Am vergangenen Samstag gingen ca. 70 Menschen auf die Straße um an Josef Anton Gera zu erinnern. Dieser ist im Jahr 1997 von zwei Neonazis aus homofeindlichen Motiven mit einer Eisenstange attackiert worden, woraufhin er drei Tage später am 17.10.1997 im Bochumer Elisabeth Krankenhaus verstarb.
Die Demo begann gegen 14:00Uhr am Bochumer Rathaus, wo die Tat geschildert wurde und konkrete Forderungen an die Stadt Bochum im Umgang mit dieser rechten Gewalttat verlesen wurden:
„Wir fordern daher die Stadt auf, bis zum 25. Todestag von Josef Anton Gera im kommenden Jahr:
1. Josef Anton Gera offiziell als Opfer rechter Gewalt in der jüngeren Geschichte der Stadt anzuerkennen.
2. über den durch Nazis verübten Mord an Josef Anton Gera auf der offiziellen Homepage der Stadt aufzuklären.
3. die bisher geleistete Gedenkarbeit durch lokale Antifaschist*innen dabei zu benennen und die vor zehn Jahren angebrachte Gedenktafel anzuerkennen.
4. einen Platz in der Innenstadt nach Josef Anton Gera zu benennen.
5. ein Mahnmal gegen rechte Gewalt, soziale Ausgrenzung und Homophobie zu installieren.“
Im weiteren Verlauf wurde noch ein Redebeitrag zur Aktualität transphober/homophober Gewalt verlesen, ehe es in einer kurzen Demo zum Westpark ging, wo vor zehn Jahren Bochumer Antifaschist:innen eine Gedenktafel für Josef Anton Gera anbrachten. An der Bahnhaltestelle/Brücke Bochum West wurde zudem ein Transparent in Gedenken an Josef Anton Gera angebracht. Leider waren vereinzelt auch homofeindliche Pöbeleien am Demorand zu vernehmen. Am Westpark angekommen, trug die VVN BdA Bochum zudem ein Redebeitrag zur Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus vor, ehe Blumen niedergelegt und die Kundgebung mit einer Schweigeminute beendet wurde.
Antifaschistische Linke Bochum,
Oktober 2021
Bilder:
zu den Reden:
Rede Antifaschistische Linke Bochum:
Hallo zusammen,
morgen, am 17.10.2021, ist es 24 Jahre her, dass Josef Anton Gera von Nazis ermordet wurde.
Der Frührentner war zu diesem Zeitpunkt 59 Jahre alt. Josef Anton Gera bewegte sich im Wohnungslosenmilieu und wollte am Abend des 14.10.1997 mit einigen Bekannten etwas trinken. Doch seine Trinkkumpanen und späteren Mörder, Patrick Kerkau und Uwe Kleindopp, hatten anderes im Sinn und wollten Gera eine Abreibung verpassen. Dazu suchten sie mit dem offen Homosexuellen Josef Anton Gera eine Laube auf dem ehemaligen Krupp Gelände an der Alleestr. auf. Kerkau entkleidete seinen Oberkörper, um Josef Anton Gera dazu zu animieren, ihn anzufassen – mit Erfolg. Darauf hatten die beiden nur gewartet und schlugen unvermittelt mit einer Eisenstange auf Josef Anton Gera ein. Dieser konnte sich schwerverletzt zur Straße schleppen und der herbei gerufenen Polizei noch mitteilen, dass er von Nazis angegriffen wurde. Josef Anton Gera erlag drei Tage später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen und verstarb am 17.10.1997.
Neben der Aussage Josef Anton Geras selbst weisen auch die Umstände der Tat zweifelsfrei darauf hin, dass der Hass auf Homosexuelle durch die Nazi-Ideologie der beiden Täter bedingt war.
Ihre Schilderung “es einem Schwulen mal so richtig gezeigt” zu haben, schlossen sie dem Ausruf „Sieg Heil!“. Auch am Tatabend fielen „Sieg Heil!“ Parolen und Hitlergrüße wurden gezeigt.
Die Laube, in der die Tat stattfand und in der Geras Mörder lebten, war mit Hakenkreuzen, Totenköpfen und SS-Runen beschmiert. Auch der Staatsschutz gab an, dass die Täter lose Kontakte in die rechte Szene gehabt haben, selbst aber nicht organisiert gewesen sein sollen.
