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600 Menschen bei Protest gegen Querdenken

Huhu – Gegenprotest in Bochum am 20.11.20 Foto: Infozentrale

Groß angekündigt als „Fest für Frieden, Freiheit und Liebe“ organisierten Anhänger*innen von Verschwöhrungsmythen der Gruppe „Querdenken 234“ am vergangenen Samstag (21.11.2021) eine Kundgebung in Bochum. „Querdenken“ fällt immer wieder durch Zusammenarbeit mit der extremen Rechten und antisemitischen Verschwörungstheorien auf. Die Bochumer Gruppe steht den anderen Ortsgruppen dabei in nichts nach, wie die Veranstaltung am Samstag noch einmal verdeutlichte.

Bereits während der Mobilisierungsphase wurde klar, dass die Veranstalter*innen vor allem auf Masse setzen wollten und dabei auch wenig Probleme mit einer Mobilisierung durch die extreme Rechte hatte. Die NPD teilte den Flyer, mobilisierte zu der Verantaltung und kündigte ihr Kommen an. In einer Pressemitteilung hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass sich sowohl die NPD als auch die Nazihooligans aus dem HoGeSa-Spektrum einfinden könnten. So kam es dann auch. Eine öffentliche Distanzierung von „Querdenken 234“ blieb aus.

Der Ort der Veranstaltung blieb lange offen und wurde erst wenige Tage vorher bekannt gegeben. Letztendlich fand die Veranstaltung aufgrund der Coronamaßnahmen nicht wie geplant auf dem Dr. Ruer Plattz sondern auf dem Kirmesplatz an der Castroper Straße statt. Ein geplanter Marsch wurde von der Stadt Bochum und später vom Oberverwaltungsgericht verboten. Dennoch war eine breite Mobilisierung aus antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Sicht notwendig und fand spektrenübergreifend statt. So waren insgesamt ca. 600 Menschen am Gegenprotest beteiligt.

Der Aufbau von Querdenken begann gegen 10 Uhr. Auch Michael Ballweg war früh am Versammlungsort, da er scheinbar die Nacht zuvor in seinem Wohnwagen in der nahe gelegenen Max-Greve Straße übernachtete, wo er noch etwas verschlafen beim Aussteigen begrüßt wurde.

Miachel Ballweg mit seinem Wohnwagen (S: DQ 711) in der Max-Greve Straße in Bochum am 21.11.20

Auf dem Platz fanden sich auch früh die angekündigten Neonazis der örtlichen NPD ein. Claus Cremer, Landesvorsitzender der NPD NRW, sendete teilweise live vom Versammlungsort via Actioncam. Auch eine kleine Delegation der „Bruderschaft Deutschland“ und der „Schwesternschaft Deutschland“ nahm an der Versammlung am Samstag teil. Unter ihnen waren auch Sabrina und Michael Wehnes, die im vergangenen Jahr für die rechten Aufmärsche in Herne verantwortlich waren. Außerdem war unter anderem der rechte Schläger Kai Kratochvil aus Düsseldorf angereist. Die Anwesenden der Bruderschaft/Schwesternschaft Deutschland waren durch ihre bedruckten Bomberjacken deutlich zu erkennen.

Das Auftreten der „Bruderschaft Deutschland“ und der „Schwesternschaft Deutschland“ sowie der NPD wurde dabei von den Veranstalter*innen toleriert. Paradoxerweise beschwerten sich Redner*innen immer wieder darüber, dass „Querdenken“ Gruppen und Veranstaltungen als rechts oder rechtsoffen bezeichnet werden.

Auch im Programm fanden sich etliche Geschmacklosigkeiten der Redner*innen. So behauptete eine Frau auf der Bühne, die Pflicht eine Alltagsmaske zu tragen, sei vergleichbar mit den Experimenten von Josef Mengele im Nationalsozialismus. Diese Äußerung ist an Geschichtsrevisionismus nicht zu überbieten und eine Relativierung des Holocaust und der NS-Verbrechen. Auch hier folgte keine Intervention oder negative Reaktion von Veranstalter*innen oder Polizei.
Alles in allem enttarnte sich die Gruppierung „Querdenken 234“ mit ihrer Veranstaltung selbst als rechtsoffen und antisemitisch. Am Tag nach der Veranstaltung untermauerte „Querdenken 234“ diesen Eindruck noch, denn sie teilten weiter antisemitische Inhalte auf Instagram, die vor einem „Impf Genozid“ warnten oder auf denen die Aussage „Impfen macht frei“ verbreitet wurde. Hier wird sich auf die Aufschrift „Arbeit wird frei“ bezogen, die im Nationalsozialismus über mehreren Konzentrationslagern prangerte.

Der Gegenprotest, der zum Einen bei der Kundgebung am Gersteinring und zum Anderen auch dezentral überall um die verschwörungstheoretische Veranstaltung herum stattfand, zeigte sehr deutlich, dass die Schwurbler*innen auf Bochums Straßen nicht willkommen sind. Es wurden Banner entrollt, es wurden Parolen gerufen und es wurde immer wieder auf den verantwortungsvollen Umgang mit dem tödlichen Virus aufmerksam gemacht. Ein ca. 15 m langes Banner machte klar, wir sind „Gegen jeden Antisemitismus“. Auch im Vorfeld wurde der Veranstaltungsort bereits verschönert. Überall waren Grafittis, Kreidemalereien oder Banner zu sehen. Letztere wurden durch die Polizei abgehängt. Die Personen, die sich an der Castroper Straße positionierten, machten mit ihrer Präsenz ebenfalls deutlich, dass sie die “Quederdenker” nicht tatenlos marschieren lassen würde. Aufgrund der Standkundgebung kam jedoch nur wenig Dynamik auf, sodass sich auch der Gegenprotest aufgrund der niederigen Temperaturen nach ca. 3 Stunden auflöste. Dies lag jedoch auch daran, dass die Polizei mit der Zeit immer mehr Platzverweise aussprach und den nicht angemeldeten Gegenprotest vom Kirmesplatz abdrängte.

Nach der Rede von Michael Ballweg leerte sich auch der Kirmesplatz. Insgesamt gab es wenige Zwischenfälle und der von „Querdenken 234“ erhoffte Anschluss an Großveranstaltungen wie in Berlin und Leipzig blieb aus. Dennoch stellen 1000 Teilnehmende für “Querdenken” einen Erfolg dar. Diese große Anzahl ist zwar größtenteils mit dem Auftritt von Michael Ballweg verbunden, könnte aber für die Akteur*innen ein Motivationsschub leisten.
Somit haltet die Augen offen, begleitet auch die kleineren Veranstaltungen von „Querdenken 234“ und macht Lärm! Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass antisemitische und rechtsoffene Veschwörungstheoretiker*innen in Bochum nicht Fuß fassen können!

Antifaschistische Linke Bochum,
November 2020