und die Polizei schwer damit tun, jene Überfälle als politisch motivierte Straftaten zu betrachten, sind die jüngsten Vorfälle aus antifaschistischer Perspektive genau das. In der Öffentlichkeit wird, wenn überhaupt, von einer neuen Qualität von rechter Gewalt gesprochen. Betrachtet man allerdings die Aktivität der Rechtsradikalen in den letzten Jahren, wird deutlich, dass kaum eine neue Qualität der Gewalt zu verzeichnen ist, sondern Dortmunds Rechte auf ein Geschichte zurückblicken kann, die Gewalt schon immer als Mittel und Zweck betrachtet hat. Die heutige Situation ist das Ergebnis einer kontinuierlich arbeitenden und auftretenden Naziszene.


Die rechtsradikalen Strukturen in Dortmund

Dortmund, die Nazi-Hochburg im Westen, ist eine Redewendung, die man schon aus so manchem Bericht entnehmen konnte. Die Dortmunder Nazi-Szene ist gut organisiert, sitzt im Stadtrat und Bezirksvertretungen, betreibt ihre eigene Lokalpresse und einen Online-Versand. Sie ist militant und bewaffnet und hat es geschafft, eine funktionierende Infrastruktur in der Ruhrstadt aufzubauen.

Der Nationale Widerstand Dortmund

Heutzutage sind die Neonazis in der Partei „Die Rechte“ organisiert. Bis hierhin war es ein langer Weg. Die Gruppe „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) ist für die meisten, die sich mit dem Naziproblem konfrontiert sahen, der Inbegriff der Dortmunder Struktur. Mit diesem Zusammenschluss wurde das Konzept der Autonomen Nationalisten in Nordrhein-Westfalen geprägt. Der NWDO, der von 2005 bis 2012 existierte, hat die meisten der Strukturen geschaffen, auf die die Partei „die Rechte“ heute zurückgreift.

Die Kader der nationalen Bewegung sind in Zeiten des Nationalen Widerstands Dortmund gewachsen und zu Größe gekommen. Die aktionistisch orientierten und mit subkulturellem Habitus versehenen Nazis grenzten sich bewusst vom rechten Prügelbuben in Springerstiefeln ab. Ihre Devise war und ist es, die nationalsozialistische Ideologie wieder positiv zu besetzen. Hierzu drückte man in seinen Aktionsformen eine rebellische Haltung aus, die gerade pubertäre Jugendliche und Subkulturen ansprechen soll. Konzerte, Flugblattaktionen, Graffiti, Demos, Veranstaltungen, Kampfsport, Rechtsschulungen: ein allumfassendes Paket für den politischen Kampf. Antisemitismus wurde nach außen als Palästina-Solidarität dargestellt, knallharter Nationalsozialismus als Antikapitalismus von rechts. Doch wer das Feindbild ist, dies wurde in zynischer Weise in Codes, mal mehr mal weniger offensichtlich, ausgedrückt. So zum Beispiel das Fronttransparent am 1. Mai 2007: „Ob Erfurt, Dortmund oder Buxtehude – der Feind ist und bleibt der Kapitalismus!“ (der Jude) oder der aktuelle Mailorder für rechte Devotionalien aus Dortmund mit der Adresse „antisem.it“. 2012 wurde der NWDO verboten. Die Akteure der Gruppe organisierten sich fortan in der Partei „Die Rechte“, welche Monate vorher von Christian Worch ins Leben gerufen wurde. Eine Partei zu verbieten ist für den Staat rechtlich betrachtet viel schwerer, als eine lose Gruppierung.

Dortmund, deine Mörder
Doch auch neben den „autonomen Nationalisten“ gab und gibt es noch weitere Strukturen, die ihren Kampf weitaus radikaler ausfechten. Die Skinheadfront Dorstfeld (SFD) zum Beispiel, welche mit dem Nationalen Widerstand Dortmund bzw. heute mit dem Kreisverband „Die Rechte“ eng verwoben ist. Dass die Vernichtung des politischen Gegners in der nationalsozialistischen Ideologie fest verankert ist, ist bekannt. Doch in kaum einer Stadt ist dies so in die Tat umgesetzt worden wie in Dortmund. Seit der Jahrtausendwende sind insgesamt fünf Menschen von Nazis durch Schusswaffen oder Messerangriffe ermordet worden.

