Bochumer Stadtrat droht Einzug von NPD, Pro-NRW und AfD

„Trotz viel Gegenwind in Bochum…“ (Zitat AfD) ist es gleich drei Parteien rechts der CDU gelungen, mehr oder weniger flächendeckend zur Kommunahlwal 2014 in Bochum anzutreten. Von der nationalkonservativen und latent rechtspopulistischen AfD über die rassistische und islamophobe Splitterpartei Pro-NRW bis hin zur offen neonazistischen NPD ist das gesamte rechte Spektrum wählbar.

Wahlkampf rechter Parteien in Bochum - Finde den Unterschied

Alle Parteien hatten laut Wahlausschuss die Auflagen erfüllt und ihre Kandidat*innen für die 33 Wahlkreise aufgestellt. Die NPD hatte den Vorteil, keine Unterstützungsunterschriften sammeln zu müssen, da sie bereits seit 2009 im Stadtrat sitzt. Im Folgenden wollen wir kurz auf die drei rechten Parteien und ihre Führungsfiguren eingehen.

NPD – Alte und neue Nazis

Bochumer NPD-Aktivisten: Claus Cremer, Markus Schumacher, Kevin Düsing, Nis Hauke Müller

Die NPD steckt in einer tiefen Krise. Bundesweit droht ein Verbot, die Mitglieder laufen davon, die Kassen sind klamm. In NRW gehen aktionsorientierte Neonazis lieber in die Partei „Die Rechte“. In Bochum hat die NPD neben einen chronischen Personalmangel vor allem den Umzug der Landesparteizentrale von Wattenscheid nach Essen zu verkraften. Dennoch spielt die Partei Handlungsfähigkeit vor: Bereits vier kurzzeitige Infostände in Wattenscheid und Altenbochum möchte sie ohne größere Störungen durchgeführt zu haben. Naja, so ganz richtig ist das allerdings nicht. Außerdem legte das „Flagschiff„, der NPD-Werbetruck, für 30 Minuten konspirativ auf dem Husemannplatz an. Claus Cremer spult das übliche Programm auf Bochums Straßen ab. Digital läuft es weniger gut: Nachdem die Webseite der Bochumer NPD seit Wochen down, ist wurde kurz vor der Wahl vorübergehend auch der Facebook-Account aus dem Weltnetz gekickt.

Beim Ausfüllen der Wahlzulassungsbögen wurde übrigens fleißig geschönt und geschummelt: So ist zu bezweifeln, ob der arbeitslose Alkoholiker und „Referent der NPD im Rat“ Markus Schumacher sich wegen einer vorübergehend Wiederaufnahme seines Geschichtsstudiums an der RUB gleich als „Historiker“ bezeichnen darf. Weiterhin ist nicht anzunehmen, dass Nachwuchs-Nazi Kevin Düsing wirklich in der Obdachtlosenschlafstelle nächtigt. Sei’s drum. Spannender fand der Landeswahlausschuss dann doch die Tatsache, dass die Partei Menschen gegen deren Willen zur Kandidatur aufgestellt hatte. Sonja Zimmmer, Schwester von Dennis Blömer und Ehefrau eines gewissen André Zimmer und sowie 7 weitere Kandidat*innen geben an, ungefragt auf NPD-Wahllisten gesetzt worden zu sein. Unter dem Druck der NPD, die ihrerseits mit Anzeigen drohte, zogen zwei Kandidat*innen diese Aussagen wieder zurück, eine weitere Person hatte sich zu spät gemeldet. Die Bochumer Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Vorwurfs der Wahlfälschung und Wählertäuschung gegen die Partei.

Alarmiert durch unsere kleine Öffentlichkeitsinitiative sollen sich laut den Ruhrnachrichten sogar noch Kandidat*innen von der Kommunalwahl 2009 bei der Stadt gemeldet und berichtet haben, sie hätten nie für eine Kandidatur zur Verfügung gestanden. Das aufstellen unwissender Personen als Kandidat*innen um flächendeckend antreten zu können scheint bei der Bochum NPD also offenbar üblich zu sein. Aus Einzelfällen wird Methode.