Trotzdem erkannten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft ein rechtsextremes Tatmotiv an. Im Gerichtsprozess wurde die extrem rechte Gesinnung nicht zum Thema gemacht. Auch die Stadt Bochum beschäftigte sich nicht näher mit dem rechten Mord, der nur wenige hundert Meter vom Bochumer Rathaus entfernt stattfand. Scheinbar benötigt man damals wie heute eine Parteimitgliedschaft bei NPD und co., um eine rechte Tat begehen zu können. Die beiden Täter wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf bzw sechs Jahre Haft verurteilt. Die Presse berichtete zwar über die Tat und den späteren Prozess, ließ dabei in den meisten Fällen jedoch aus, dass die Täter vor Gericht angaben, geplant zu haben Gera eine “Abreibung zu verpassen”. Damit bediente diese auch homophobe Ressentiments, nach dem Motto “hätte er sie nicht angepackt, wäre ihm nix passiert”. Letztendlich wurde die Tat damit abgetan, dass viel Frust und Alkohol eine Rolle gespielt hätten. Da sie zudem noch im Wohnungslosenmilieu stattfand, sank das allgemeine Interesse daran. Aus den zwei Neonazis, die aus homophoben Motiven gezielt und geplant zuschlugen, wurden zwei frustrierte Trinker.
Es waren letztendlich lokale antifaschistische Strukturen, die den Mord an Josef Anton Gera als rechte Tat aufarbeiteten und dokumentierten und das Gedenken an ihn aufrecht erhalten haben. So war es die Gruppe Azzoncao, die eine ausführliche Dokumentation erstellte. Es waren antifaschistische Jugendliche vor rund zehn Jahren, die ein Gedenken initiierten. Und es waren Bochumer Antifaschist:innen, die ungefragt eine Gedenktafel am Bochumer Westpark anbrachten. Durch vielfältige künstlerische und aktivistische Aktionen wird jährlich auf den rechten Mord aufmerksam gemacht und an Josef Anton Gera erinnert.
Konsequente antifaschistische Recherche und Aufarbeitung der Tat sorgten dafür, dass Josef Anton Gera durch die unabhängige Amadeu Antonio Stiftung als Opfer rechter Gewalt aufgelistet wird.
Morgen jährt sich nun der Mord an Josef Anton Gera zum 24. Mal.
24 Jahre, in denen die Stadt Bochum Josef Anton Gera mit keinem Wort erwähnt
24 Jahre, in denen Josef Anton Gera nicht offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt wurde
24 Jahre, in denen ein offensichtlich rechter und homophob motivierter Mord von offiziellen Stellen ignoriert wird
24 Jahre sind mehr als genug!
Wir sind heute hier auf der Straße, um Josef Anton Gera zu gedenken. Erinnern heißt aber immer auch kämpfen. Deswegen sind wir genauso hier um uns gegen die Ignoranz der staatlichen Behörden zu stellen und die Stadt Bochum endlich dazu zu bewegen, das Gedenken an Josef Anton Gera anzuerkennen und zu bewahren. Wir wollen dafür kämpfen, dass Josef Anton Gera und der feige und homophobe Mord an ihm nicht mehr verschwiegen werden und ihm auch von offizieller Seite ein angemessenen Platz in der Bochumer Stadtgeschichte gegeben wird. Es ist unsere Pflicht als Gesellschaft extrem rechte Gewalttaten zu benennen, uns damit auseinanderzusetzen und diese zu verhindern! Die Stadt Bochum hat sich dieser Pflicht im Fall Josef Anton Gera bisher entzogen. Auch die geleistete Erinnerungsarbeit antifaschistischer und autonomer Akteur*innen erkannte sie bisher nicht an.
Aus diesen Gründen richten wir uns mit klaren Forderungen an die Stadtverwaltung und Stadtpolitik in Bochum.
Wir fordern die Stadt Bochum auf, bis zum 25. Todestag von Josef Anton Gera im kommenden Jahr:
1. Josef Anton Gera offiziell als Opfer rechter Gewalt in der jüngeren Geschichte der Stadt anzuerkennen.
2. über den durch Nazis verübten Mord an Josef Anton Gera auf der offiziellen Homepage der Stadt aufzuklären.
3. die bisher geleistete Gedenkarbeit durch lokale Antifaschist*innen dabei zu benennen und die vor zehn Jahren angebrachte Gedenktafel anzuerkennen.
4. einen Platz in der Innenstadt nach Josef Anton Gera zu benennen.
5. ein Mahnmal gegen rechte Gewalt, soziale Ausgrenzung und Homophopie zu installieren.
Der Fall Josef Anton Gera und zahllose andere Fälle, in denen extrem rechte Tatmotive nicht anerkannt werden, zeigen uns deutlich, dass wir uns bei Aufarbeitung von rechter Gewalt nicht auf Staat und Justiz verlassen können.
Es zeigt uns, dass wir als Antifaschist*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen selbst aktiv werden müssen, um die Erinnerung an die Betroffenen aufrecht zu erhalten und die Behörden dazu zu bringen endlich ihre Pflichten zu erfüllen und rechte Gewalttaten nicht länger zu verschweigen.