Als das SFD-Mitglied Sven Kahlin (damals 17) am 28.03.2005 den Punk Thomas „Schmuddel“ Schulz niederstach, solidarisierten sich die Dortmunder Nationalisten mit den rechten Skins. „Antifaschismus ist ein Ritt auf Messers Schneide“ titelte ein Aufkleber. Sven Kahlin, der mittlerweile wegen Körperverletzung seine zweite Haftstrafe verbüßt, ist ein Held der Dortmunder Szene geworden. Wie einsichtig der Fascho während seines Aufenthaltes im Gefängnis geworden ist, konnte man kurz nach seiner Entlassung sehen. 2010 hielt er eine Rede auf der Demonstration von „Die Rechte“ in Hamm und trug dabei ein Shirt mit der provokativen Aufschrift „Was sollte ich bereuen?“ Kahlin sitzt mittlerweile wieder in Haft. Der Mord an Thomas „Schmuddel“ Schulz wurde von offizieller Seite nie als rechter Mord anerkannt. Vielmehr sei eine verbale Auseinandersetzung eskaliert.

Der Mord an Schmuddel war nicht der erste seiner Art. Das erste mörderische Gewaltverbrechten nach der Jahrtausendwende fand am 14. Juni 2000 statt, als zwei Streifenpolizist*innen versuchten, einen Autofahrer zu kontrollieren. Dieser flüchtete vor der Kontrolle. Als das Fluchtfahrzeug und der Streifenwagen zum stehen kamen, eröffnete der Fahrer das Feuer auf die Beamt*innen. Der 35-jährige Thomas Goretzky wird erschossen, seine Kollegin verletzt. Eine Großfahndung wird ausgelöst. Später treffen ein weiterer Streifenwagen und der Fluchtwagen im nahegelegenen Waltrop aufeinander. Obwohl der Fahrer hätte weiterfahren können, schießt er auf den Polizeiwagen. Beide Beamt*innen werden tödlich getroffen. Später wird das Auto von einem Spaziergänger in einem Waldgebiet entdeckt. Die anrückenden Spezialkräfte der Polizei entdecken am Steuer den Täter, Michael Berger, tot. Dieser hatte sich selbst gerichtet.

Obwohl die Ermittlungen und Berichterstattungen in den Medien Bergers labile Psyche als Tatmotiv entdeckten, ist ein rechtsradikaler Tathintergrund offensichtlich – wie Recherchen des „Polit-Café Azzoncao“ aus Bochum belegen: ach der Tat „(…) werden am Mittwoch bei einer Durchsuchung in der Wohnung Bergers in Dortmund-Körne ein Kleinkalibergewehr, ein Druckluftgewehr, zwei Pistolen, drei Revolver, eine Splitterhandgranate, Munition, Messer und Sprengstoff gefunden. (…) Im Wagen selber finden sie neben der Tatwaffe, einer FEG-Budapest, einen Revolver und eine schusssichere Weste. (…) Eine weitere Hausdurchsuchung am Donnerstag befördert eine versteckte Schusswaffe in einer Zwischendecke und eine Weitere in einem Spielautomaten zu Tage.“ Die Hausdurchsuchung enthüllt nicht nur Bergers kleines Waffenlager, sondern verweist ganz eindeutig auf seine politische Aktivität: „Bei den Hausdurchsuchungen werden Bergers Mitgliedsausweise der „Republikaner“ und der „DVU“ gefunden. Ein paar Tage später wird weiterhin bekannt, dass Berger Sympathisant der NPD ist und zum Umfeld der „Kameradschaft Dortmund“ unter Siegfried Borchardt gehört. Belegt wird dies zudem dadurch, dass nach den Morden im Dortmunder Stadtbild Aufkleber der Kameradschaft Dortmund auftauchen. Auf denen steht: „Berger war ein Freund von uns. 3:1 für Deutschland. KS Dortmund.“ (…) Alles Hinweise auf eine gute Einbindung Bergers in die rechtsradikale Szene Dortmunds. Berger verlor zudem 1999 seinen Arbeitsplatz wegen rechtsradikaler Agitation. Für den ermittelnden Staatsanwalt steht aber fest, dass Berger lediglich eine „rechtsradikale Affinität“ hatte. Seine politische Einstellung und das Maas an Organisierung in der rechte Szene hätten nichts mit den Morden zu tun.“ (linksunten.indymedia.org/en/node/21477)