Ob die NPD ihren Sitz im Stadtrat halten können wird oder von der Konkurrenzpartei Pro-NRW verdrängt wird, wird sich zeigen. Drei Kandidat*innen, die 2009 noch für die NPD antraten sind mittlerweile zu Pro-NRW gewechselt (Bärbel Holtkamp, Günter Mumrey, Wolf-Dieter Varney). Bärbel und Günter hatten uns übrigens im Vorfeld angeschrieben, dass sie nicht mehr für die NPD kandidieren und ob wir ihre Namen nicht aus dem Weltnetz entfernen könnten. Nun sind sie doch wieder per Suchmaschine auffindbar – diesmal als Pro-NRW Kandidat*innen. Günter, du lernst es nie…

Pro-NRW – Der Club der alten Herren

Bochumer Pro-NRW Aktivisten: Hans-Joachim Adler, Francis Marin, André Picker, Wolf-Dieter Varney

Neu bei den Bochumer Kommunalwahlen dabei ist die rassistische und islamophobe Kleinstpartei „Pro-NRW“. Ihre einzige öffentlichkeitswirksame Wahlkampfaktion bestand darin, wieder einmal eine Tour durch NRW mit Zwischenstopp am 3. Mai in Bochum zu veranstalten. Diesmal machten die Rassist*innen nicht vor einer Moschee oder Flüchtlingsunterkunft halt, sondern hatten sich den Husemannplatz ausgesucht, um ihre Hetze zu verbreiten. Aktiv trauen sich von den 33 Bochumer Kommunalkandidat*innen dann allerdings doch nur Hans-Joachim Adler und Neuzugang Francis Marin eine Teilnahme an der Kundgebung zu wagen. Auch André Picker, Anwalt der militaten Naziszene, kandidiert wieder für Pro-NRW, hat allerdings im Moment offenbar mehr damit zu tun die Dortmuner Neonazis zu verteidigen als rechten Wahlkampf zu betreiben.

Der Altersdurchschnitt der Kandidat*innen dürfte auf die 60 zugehen. Entsprechend ist es auch kein Wunder, dass sich Pro-NRW auf Flugblättern die ihre wenigen Anhänger*innen zu einer unchristlichen Zeit in Briefkästen verschwinden lassen, primär an Senior*innen richtet. So ist die zentrale Forderung darauf, dass Pro-NRW Renter „nicht mehr in Suppenküchen abgespeist werden“. Jawoll. Das konspirative Verteilern von Flugblättern an Bochumer Haushalte und gelegentliches plakatieren sind auch die bisher einzig wahrnehmbaren Wahlkampfaktivitäten der Partei. Allerdings: Pro-NRW gilt bei vielen Stammtischrassist*innen als wählbare Alternative zur NPD und holte bei den Landtagswahlen 2012 immerhin 1,7% der Stimmen. Hier ist sicher auch weiterhin Aufklärungsarbeit gefordert, die nicht ausschließlich von Antifa-Seite aus laufen kann sondern auch eine zivilgesellschaftliche Aufgabe sein muss.

Aus antifaschistischer Sicht interessant ist der neue Pro-NRW-Treffpunkt „zum Natz“ in der Herner Straße 119. Dieser hat sich zu einem festen Tummelplatz von des Bochumer Kreisverbandes entwickelt. Fast täglich treffen sich hier Francis Marin und anderen „gubürgerlichen“ Rassist*innen um Stammtischparolen auszutauschen oder den Wahlkampf zu koordinieren. Auch Inhaber Thomas Stapfer kandidiert für Pro-NRW.

AfD – Rechtspopulistische Biedermänner?

