Hammerskins in und bei der Stadt Bochum

Am Montag, den 12.07.2021, veröffentlichte das Recherche Kollektiv „Exif“ eine ausführliche Recherche zur extrem rechten Neonazisbruderschaft der Hammerskins. Im Rahmen der Recherche werden mehrere Mitglieder der Hammerskins aus dem Raum Bochum namentlich erwähnt, die dem „Chapter Westfalen“ angehören. Die folgende Veröffentlichung dient dazu, vereinzelt die Informationen der oben genannten Recherche zu ergänzen. Informationen zu den Hammerskins im allgemeinen sind aus der Recherche von „Exif“ zu entnehmen.

Hammerskins Chapter Westfalen Foto: Exif Recherche

Hammerskins bei der Stadt Bochum angestellt

Mario Garcia im Anti Antifa Shirt in der Bochumer Innenstadt 2009

Zwei Mitglieder der konspirativ organisierten Neonazibruderschaft Hammerskins arbeiten für die Stadt Bochum. Dabei handelt es sich um Keith Klene (vormals Hufski, geb. 30.09.87) und Mario Garcia (geb. 05.06.88). Garcia ist bei den Technischen Betrieben der Stadt Bochum tätig. Dort ist er als leitender Gartenlandschaftsbauer für den Bezirk Wattenscheid tätig. Zuvor leitete Garcia das sogenannte „City Team“ des technischen Betriebs. In sein Aufgabenfeld gehört zudem das Anleiten von Auszubildenden. Mehr als makaber daran ist, dass der Technische Betrieb der Stadt Bochum an der Oberen Stahlindustrie angesiedelt ist und sich somit Garcias Büro in einem Gebäude befindet, in dem Zwangsarbeiter:innen während der Zeit des Nationalsozialismus zur Anfertigung von Munition gezwungen wurden. Angrenzend an das Gelände befand sich zudem das Außenlager des Konzentrationslagers Buchendwald an der Brüllstraße. Dass dort jemand täglich zur Arbeit einkehrt, der zu einer konspirativ agierenden Neonazibruderschaft gehört und zudem im Jahr 2004 in Bochum gegen den Synagogenbau demonstrierte, ist eine Schande. Keith Klene hingegen hat sein Büro im technischen Rathaus in der Bochumer Innenstadt. Dort ist er seit Anfang des Jahres im Tiefbauamt für die Grundlagenplanung verantwortlich und im Raum 1.7.210 anzutreffen.

Höntroper Hammerskins

Neben der gemeinsamen Mitgliedschaft bei den Hammerskins und dem gemeinsamen Arbeitgeber, haben Klene und Garcia noch eine weitere Gemeinsamkeit: beide kommen aus Wattenscheid Höntrop. So sind beide in Höntrop groß geworden, haben in Wattenscheid die Schule besucht und leben auch weiterhin noch dort. So wohnt Keith Klene, der in der Emilstraße groß geworden ist, nun in der Hönnebecke 47 unweit des Höntroper S-Bahnhofs. Mario Garcia lebt am Bitterskamp 32.

Hendrik Stiewe am Stand illegaler Musikproduktionen beim Hammerfest in Frankreich am 2. November 2019 Foto:Exif-Recherche

Auch Hendrik Stiewe (geb. 02.12.1981) lebt seit ca. 2013 nur einen Katzensprung entfernt von Klene und Garcia am Wattenscheider Hellweg 15. Wie aus der Recherche zu den Hammerskins hervorgeht, ist Hendrik Stiewe einer der wichtigsten Akteure der europäischen Hammerskins. Vorallem seine Kontakte in die USA und zu rechten Bands, machen ihn zu einem wichtigen Protagonisten der Neonaziszene. So schreibt „Exif Recherche“, dass Stiewe für den Vertrieb von illegalen Rechtsrockplatten von „Adolf Hitler Records“ und „Irma Grese Musik“ verantwortlich ist. Er verkaufte nachweislich im Jahr 2019 auf dem Hammerfest illegale Platten dieser Label. So kann davon ausgegangen werden, dass er auch über seine Wohnanschrift einen regen Versand von Rechtsrockplatten betreibt.