Doch wie wir alle wissen, hat die Vertuschung rechtsradikaler Straftaten in der Bundesrepublik Tradition. So auch in einem weiteren Fall in Dortmund. Hier deckte der Verfassungsschutz jahrelang den schwerkriminellen Neonazi Sebastian Seemann. Dieser war in der militanten Naziszene in Europa bestens vernetzt, im Rotlichtmilieu tätig, verkaufte Kokain und betrieb nebenbei eine Kneipe – alles unter der Aufsicht des Verfassungsschutzes, der Seemann als V-Mann führte. 2007 überzeugte Seemann seinen engen Vertrauten Robert Schmiemann, nach einem fehlgeschlagenen Koks-Deal einen Supermarkt zu überfallen. Bei diesem Überfall schoss Schmiemann auf einen Tunesier. Dieser überlebte die Verletzungen nur mit Glück.
Der Waffenlieferant und VS-Spitzel Seemann organisierte den Aufbau von Strukturen der verbotenen Naziorganisation „Blood & Honour“, zu denen auch die Dortmunder Rechtsrockband „Oidoxie“ gehört. Diese „glänzt“ auf einschlägigen Konzerten mit Liedern wie „C18 -Terrormachine“ – im Bezug auf die englische Terrororganisation Combat 18, wobei die 18 für die Initialen Adolf Hitlers steht. (Details siehe Artikel von Politcafé Azzoncao: nadir.org/nadir/initiativ/azzoncao/…)

Der NSU in Dortmund
Auch der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) beging einen Mord in Dortmund. Am 4. April 2006 wurde der Kioskbesitzer Mehmet Kubasik vom NSU erschossen. Der NSU um das Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhard werden allein für die Tat verantwortlich gemacht. Doch nach Erkenntnissen aus dem NSU Prozess wird deutlich, dass eine terroristische Zelle nicht allein und ohne ein Unterstützer*innen-Netzwerk agieren kann. Einige Vermutungen des Ausschusses gehen davon aus, dass es möglicherweise mehrere Personen gab, die der Gruppe zugehörig waren. Das Vorgehen der NSU-Bande gleicht dem Konzept des „Führerlosen Widerstandes“ aus Großbritannien und den USA, welchen auch „Combat 18“ propagiert. Denken wir daran, dass es immer wieder Verstrickungen und Sympathiekundgabe Dortmunder Nazis für Combat 18 gibt. Es gibt Hinweise, die Aufschluss darüber geben, in wieweit die oben genannte Rechtsrockband „Oidoxie“ aus Dortmund in rechtsterroristische Netzwerke verstrickt sein könnte. Hierzu veröffentlichte nsu-watch.info eine Mail von Malte Redeker, einem „Hammerskin“, aus dem Jahr 2011. In dieser heißt es, dass man sich mit Combat 18 Deutschland nun verstehe. Als Combat 18 Deutschland werden die „Oidoxie Jungs“ und namentlich der Frontmann der Band Marco Gottschalk genannt. (nsu-watch.info/2015/06/der-nsu-im-n…)

Bereits im Jahr 2006 bestanden Kontakte zwischen dem NSU und den bereits erwähnten Robert Schmiemann und Verfassungsschutz-Agenten Sebastian Seemann. Mundlos und Böhnhard sollen die Dortmunder im März 2006 auf einem Konzert von – Überraschung: „Oidoxie“ – in Kassel getroffen haben. (jungle-world.com/artikel/2013/28/48071). Und dass Dortmunder Faschos auch nach Seemann und Co. Zugang zu Waffen haben, zeigte sich erneut bei Hausdurchsuchungen 2012 bei NWDO-Mitgliedern, bei denen auch scharfe Geschütze gefunden wurden.
Diese Fakten lassen Platz für so manche Spekulationen und Theorien, in wie weit die Dortmunder Naziszene in Terroranschläge und Morde verstrickt sein könnte, ob der Nationalsozialistische Untergrund noch mehr Mitglieder hat und ob dies die einzige Gruppe in der Bundesrepublik ist, welche bereit und dazu in der Lage ist Anschläge zu verüben.