Erinnern heißt kämpfen!
Rede Non a parole – Antifaschistisches Kollektiv:
Josef Anton Gera war obdachlos; er hatte wie viele Menschen, die auf der Straße leben, keinen sicheren Rückzugsort. Josef Anton Gera war auch schwul; er fühlte sich zu Männern hingezogen. Dies kostete ihn vor 24 Jahren das Leben, denn es motivierte seine Mörder dazu, Josef Anton Gera gemeinschaftlich zu töten. Die Täter stammen aus der Neonazi-Szene.
Der rechte Rand der Gesellschaft, vom Konservatismus bis zum Rechtsextremismus, pflegt ein heteronormatives Weltbild mit genau definierten Geschlechterstereotypen. In diesem Weltbild findet sich kein Platz für homosexuelle Menschen; gerade schwule Männer mussten dies in der Bundesrepublik Deutschland Jahrzehntelang erfahren. Während sich im gesellschaftlichen Denken ein idealtypisches Männerbild geprägt von soldatischer Stärke und Schürzenjägertum etablieren konnte, war für schwule Männer dort kein Platz. Männliche Homosexualität wird in diesem Welt- und Männerbild als vermeintlich unmännliche Schwäche und als Gefahr für die völkische Gemeinschaft wahrgenommen. Josef Anton Gera entsprach nicht den Männlichkeitsidealen seiner Mörder, was diese als Grund ansahen, ihn zu töten.
Vor ihren Familien prahlten sie, sie hätten es „einem Schwulen gezeigt“, trotzdem schloss die Bochumer Staatsanwaltschaft eine politische Motivation mit Verweis auf den Alkoholpegel der Täter zum Tatzeitpunkt aus. Doch auch betrunkene Nazis sind Nazis und ein politischer Mord bleibt ein politischer Mord, egal was die ohnehin problematische Staatsanwaltschaft in Bochum vor 24 Jahren behauptete.
Daher sind wir heute hier versammelt, um Josef Anton Gera und allen anderen Opfern faschistischer und queerfeindlicher Gewalt zu gedenken. Und gleichzeitig ist uns schmerzlich bewusst, dass diese Tat auch heute in Bochum oder jeder anderen deutschen Stadt-genau-so- passieren könnte, denn die heteronormative Dominanzgesellschaft hat sich nur scheinbar progressiv entwickelt. Die Ehe für alle verhindert zwar nun teils institutionelle Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren, doch welches Bild wild transportiert, wenn die Noch-Bundeskanzlerin gut sichtbar gegen das Gesetz stimmt? Welches Bild wird transportiert, wenn Pride-Demonstrationen von Neonazis angegriffen oder CSD-Besucher*innen von der Polizei misshandelt werden? Welches Bild wird transportiert, wenn die Diskriminierung von queeren Menschen noch immer Alltag ist und die Täter*innen meist wenig zu befürchten haben?
Denn trotz vermeintlicher Gleichstellung von LGBTIAQ+ sieht ihre Lebensrealität oft anders aus, denn homo- und bisexuelle Menschen, transidente Personen, nicht-binäre Personen und andere queere Menschen sind oftmals nicht nur einfach, sondern mehrfach marginalisiert. Dies manifestiert sich nicht selten auf dem Erwerbsmarkt, in dem ihre strukturelle Unterdrückung und Unsichtbarmachung Alltag ist.
Hieraus resultiert eine Mehrfachdiskriminierung, die sich gegenseitig bedingt und verstärkt. Mehrfachmarginalisierte Menschen sind innerhalb der staatlichen Institutionen oft Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt. Sie können sich seltener auf das Sicherungsnetz des Sozialstaates verlassen als die Mehrheitsgesellschaft.
Obwohl sich die BRD als vermeintlich liberaler europäischer Staat präsentiert – und dies stimmt im Vergleich zu Polen oder Ungarn, um einige Beispiele mit trauriger Berühmtheit zu nennen — ist auch die deutsche Dominanzgesellschaft ein Teil des europäischen Problems. So genannte LGBT-freie Zonen, gesellschaftliche Ausgrenzung und offene Gewalt gegen Queers sind in ganz Europa Teil der regressiven Normalität. Die Verfolgung von LGBTIAQ+ sowie Frauen hat eine lange Tradition in konservativen und regressiven Gesellschaften. Doch auch ein Staat, der sich auf dem Gebiet der Rechte für Frauen und queere Menschen liberal zeigt, muss noch kein progressiver und erst recht kein gerechter Staat sein.