 

Zwischen Rechtsrock und Verwaltung
Einer von Hendrik Stiewes Kontakte in die USA ist William Leinberger, ein Neonazi und Tätowierer aus Berwyn, der wegen antisemitischen Farbattacken auf jüdische Geschäfte und einer Morddrohung in den 90er Jahren eine Haftstrafe absitzen musste. Ebenfalls hatte Stiewe laut „Exif Recherche“ Kontakt zu Wade Michael Page, der ein rassistisches Attentat auf einen Sikh-Tempel in Wisconsin verübte, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen.
Neben seinen neonazistischen Aktivitäten ist Stiewe bemüht, einen Arbeitsplatz in der öffentlichen Verwaltung zu erhalten. Bereits vor einigen Jahren war er Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Dortmund, wo er aufgrund seiner Neonaziaktivitäten gekündigt wurde. Seit dem versucht er sich weiterzubilden, um einen Arbeitsplatz in der öffentlichen Verwaltung zu erhalten. Hierzu besucht er das Studieninstitut Emscher-Lippe in Dorsten, wo er den Verwaltungslehrgang II absolviert.

Weitere Mitglieder des Chapter Westfalen in Bochum

Hendrik Stiewe und das frisch gegruendete Chapter Westfalen in Bremen 2014 Foto: Exif-Recherche

Zu dem Hammerskin Chapter Westfalen zählen zudem die Brüder Alexander Damm und Dominik Damm ( geb. 02.07.81). Alexander Damm arbeitet bei der Schreinerei Reichel in Wattenscheid und lebt mit seiner Lebensgefährtin Eva Damm in der Laerfeldstr 3b in Bochum Laer. Neben den Aktivitäten bei den Hammerskins sind beide bei einem Fußballverein aktiv. Eva Damm spielt dort unter anderem in der Frauenmannschaft, Alexander Damm trainiert dort die F-Junioren. [Ergänzung 13.07.21: Der zuvor an dieser Stelle genannte Fußballverein, distanzierte sich glaubhaft von Rassismus und neonazistischer Ideologie. Daher haben wir die Nennung des Vereins nachträglich gelöscht.]  Eva Damm verdient ihr Unterhalt als Tagesmutter.

 

Martin Heise rechts und Dominik Damm 2.v.r. und Andre Eminger links in Thueringen im Juli 2018

Dominik Damm hingegen wohnt in Bochum Dahlhausen am Krampenhof 30. Dominic Damm nahm im Jahr 2018 an einem Kampfsportturnier in Thüringen teil. Neben ihm nahm der NSU Unterstützer André Eminger nachweislich an der Veranstaltung teil. Ein weiterer Hammerskin der an diesem Kampfsportevent teilnahm, war Martin Heise. Heise kommt aus Wetter und arbeitet dort beim Elektriker Volker Friedel.

 

 

Zwei, die bereits in vorherigen Veröffentlichungen erwähnt wurden, sind Stefan Held (geb. 21.01.84) und seine Lebensgefährtin Marina Lisczewski.

Hendrik Stiewe und Marina Liszczewski beim Hammerfest in Frankreich am 2. November 2019 Foto:Exif-Recherche

Lisczewski sorgte 2019 für lokale Berichterstattung, da sie als Mitorganisatorin des „Kampf der Nibelungen“ und bekannte Naziaktivistin aus dem Ruhrgebiet bei der der Schufa Holding AG in Bochum arbeitete. Zusammen mit Held, lebt sie in Bochum Langendreer in der Straße Am Steinhardt 5. Held machte sich, nach seinem gescheiterten Versuch als Imbissbetreiber in Lütgendortmund, in Witten als Zahntechniker selbständig. Dort leitet er als einer von zwei Geschäftsführern das Zahnlabor „Helix Dental“ in der Ardeystraße. Neben seiner Liebe zu seinem Beruf als Zahntechniker, hat sich Held das Logo der Hammerskins auf sein linkes Bein tattowieren lassen.

Ein weiterer Neonazis aus Bochum, der zwar nicht den Hammerskins zugeordnet werden kann, aber zu deren Bekanntenkreis gehört, ist u.a. Stefan Schröder aus Wattenscheid. Schröder half u.a. beim Kampf der Nibelungen 2018 in Ostritz als Ordner aus.