„Die Rechte“ versucht, sich zu etablieren
Zurück in die Gegenwart. Der „Nationale Widerstand Dortmund“ agiert heute in der Partei „die Rechte“. Ihre Aktivisten sitzen im Stadtrat und mehreren Bezirksvertretungen. Der Kreisverband knüpft an das historische Vorbild, die NSDAP, an. Zum Wahlkampf 2014 wurde ein 25-Punkte Programm vorgestellt. Punkte wie „Asyleinwanderung stoppen“, „Familien fördern, nicht Homosexuelle“ und „Für die Volksgemeinschaft!“ sind hier zu finden.
Außerdem tritt die Partei in der Öffentlichkeit sowohl durch eine als „Stadtschutz Dortmund“ benannte Prügeltruppe in Erscheinung. Diese patrouilliert in gelben T-Shirts in Straßenbahnen und auf Autobahnraststätten, an denen sie Homosexuelle vermutet. Die eher kleinen Aktionen des „Stadtschutzes“ werden vom hauseigenen Infoportal DortmundEcho medial aufgewertet, um das Bild zu suggerieren, dass „die Rechte“ die Straßen der Ruhrmetropole in der Hand habe.
Die gelb gekleideten Neonazis hatten ihren größten Auftritt, als sie die Wahlparty am Dortmunder Rathaus angriffen. Hierbei wurden mehrere Lokalpolitiker*innen verletzt. Der vom „NWDO“ organisierte „Nationale Antikriegstag“ findet weiter statt. Dieses Jahr wurde er durch eine Großveranstaltung im Juli ersetzt. Bei diesen Veranstaltungen waren immer hunderte Neonazis aus der Bundesrepublik und dem europäischen Ausland anwesend.

Immer wieder: Michael Brück und Dennis Giemsch

Es würde den Rahmen dieser Ausführung sprengen, einzelne Akteure der Szene vorzustellen. Aber was kann man zu den beiden meist genannten Dortmunder Nazis sagen? Michael Brück hat sich seit dem Verbot des NWDO immer mehr zu einem der Organisatoren der regelmäßig stattfindenden Nazikundgebungen in Dortmund kristallisiert. Er dient in den meisten Fällen als Anmelder oder Redner. Die Versuche, in Dortmunder Randgebieten unter dem Decknamen einer Bürgerinitiative Hetze gegen Geflüchtete zu betreiben, wurden meistens ebenfalls von ihm initiiert. Hier sind vor allem die Stadtteile Mengede und Eving zu nennen. Gerade in Eving hat sich eine Gruppe herauskristallisiert, welche im Stadtteil Patrouillen durchführt und von Übergriffen auf andere Menschen nicht abgeneigt ist.

Dennis Giemsch, der als Rädelsführer des NWDO betrachtet werden kann, wird hingegen kaum noch auf der Straße gesichtet. Einzig zum Verbotsjahrestag des NWDO ist fest mit ihm zu rechnen. Dies mag einerseits daran liegen, dass er von den Klagen gegen das Verbotsverfahren der Organisation mehr betroffen ist, als der Rest der braunen Horde. Andererseits kann dies aber auch daran liegen, dass Giemsch vor längerer Zeit Vater geworden ist und auch familiären Verpflichtungen nachgehen muss. Der Informatikstudent ist jedoch nicht gänzlich raus. Er betreibt den “Tremonia-Blog”, auf dem PodCasts zu verschiedenen Themen für den rechten Zuhörer zu finden sind. Im Gegensatz zu seinen Kameraden erscheint Giemsch sowohl im Netz als auch auf der Straße redegewandt. Unsere Vermutung ist es weiterhin, dass er aus seinem stillen Kämmerlein heraus weiterhin der Kopf der Dortmunder Naziszene ist.