Bochumer AfD-Aktivisten: Sebastian Marquardt, Wolf-Dieter Liese, Christian Loose, Wolfgang Demolsky

Die AfD hat – obwohl wir das eigentlich nicht geplant hatten – in den letzten Wochen einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Als führende Köpfe der noch recht jungen Partei haben sich Sebastian Marquardt (der auf Flyern damit wirbt für die Liste „NAWI“ Vorstandsmitglied im AStA der RUB gewesen zu sein), Wolf-Dieter Liese (Geschäftsführer der Liese OHG in Stiepel und Betreiber einer Spielhölle in Gelsenkirchen), Wolfgang Demolsky (Betreiber der Ruhr World Dental GmbH in Höntrop) sowie Christian Loose (Controller bei der RWE AG in Essen) herauskristallisiert zu haben. Alles Menschen aus der „Mitte der Gesellschaft“. Oder doch nicht? Die krampfhaften Versuche sich von rechts abzugrenzen dürften durch das wiederholte lancieren von Meldungen auf dem neurechten Blog „Blu-News“ durch die Bochumer AfD ad absurdum geführt werden. Auf Facebook bezieht sich die Bochumer AfD gar positiv auf die Aktionen militanter Dortmunder Neonazis. Nach einem Übergriff durch RUB-Nazi Michael Brück und weitere Kameraden auf Menschen, die Nazipropaganda im Straßenbild offenbar keinen Raum geben wollten, lobte die Bochumer AfD die Nazis gar für deren „Engagement“. Auch der revanchistischen „Landsmannschaft Ostpreußen“ wird auf der Bochumer AfD-Facebook-Seite regelmäßig Raum zugestanden.

In Bochum hat die AfD bis auf samstägliches Verteilen von Flugblätter in der Kortumstraße, einem äußerst peinlichem Auftritt vor dem Stadtrat und wiederholtes lancieren von Meldungen auf einem Blog der neuen Rechten über böse Linksextremisten, die SPD und den Bochumer Kinder- und Jugendring bisher nicht viel auf die Reihe bekommen. Wenn Parteichef Bernd Lucke behauptet, „in einzelnen Städten, beispielsweise Bochum, trauen sich AfD-Politiker und Anhänger nicht offen auf die Straße, weil sie tätliche Angriffe befürchteten“, ist das natürlich Panikmache und der versuch, sich als Opfer zu inszenieren. Nach dem verpatzen Kreisparteitag setzte auf eine Großveranstaltung in der Wattenscheider Stadthalle. Erst hatten die Rechtspopulist*innen versucht, das Audimax der Ruhr-Uni Bochum zu mieten, was allerdings die zuständige Veranstaltungsagentur „UNIversaal“ allerdings ablehnte. Eine weise Entscheidung, hat die RUB doch bereits seit Oktober 2013 ein akutes Naziproblem. Die AfD suchte wohl die ultimative Provokation, hatte sie an der RUB doch auch in der Vergangenheit keinen guten Schnitt gemacht.

An der NRW-Spitze der AfD und deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ bestimmen mittlerweile Burschenschaftler und rechte Hardliner das Bild. Den „Kolibris“, die gemäßigten „konservativ-liberalen“ in der AfD droht, den Flügelkampf auch in NRW zu verlieren und verlassen die Partei. Die AfD ist nicht zu unterschätzen, da sie ein Bindeglied zur so genannten „Mitte der Gesellschaft“ darstellt und reale Chancen hat sich dauerhaft als rechtspopulistische Partei in Deutschland zu verankern.

Kein Platz, kein Raum der rechten Propaganda!

Damit droht der Einzug von gleich drei rechten Parteien in den Bochumer Stadtrat. Am heutigen Tag vor der Wahl wird sich noch einmal zeigen, wieviel Raum die Bochum*innen den öffentlichen Aktionen wie Infoständen oder sonstigen Propagandaaktionen der Rechten geben. Wir rufen dazu auf nicht wegzusehen, wenn Neonazis und Rechtspopulist*innen um Stimmen buhlen – egal ob offen neonazistisch oder unter bürgerlichem Deckmantel.

Keine Nazis, keine Rechtspopulist*innen in den Bochumer Stadtrat!