Festhalten kann man, dass die Bochumer Hammerskins sich über Jahre organisieren konnten ohne dabei gestört zu werden. Ein Grund dafür liegt sicherlich in dem sehr vorsichtigen Auftreten der lokalen Hammerskins. So bleiben sie weitestgehend von öffentlichen Neonaziveranstaltungen fern, um auch ihre Berufe nicht zu gefährden. Gerade die Stadt Bochum muss nun Verantwortung übernehmen und die zwei bei ihr angesteltten Hammerskins kündigen. Auch das Studieninstitut Emscher-Lippe muss vorbildlich handeln und Hendrik Stiewe nicht weiter darin weiterbilden eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen zu können.

RechercheBo
13.07.2021

Der Vollständigkeit halber spiegeln wir an dieser Stelle die Auszüge des Recherche Artikels von „Exif Recherche“, die sich mit den Neonazis aus Bochum und Umgebung beschäftigen (viele der benutzten Fotos stammen aus dem folgenden Text):

„Lange Zeit existierte in Nordrhein-Westfalen kein eigenständiges Chapter der «Hammerskin Nation» (HSN). Nichtsdestotrotz agieren schon seit vielen Jahren Hammerskins im bevölkerungsreichsten Bundesland. War es zunächst eine Clique von Bochumer Neonazis, die sich im Chapter «Bremen» organisierten, gründeten diese im Jahr 2014 einen eigenständigen Ableger: das Chapter «Westfalen». Diesem können heute an die fünfzehn Personen zugerechnet werden, darunter Mitglieder, die bundesweit und international eine gewichtige Rolle innerhalb der Bruderschaft einnehmen.

„Viele Seelen – Ein Gedanke“

Am 13. Februar 2014 fand in den Räumlichkeiten eines Schwimmvereins im Essener Stadtteil Steele eine Feier von Neonazis mit Live-Musik statt. Offiziell feierte an diesem Abend der Bochumer Hammerskin Stefan Held (*1984) seinen 30. Geburtstag. Was an diesem Abend aber in Wirklichkeit gefeiert wurde war die 20-Jahrfeier der «Hammerskins Bremen». Diese hätte eigentlich schon im Dezember 2013 stattfinden sollen, wurde aber aufgrund von Terminfindungsschwierigkeiten ins neue Jahr verschoben. Das Chapter «Bremen« gründete sich 1993. Für die Feier hatten sich nicht nur zahlreiche deutsche Hammerskins angekündigt, sondern auch „Brüder“ aus Frankreich, Ungarn, Schweden und der Schweiz.

Mag es auf den ersten Blick verwundern, dass das Chapter «Bremen» als eines der ältesten Ableger rund 250 km von der Hansestadt entfernt, mitten im Ruhrgebiet, diese symbolträchtige Veranstaltung ausrichtet, findet sich auf den zweiten Blick eine Erklärung: zum Zeitpunkt zählten fünf Hammerskins zum Chapter «Bremen», die ihren Wohnort in NRW hatten. Neben Stefan Held waren dies die Bochumer Mario Garcia Barrenada, Keith Klene, ehemals Hufski, Dennis Roskos aus Dortmund und Hendrik Stiewe, der ebenfalls in Bochum ansässig ist. Mit dessen Gründung im Laufe des Jahres 2014 bildeten diese zunächst den Kern des Chapter «Westfalen», bis über die Jahre eine Handvoll weiterer Mitglieder dazu stießen.

Auch wenn – oder vielleicht gerade auch weil – das Chapter noch zu den jüngeren in der HSN zählt, lässt sich bei Treffen und Veranstaltungen eine überdurchschnittlich hohe Präsenz seiner Mitglieder verzeichnen. Sie wollen und sie müssen sichtbar sein, um den „Brüdern“ zu beweisen, dass es die richtige Entscheidung war, ihnen ein eigenes Chapter zu zu gestehen. So waren die «Hammerskins Westfalen» fast vollzählig beim „Hammerfest“ 2019 in Frankreich und präsentierten sich dort so geschlossen wie kein anderes Chapter. Alle der anwesenden «Westfalen» trugen einheitlich die Shirts ihres Chapters. „Viele Seelen – Ein Gedanke“ stand auf deren Rückseite geschrieben.