In den letzten Jahren sind einige Nazikameradschaften im Ruhrgebiet weggefallen (Essen, Witten, Bochum/Hattingen, Recklinghausen, Marl, Gladbeck und Gelsenkirchen), was zumeist darauf zurückzuführen ist, dass das Aktionskonzept der Autonomen Nationalisten hier in der Region eher ein Jugendphänomen war. Geblieben sind u.a. die Dortmunder Nazis. Gute Kontakte bestehen weiterhin nach Wuppertal, Hamm und ins Rheinland:exakt die Städte und Regionen, die ebenfalls von dem Verbotsverfahren 2012 betroffen waren. Im Vorfeld des “Tags der deutschen Zukunft” erwiesen sich die Dortmunder Nazis als sehr reisefreudig. Ihre guten Kontakte in die bundesweite Naziszene nutzten sie, um Werbung für den TDDZ zu machen. So teilten sie sich am 1.Mai auf und bereisten jede Nazidemonstration zu Werbezwecken.


Die Dortmunder Nazis und ihre Kontakte ins Ausland

Zusätzlich zu den Kontakten zu Kameraden im Bundesgebiet pflegen die Dortmunder Nazis Kontakte ins Ausland. Wenn man sich die Liste ihrer Kontakte anschaut, spricht es für ihre Eingebundenheit in ein internationales Netzwerk von rassistischen und militanten Nazigruppierungen. Im Folgenden eine kleine Auswahl.

Combat18 und Blood&Honour Kontakte nach Belgien
Bereits vor der Jahrtausendwende bestanden rege Kontakte nach Belgien. Dortmunder Naziskinheads unterhielten Freundschaften zu Blood and Honour Vlaanderen-Aktivisten. Hierbei spielte der bereits erwähnte V-Mann Sebastian Seemann eine große Rolle. Er lebte eine Zeit lang in Belgien und organisierte mit dem B&H Netzwerk Rechtsrock-Konzerte. Bei Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der mordwütigen Organisation im Jahr 2006 in mehreren Städten wurden um die 400 Waffen beschlagnahmt, darunter Maschinenpistolen und Sprengstoff. Dass Seemann die Dortmunder Nazikameraden mit diversem Waffenarsenal ausstattete, ist längst kein Geheimnis, wie der Fall Schmiemann gezeigt hat. Seemanns Kontakte wurden dazu genutzt, Blood and Honour und Combat 18 Strukturen in Deutschland – und verstärkt in Dortmund auszubauen. Sowohl Michael Berger, der im Jahr 2000 drei Polizisten tötete, als auch Marco Gottschalk, der Sänger der Band Oidoxie und Mitglied der Weissen Wölfe, werden zum C18-Umfeld gezählt. Robert Schmiemann hat seine Haftstrafe abgesessen und ist nun wieder auf freiem Fuß. Auch Marco Gottschalk ist wieder nach Dortmund gezogen, was militanten Nazistrukturen in Dortmund einen Motivationsschub geben könnte.

Autonome Nationalisten suchen den Kontakt ins Ausland
Um 2006, als das Phänomen der „Autonomen Nationalisten“ sich langsam etablierte, suchten die jungen Neonazis um den Nationalen Widerstand Dortmund Kontakt ins Ausland. Es entstand ein Austausch mit Rechtsradikalen aus Italien: die Bewegung Casa Pound Italia hatte es bis dato geschafft, ein Haus im Zentrum Roms zu besetzen und sich zu etablieren. Die Italiener interessierten sich wiederum für den AN-Style der Dortmunder Faschos (Heiko Koch: Casa Pound Italia, S.113ff.). Gemeinsam organisierten sie Konzerte und besuchten sich gegenseitig. So fuhren 2008 Anne-Marie Doberenz und Steffen Pohl, damals zwei führende Köpfe des NWDO, nach Rom und festigten die Connection. Im Jahr 2008 ging die Plattform „Syndikat-Z“ online, ein Ableger des Blogs „Zentropa.info“, welcher faschistische Inhalte mit modernem Lifestyle koppelt. Syndikat-Z solidarisierte sich nicht nur mit dem Mörder von Carlos Javier Palomino, einem jungen Antifaschisten aus Madrid, der von einem faschistischen Soldaten erstochen wurde. Die Seite rief offen zu Gewalt gegen Roma auf und mobilisierte in die tschechische Stadt Litvinov, in der Neonazis Pogrome gegen Roma vor Ort organisierten.