Auch bei der 20-Jahrfeier der «Hammerskins Pommern» in Salchow im März 2017 sowie bei einem NOM im Frühjahr 2019 in Lohr am Main war das Chapter jeweils mit zwei Autobesetzungen vertreten. Außerhalb der verschlossenen Lebenswelt sind die meisten „Westfalen“ nur selten auf öffentlichen Veranstaltungen der extremen Rechten anzutreffen. Sie sind der Neonazi-Szene jedoch über viele Jahre, zum Teil seit Jahrzehnten, verbunden.

Alter Herr

Hendrik Stiewe (*1981) ist mittlerweile einer der wichtigsten Hammerskins in Deutschland. Ein „Outstandig Member“, dass seit fast 20 Jahren auf die internationale Neonazi-Musikszene Einfluss nimmt und als Hammerskin, neben Malte Redeker, das wohl engste Bindeglied ins Mutterland der HSN, den USA, ist. Stiewe lebte und agierte lange Zeit in Bielefeld und schloss sich Mitte der 2000er Jahre dem Chapter «Bremen» an. Während seines Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld war er zudem in der extrem rechten «Burschenschaft Normania Nibelungen» aktiv, der er bis heute als „Alter Herr“ angehört. In der Burschenschaft trägt er intern den Namen „Donner“. Über die Adresse der „Normania“ war Stiewe auch zeitweise mit seinem RechtsRock-Label und Versand «Wewelsburg Records» erreichbar. Nachdem er Anfang der 2000er Jahre auf der Neonazi-Plattform „Unser Auktionshaus“ mit CDs handelte und zunächst versuchte einen Versand mit dem Namen «H8 Rock» aufzubauen, meldete er schließlich 2003 den Webshop von «Wewelsburg Records» an. Rund ein Jahr nach der Gründung erschienen darüber die ersten Veröffentlichungen. Durch den Vertrieb und die Produktion internationaler Hammerskin-Bands wie «Definite Hate» oder «Bound for Glory» sowie deutscher Bands aus den Reihen der Bruderschaft wie «Hetzjagd» und «Division Germania», entwickelte sich sein Label schnell zum Aushängeschild der deutschen Hammerskins. 2013 gab Stiewe «Wewelsburg Records» an Nils Budig ab, der zur dieser Zeit als Anhänger der «Crew 38» auftrat und in der ostfriesischen Gemeinde Jemgum (Landkreis Leer) wohnte. Hintergrund dessen war, dass die deutschen Hammerskins zu dieser Zeit ein Verbot befürchteten. Sie wollten ihre Unternehmen, Gelder und Materialien dadurch in Sicherheit bringen wollten, indem sie es Personen übergaben, die keinen vollwertigen Mitgliedsstatus bei den Hammerskins inne hatten. Ähnliche Entwicklungen in der Geschäftsstruktur konnte schließlich bei Redekers «Gjallarhorn Klangschmiede/Frontmusik» ab 2015 beobachtet werden. Auch dort wanderte die offizielle Geschäftsführung in die Hände eines «Crew 38»-Anhängers. Mittlerweile zeichnet sich Nils Budig sowohl für «Wewelsburg Records» als auch «Front Records» und Redekers «Gjallarhorn Klangschmiede/Frontmusik» verantwortlich.