Der Kontakt zur nationalsozialistischen Bewegung in Tschechien wurde ebenfalls von Steffen Pohl ausgebaut. Dieser war im Jahr 2009 neben Gottfried Küssel aus Österreich einer der ausländischen Redner auf der Kundgebung der rechten Partei “Dělnicka strana” (Arbeiterpartei, DS). Und auch die tschechischen Kameraden besuchten die Dortmunder in ihren Räumlichkeiten. Die Kooperation zwischen deutschen und tschechischen Faschos ging sogar so weit, dass beide Richtlinien bezüglich ihrer Zusammenarbeit aufstellten (ebd.)

Auch ins wirtschaftlich angeschlagene Griechenland verfügen die Dortmunder Nazis über rege Kontakte. Die Verbindungen pflegen die Nazis von Die Rechte vor Allem zur rechtsradikalen Partei Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi). Anhänger der Partei sind nicht nur für rassistische Stimmungsmache in Griechenland mitverantwortlich, sondern auch für diverse Pogrome auf AlbanerInnen und für den Mord am Antifaschisten Pavlos Fyssas aus dem Jahr 2013. Seit mehreren Jahren besuchen die Dortmunder Demonstrationen dieser Partei und veranstalten Solidaritätskundgebungen für sie in Dortmund. 2014 hielt ein Mitglied der Chrysi Avgi einen Vortrag in den Räumlichkeiten der Rechten. Anfang diesen Jahres fuhren Dortmunder Faschos erneut nach Griechenland zum Imia Aufmarsch und besuchten den Soldatenfriedhof, auf dem Wehrmachtssoldaten begraben sind und bauten die Beziehungen nach Griechenland aus.

Kontakte nach Osteuropa

Immer wieder unternehmen die Dortmunder Faschos Reisen in osteuropäische Länder. Seit mehreren Jahren besteht der Kontakt nach Bulgarien. Politische Freundschaften werden vor Allem zum Bulgarischen Nationalbund gepflegt, einer Organisation, die im SS-Outfit Paraden von Homosexuellen mit Steinen angreift, gegen Roma hetzt und an Pogromen gegen diese beteiligt ist. Jährlich fahren Nazis von Die Rechte zur Demonstration, die an den Faschisten General Lukov erinnern soll. Auch die bulgarischen Nationalisten besuchen Dortmund, so war z.B. einer von ihnen auf dem Antikriegstag 2012 als Redner anwesend.
Auch nach Ungarn bestehen Kontakte, wo zuletzt im Februar letzten Jahres eine Delegation aus Dortmund zum „Tag der Ehre“, einem nationalistischen Aufmarsch, pilgerten.

Kampfsport für Rassisten

Zu erwähnen sind auch die Bestrebung deutscher Faschos, Sportevents in ausländischer Manier zu etablieren und somit einen gewissen Körperkult und den Wunsch nach Stärke zu befördern. Zu nennen ist hier die Kampfsportmarke „White Rex“, die von dem Nationalisten und Rassisten Dennis Nikitin 2008 in Russland gegründet wurde. Nikitin veranstaltet seit Jahren Kapfsportevents unter dem Namen „Geist des Kriegers“. Er hat sich mittlerweile so gut etabliert, dass Audi und Red Bull sich an den Events als Sponsoren beteiligen. Da es sich ideologisch wie finanziell rentieren dürfte, haben Faschos in Deutschland mit dem „Kampf der Nibelungen“, einer sogenannten „Kampfsportgala“, nachgezogen. Oftmals fand die Veranstaltung in Vettelschoss bei Ludwigshafen statt. Im Jahr 2015 fand sie wohl im Ruhrgebiet statt. Dieses Jahr wird wieder für die Veranstaltung geworben, höchstwahrscheinlich an einem anderen Ort. Die Dortmunder sind an der Organisation des Spektakels maßgeblich beteiligt. Durch ihre internationale Eingebundenheit ist ein Kontakt zu White Rex entstanden, die vergangenes Jahr mit hauseigenem Fightteam am „Kampf der Nibelungen“ teilgenommen haben. Auch der Dortmunder Timo Kersting spielt für die Dortmunder Kontaktpflege zu ausländischen Faschos eine wichtige Rolle. Kersting hat 2012 im Stadion des BVB ein Banner mit der Aufschrift „Solidarität mit dem NWDO“ gehisst, welcher damals kurz zuvor durch das Innenministerium NRWs verboten worden ist. Kersting ist nicht nur professioneller Kampfsportler, sondern nutzt seine erworbenen Fähigkeiten dazu, antirassistische Fans im Fußball zu bedrohen. Er ist nicht nur mit der rechtsradikalen Hooligangruppe „Northside“ auf den Acker gegangen, sondern auch bei der recht neuen Gruppe 0231riot aktiv, die durch sexistische und antisemitische Parolen und eine allgegenwärtige Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Kersting ist ein Bindeglied zwischen nationalistischen Fußballfans und dem ehemaligen NWDO. Einst Sieger eines „Kampf der Nibelungen“-Turniers, nahm Kersting an diversen Sportveranstaltungen des nationalistischen Lagers im Ausland teil. Von Walhall Athletic gesponsert, hat er Ende März 2013 an einem „Geist des Kriegers“-Turnier von White Rex in Jekaterinenburg teilgenommen und zwei Monate später am Turnier von Casa Pound und White Rex in Rom (www.antifainfoblatt.de/artikel/kampfspo). Begleitet wurde er stets vom Dortmunder Neonazi Andreas Kolb, der Mitglied bei der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) war und zum engen Umfeld der Partei Die Rechte gehört. Kersting gehört im Ruhrgebiet auch zu einem der bekannten Gesichter im Kampfsprotmillieu. Er trainiert neben seinen Fußballfreunden auch bekannte Dortmunder Nazis im Kampfsport Verein “Arena Dortmund”. Auch dort tritt er offen mit der Bekleidungsmarke White Rex auf. Die Kontakte der Dortmunder Nazis zu White Rex sind vermutlich auf ihn und Andreas Kolb zurückzuführen. So gab im Jahr 2015 im Rahmen des “Kampf der Nibelungen” Dennis Nikitin dem Tremonia Blog von Dennis Giemsch ein Interview.

Internationale Kampftruppen: Dortmunder suchen den Kontakt
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch der Kontakt der Dortmunder in die Ukraine zum Azov Bataillon. Das Azov Bataillon ist ein paramilitärisches Freiwilligenregiment in der Ukraine, welches in die Nationalgarde eingebunden ist und gegen prorussische Separatisten kämpft. 2014 wurde es von nationalistischen Politikern ins Leben gerufen und zieht seitdem Freiwillige mit rassistischen und neonazistischen Überzeugungen an. Einen Teil des Regiments stellt die Gruppierung „Misanthropic Division“ dar, in der Faschos aus ganz Europa organisiert sind. Sie propagiert den „arischen Kampf“ und will gegen alles vorgehen, das nicht ihrem Werteverständnis von einem weißen Europa entspricht. Dabei bedient man sich nach bester Manier faschistischer Symbolik, germanischer Mythologie und betreibt einen morbiden Sterbe- und Tötungskult. In Dortmund sind bereits diverse Aufkleber der Organisation aufgetaucht. Am 26. Februar dieses Jahres wurde in Räumen Der Rechten eine Veranstaltung mit einem italienischen Vertreter des Azov Bataillons und der Misanthropic Division durchgeführt. Bisher sind in der Division vornehmlich Neonazis aus Russland, Norwegen, Slowakei und Italien organisiert. Deutsche Faschos – neben den Dortmundern allen voran die Gruppe III. Weg – versuchen, für das Bataillon zu werben und Teil des Netzwerkes zu sein. Denn was das Azov Bataillon für sie attraktiv macht, ist die Möglichkeit, in einem legalen Rahmen den Umgang mit schweren Waffen zu üben und Neonazis aus der ganzen Welt zu treffen und voneinander zu lernen. (lowerclassmag.com/2016/08/bruderschaft).