Stiewe ist jedoch weiterhin im Hintergrund tätig, pflegt die Kontakte zu den Bands und hat die Hand über die Veröffentlichungen auf «Wewelsburg Records». Zudem baute er sich über die Jahre ein lukratives Geschäft mit dem Vertrieb von in Deutschland strafbaren Vinyl-Produktionen auf. In seinem Sortiment befinden sich Produktionen von «Adolf Hitler Records» und «Irma Grese Musik». Konspirativ abgewickelte Labels, ohne legale Geschäftsstruktur und ohne Kontaktadresse. Eine Auswahl dessen präsentierte Stiewe beim „Hammerfest“ im November 2019 in Frankreich. Während Budig neben ihm brav das legale Sortiment von «Wewelsburg Records» anbieten durfte, gab es den harten, menschenverachtenden und offen NS-verherrlichenden Stoff bei Stiewe: unter anderem eine Platte von «Bataillon 500», die auf dem Cover ein Hakenkreuz zeigt oder eine Neuauflage einer Split-Veröffentlichung von «Macht & Ehre» und «Kommando». Das Frontcover der CD zeigt ein Foto einer rassistischen Gewaltszene. Mit Stahlkappenschuhen wird auf einen am Boden liegenden Schwarzen eingetreten. Die Titel auf der LP reichen von „NS Skinheadkult“ bis hin zu „Der Ewige Jude“.

Seine Verkaufstätigkeiten an dem Abend im Elsass musste Stiewe zwischendurch kurz unterbrechen. Denn als die US-amerikanische Kult-Band «Blue Eyed Devils» ihren in der Szene berühmt-berüchtigten Song „Murdersquad“ anstimmten war es Stiewe, der – wie einstudiert – die Bühne erklomm. Mit Inbrunst sang er die Zeilen des letzten Refrains des Liedes, den die Band in deutsch textete: „Blut und Ehre, daran glaube ich / Einsatzgruppen, Tod für dich / Zu meinen Führer habe ich gegeben / Gegeben mein ganzes Leben.“. Den Abschluss der Zeilen bildet ein dreifaches „Sieg Heil“, das Stiewe auf der Bühne mit Hitlergrüßen unterlegte.

Auch am jährlichen „Hammerfest“ in den USA nimmt Stiewe seit vielen Jahren regelmäßig teil. Bei jenem am 2. Oktober 2010 in Detroit hatte er auch Michael Wade Page kennengelernt, der dort zum Prospect ernannt wurde. Ein im Rahmen des „Hammerfest“ entstandenes Gruppenbild, dass auch Stiewe zeigt, tauchte später im Booklet der CD „Chosen Few“ von Page‘s Band «Definite Hate« auf. Dazu ein Dank an „Hendrik at Wewelsburg Records for his support“.

Page und Stiewe werden sich noch öfter sehen. Ein letztes Treffen fand im März 2012 in den Staaten statt, als Stiewe mit zahlreichen deutschen Hammerskins zum traditionellen „St.Paddys Day“-Konzert der «Confederate Hammerskins» angereist war. Beim Konzert hing auf der Bühne die Flagge des Chapter «Bremen», während Robert Kiefer vom Chapter «Westmark» als Sänger von «Landsknecht» Coversongs der in Deutschland als kriminelle Vereinigung eingestuften Band «Landser» zum Besten gab. Wenige Monate später verübt Wade Michael Page ein rassistisches Attentat in einem Sikh-Tempel in Wisconsin, bei dem sechs Menschen ums Leben kommen. Zwei Tage nach dem Anschlag beschwerte sich Stiewe im Hammerskin-Forum, dass er dutzend Interviewanfragen bekommen hätte. Etwa von der New York Times (USA), die mit ihm über „Hass“ reden wollen würden.

Er hatte schließlich im selben Jahr die Neuauflage der CD „Welcome to the south“ von «Definite Hate» produziert, auf dem sich auch das Lied „Take Action“ befindet. Dort heißt es „Genug der Rede, es ist an der Zeit zu handeln; Revolution liegt in der Luft, die 9mm in meiner Hand. Vor diesem Masterplan kannst du weglaufen, dich aber nicht verstecken.“ (Übers. d. Verf.)

Wenn auch nicht namentlich benannt, geriet Hendrik Stiewe im Juli 2019 in die Schlagzeilen. So kam ans Tageslicht, dass ein „Mitglied der Hammerskins“ über zwei Jahre bei einer Außenstelle des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) als Bürosachbearbeiter tätig war. Laut Medienberichten soll er zwar nicht über Asylanträge entschieden haben, aber „die Behörde konnte bis zuletzt kaum nachvollziehen, welche Mitarbeiter Zugriff auf sensible Daten haben.“

Dass Stiewe 2013 ausgerechnet nach Bochum verzog, überraschte nicht. Während er in Bielefeld kaum noch soziale Kontakte zur lokalen neonazistischen Szene pflegte, wohnten in Bochum zum Zeitpunkt seines Umzugs schon drei seiner „Brüder“. Mit ihnen bildete er schließlich kurze Zeit später das Chapter «Westfalen».