Fazit
Kontakte zu ausländischen Neonazis bestehen in Dortmund seit langer Zeit. Die Hochzeit dieser Verbindungen trat jedoch mit dem Aufkommen der „Autonomen Nationalisten“ ein. Das aktionistische und jugendorientierte Auftreten war für die europäischen Gesinnungsgenossen interessant und so entstand ein regelmäßiger Austausch. Mit dem Verbot des NWDO waren die Faschos um Brück, Giemsch und co. viel mit sich selbst beschäftigt. Einige Kontakte sind dadurch undurchsichtiger geworden, bestehen aber wie gezeigt immer noch. Die Tatsache, dass die Dortmunder Rechten sich seit Jahren um eine angemessene Kontaktpflege bemühen und junge Mitglieder durch Reisen ins Ausland zu Gesinnungsgenossen an sich und ihre Ideologie binden möchten, zeugt von einer Kontinuität, die wenig rechte Gruppen unabhängig von klassischen Parteistrukturen an den Tag legen. Die Faschos sind gut in ein Netzwerk eingebunden, das von Akteuren dominiert wird, die Gewalt als alltägliches Mittel zum Durchsetzen ihrer wahnhaften rassistischen und ethnopluralistischen Vorstellungen nutzen und über Kontakte verfügen, die jederzeit an Waffen herankommen können.

Der anfangs jugendliche Spirit und teils blinde Aktionismus der Autonomen Nationalisten ist gewichen. Die Dortmunder Faschos sind erwachsener geworden, vor allem aber ideologisch gefestigter. Es besteht ein starker Bezug zur NS-Ideologie und zu seiner Geschichte, wie z.B. die 25 kommunalpolitischen Forderungen, angelehnt an das 25-Punkte Parteiprogramm der NSDAP aus dem Jahr 1920. Während man mit den „Autonomen Nationalisten“ den Anschluss an Jugendkulturen gesucht hatte und mit dem Bild eines Nazis als Springerstiefel tragende Glatzen brechen wollte, bezeichnet man sich selbst heute provokativ als „Nazi“. Die Angst vor Repression ist dank der miserablen, ja katastrophalen Arbeit der Dortmunder Polizei bei den Rechten schlicht nicht vorhanden. Bei Rückreisen von diversen Veranstaltungen und bei Versammlungen in Dortmund beweisen die Faschos immer wieder ihre Gewaltbereitschaft. Ihre Kontakte zur Skinheadfront Dorstfeld und den rechten Hools und Ultras um den BvB lassen auf eine Annäherung der verschiedenen Akteure schließen.Wir können daraus folgern, dass es Rechtsradikale in Dortmund gab und immer noch gibt, die damit vertraut sind, konspirativ agierende, bewaffnete und militärisch strukturierte Gruppen aufzubauen und auszurüsten.

Abschließend lässt sich sagen, dass gerade die Rückschläge durch das Verbotsverfahren und bei vereinzelten Kundgebungen im letzten Jahr scheint die Dortmunder Szene erneut aggressiver gemacht zu haben. Weiterhin stellt sich die Frage, welche Rolle Marco Gottschalk und Robin Schmiemann in der Szene einnehmen werden.

Beide erscheinen wieder auf Demonstrationen und Kundgebungen von Die Rechte und nehmen vom Bekanntheitsgrad eine ähnliche Rolle ein, wie Sven Kahlin. Wie kann man einer Naziszene begegnen, die zwar gesellschaftlich durchaus isoliert erscheint, aber dadurch auch schwer angreifbar wird? Interventionen bei den bekannten 20 Nazis, wie Outings am Wohnort oder dem Arbeitsplatz scheinen nicht zu wirken, da sie eh einschlägig bekannt sind. Aus antifaschistischer Sicht fehlt eine konsequente, effektive Recherche zu Dortmunder Nazistrukturen. Zwar sind einige Akteure bekannt, doch konzentriert man sich allzu oft auf die Dutzend bekannter Namen. Was ist z.B. aus Anne-Marie Doberenz und Steffen Pohl geworden, zwei führende Köpfe, die plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden sind? Wer hat die Kontaktpflege für sie übernommen? Ohne vernünftige Recherche können wir das Netzwerk der Faschos nicht richtig einordnen und ihm die nötige Relevanz beimessen. Es liegt an uns, die Szene und ihren Wandel stets zu beobachten und rechtzeitig einzugreifen.


Am Samstag heißt es daher: Gemeinsam gegen rechte Gewalt auf die Straße zu gehen!
We hate Dortmund Nazis!


Antifaschistische Linke Bochum,
Septmeber 2016

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