Stiewe scheint auch weiterhin an einer beruflichen Karriere in der öffentlichen Verwaltung festzuhalten. Darauf deutet auch, dass er in den letzten Jahren zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen absolvierte. Sein ehemaliger Arbeitgeber, das BaMF, händigte ihm zudem ein tadelloses Arbeitszeugnis aus. Dort hieß es, er erzielte „durch seine selbständige, schnelle und effiziente Arbeitsweise […] sehr gute Ergebnisse, mit denen wir stets außerordentlich zufrieden waren.“

Die Bochumer Clique

Die Geschichte der Bochumer um Mario Garcia Barrenada, Stefan Held und Keith Klene, die sich als eine Clique um 2010 der HSN zu wandten, ist für Hammerskins nicht untypisch. Weder gibt es nachvollziehbare Informationen darüber, wie sie Zugang zu dem verschlossenen Zirkel der Bruderschaft gefunden haben, noch sind sie als „altgediente Aktivisten“ in der Neonazi-Szene bekannt. Zwar sind Mario Garcia Barrenada (*1987) und Stefan Held seit Mitte der 2000er Jahre als Teilnehmer von Aufmärschen feststellbar und bewegten sich damals in den Strukturen der Freien Kameradschaften im Ruhrgebiet, traten dabei jedoch nicht als tonangebende Akteure auf. Zu Keith Klene (*1988), der den Spitznamen „Laster“ trägt, fehlt sogar jegliche Spur, die auf eine lange Einbindung in die Szene deuten würde.

Erstmals im Kontext der Hammerskins fielen die drei 2011 auf, als sie bereits Prospects beim Chapter «Bremen» waren. Damals firmierte die Gruppe intern unter dem Label „PotN-Ruhrpott“. Sie entwickelten rege Aktivitäten und profilierten sich durch die Organisation von Treffen und Feiern. So führten sie im August 2011 ein „Sommerfest“ im Ruhrpott durch und waren maßgeblich an der Gestaltung eines NOM im Mai 2011 in Niedersachsen beteiligt. Im Nachgang gab es stets Lob von den „Brüdern“. Für das „Hammerfest“ im November 2012 im französischen Toul wurde sogar ein Reisebus aus dem Ruhrgebiet organisiert. Wenige Monate zuvor, am 14. Juli 2012, richteten die Prospects im Ruhrgebiet ein Konzert aus, bei dem die Bremer Hammerskin-Band «Hetzjagd» gespielt haben soll.

Auf dem EOM im Januar 2013 in Fürth-Erlenbach erhielten die drei schließlich ihren Fullmember-Patch. Die Ausrichtung der 20-Jahrfeier der «Hammerskins Bremen» im Februar 2014 in Essen stellt eine der letzten Aktivitäten unter dem Banner des Chapter «Bremen» in NRW dar. Ihren Bezug zu den norddeutschen Hammerskins tragen einzelne Mitglieder trotzdem weiterhin zur Schau. Etwa Stefan Held, der schließlich beide Patches auf seiner Bomberjacke präsentiert: den Bremen- und den Westfalen-Patch.

Bei der Zusammenkunft 2014 in Essen-Steele tauchten etliche Neonazis aus dem Ruhrpott auf. Einige suchten zu dieser Zeit anscheinend Anschluss bei den Hammerskins. Dazu gehörte der Bochumer Sebastian Konstanty (*1990). Als Anhänger der «Crew 38» nahm er schon im Februar 2013 an einen NOM im niedersächsischen Werlaburgdorf teil. Er gehörte auch zur Gruppe nordrhein-westfälischer Hammerskins und Prospects, die gleich mit drei Autobesatzungen im Dezember 2014 nach Bremen reisten. Der Bremer Hammerskin Marc Gaitzsch hatte sich damals fern ab der Öffentlichkeit in ein Ferienhaus eingemietet, um mit den rund 50 angereisten „Brüdern“ aus ganz Deutschland seinen 40. Geburtstag zu feiern.

Auch Martin Heise (*1982) aus Wetter an der Ruhr befand sich in Bremen unter den Gästen. Heise stammt aus dem Naziskin-Milieu im Ruhrgebiet und war Anfang der 2000er Jahren regelmäßig auf Aufmärschen anzutreffen. Beim „Rudolf-Hess-Marsch“ 2003 in Wunsiedel fand er sich etwa im Block um Siegfried Borchardt, genannt „SS-Siggi“, aus Dortmund ein. Zudem bewegte sich Heise im Umfeld der «Kameradschaft Witten». Auf dem „Hammerfest“ 2019 in Frankreich präsentierte er sich in Bomberjacke mit dem Abzeichen der HSN auf der Brust und dem westfälischen Chapter-Patch am Ärmel. Als Vollmitglieder gaben sich dort auch die Bochumer Brüder Dominik Damm (*1982) und Alexander Damm (*1984) zu erkennen. Erstmals fiel Dominik Damm als Teilnehmer der 20-Jahrfeier des Chapter «Bremen» 2014 in Essen auf. Jahre später gehörte er zur Gruppe deutscher Hammerskins, die zum „Hammerfest“ im Oktober 2018 nach South California (USA) anreiste.

Die „Westfalen“ Dominik Damm und Martin Heise gelten als reisefreudig und scheinen auch ein Interesse für Kraftsport entwickelt zu haben. So fanden sie sich im Juli 2018 in der Kleinstadt Schmölln im Osten Thüringens ein, um an einem Mannschaftswettkampf teilzunehmen. Das neonazistische Kampfsport-Gym «Sportgemeinschaft Barbaria» hatte eingeladen, um in dem Rahmen ihr 5-Jähriges Bestehen zu feiern. Unter den TeilnehmerInnen befanden sich nicht nur die Bochumer Hammerskins sowie etliche bekannte Gesichter der Neonazi-Kampfsportszene, sondern auch der NSU-Unterstützer André Eminger.

Auf Demonstrationen der Szene sind die Bochumer Hammerskins nicht anzutreffen. Der überwiegende Teil der Clique führt ein kleinbürgerliches Leben im Bochumer Stadtteil Wattenscheid, zusammen mit ihren ebenfalls aus der rechten Szene stammenden (Ehe-)Partnerinnen. Sie engagieren sich in Sportvereinen und gehen gut bezahlten Jobs nach. Sowohl Mario Garcia Barrenada – der öffentlich nur als Mario Garcia auftritt – als auch Keith Klene, sind bei der Stadt Bochum angestellt. Während der ausgebildete Gartenmeister Barrenada leitender Mitarbeiter bei den Technischen Betrieben für Grünarbeiten in Wattenscheid ist, arbeitet Klene beim Tiefbauamt der Stadt. Alexander Damm und seine Ehefrau Eva Damm sind beide in einem Bochumer Fußballverein (abgeändert durch RechercheBO) aktiv. Während Eva Damm im Frauenteam spielt, ist der Hammerskin Trainer in der Jugendabteilung. Sein Bruder Dominik Damm ist wiederum Teil einer rechten Fangruppe, die zu Spielen des Fußballclubs Schalke 04 fährt.

Stefan Held ist ausgebildeter Zahntechniker, woher auch sein Spitzname „Zahni“ rührt. Er ist heute Mitinhaber des Zahnlabors „Helix Dental“ aus Witten. Auf der Firmeneigenen Website ist als Werbemodel auch Marina Liszczewski zu erkennen. Held und sie heirateten im Sommer 2020. Liszczewski ist seit vielen Jahren bekannte Aktivistin der Dortmunder Neonazi-Szene und zählt zum Orga-Team des «Kampf der Nibelungen» (KdN). Für das rechte Kampfsport-Format betreute sie auch den Verkaufsstand auf dem „Hammerfest“ 2019 in Frankreich. Ihr Ehepartner Stefan Held fungierte beim Hauptevent des KdN im Oktober 2018 als Ordner.“