Die BRD zeigt uns nämlich deutlich, wie individuelle Freiheitsrechte wie das Recht auf Eheschließung anerkannt werden können, ohne etwas an alltäglicher Diskriminierung und Aggression zu ändern. Antifeminismus hat auch im angeblich emanzipierten Deutschland Konjunktur – sei es unter Neonazis, bei Protesten fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen, im Vereinsheim oder der sonntäglichen Kanzelpredigt. In Deutschland sind es unter anderem die AfD und andere rechte Akteur*innen, die ein solches Denken vorantreiben und am konservativen Backlash arbeiten.
Wir als progressive Linke können und dürfen diesen Status quo nicht mehr hinnehmen, daher fordern wir euch alle auf: Schaut nicht weg, wenn ihr Zeug*innen von queerfeindlicher Gewalt werdet, mischt euch ein und steht euren Mitmenschen zur Seite. Entzieht den Feind*innen einer freien und selbstbestimmten Lebensweise ihre gesellschaftlichen Rückzugsräume, verteidigt queere Freiräume und sagt dem heteronormativen Normalzustand dieser Gesellschaft den Kampf an!
Niemand ist frei, solange es nicht alle sind!
Rede VVN-BdA Bochum:
Über die Situation der Homosexuellen Menschen während des Faschismus ließe sich ein abendfüllender Vortrag oder sogar ein Tagesseminar gestalten. Daher heute nur ein kurzer Abriss mit einigen Eckdaten:
Die Verfolgung und Unterdrückung homosexueller Lebensweisen stand in Deutschland bereits seit dem 15. Mai 1871 unter Strafe. Damals wurde der § 175 eingeführt und sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts im ganzen Kaiserreich unter Strafe gestellt.
Bereits am im Mai 1897 gründete sich das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee. Es gilt als erste Organisation der Geschichte, die sich um die Liberalisierung von Homosexualität bemühte. Das Ziel des Komitees lag vor allem in der Beseitigung des § 175. Dabei arbeitete es eng mit dem 1919 eröffneten Institut für Sexualwissenschaft. Dies beschrieb Homosexuelle als ein biologisches drittes Geschlecht zwischen Mann und Frau. Homosexualität sollte nicht länger strafrechtlich verfolgt werden, da es sich um eine angeborene Eigenschaft handele.
Bis 1935 wurden homosexuelle Männer in Deutschland nach § 175 StGB nur bestraft, wenn sie sogenannte beischlafsähnliche Handlungen vorgenommen hatten. Dieser Nachweis war natürlich sehr schwer zu führen. Die Anzahl der Verurteilten war demgemäß verhältnismäßig gering.
Das änderte sich nach der Machtergreifung der Faschisten. Sie hielten Homosexualität für eine widernatürliche Veranlagung, für eine das Volk schädigende Seuche, die es auszurotten gelte. Bereits kurz nach der faschistischen Machtergreifung wurden im März 1933 die lesbischen und schwulen Lokale Berlins geschlossen. Die Infrastruktur der deutschen Homosexuellenbewegung, Lokale, Vereine, Verlage sowie Zeitschriften wurden aufgelöst und verboten.
Schwule wurden von Hitler als Volksfeinde denunziert. Er betrachtete Homosexualität als ein entartetes Verhalten, das die Leistungsfähigkeit des Staates und den männlichen Charakter des deutschen Volkes bedrohe.
Schwule und Lesben trugen in der Wahrnehmung der Faschisten nicht zur Fortpflanzung der Herrenrasse bei und standen somit der Ideologie des Faschismus entgegen.
Aber es wurden auch nicht unbedingt alle schwulen Männer verfolgt. In dem von Männerbünden geprägten Faschismus ließ sich Homosexualität nicht endgültig vermeiden. Solange die betroffenen Männer für den Faschismus eintraten blieben sie unverfolgt. Dies stellt man analog ja auch heute noch in den rechten und faschistischen Parteien und Gruppierungen fest.
Die Situation der Homosexuellen wurde ab schlagartig mit der Ermordung von Ernst Röhm, dem homosexuellen Führer der Sturmabteilung (SA) lebensgefährlich. Wurde Röhm zunächst von Hitler geschützt, empfand er ihn jedoch später als Bedrohung und ließ ihn während des Röhmputsches, der sogenannten Nacht der langen Messer (Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1934), zusammen mit vielen anderen SA-Führern, töten. Einen wichtigen Part hierbei nahm der SS- und Gestapochef Heinrich Himmler ein, der die Auffassung vertrat, dass Homosexualität zur Zerstörung des Staates führe und man nur knapp der Gefahr entkommen sei, einen Staat von Homosexuellen zu bekommen.
Im Herbst 1934 begann die Verfolgung homosexueller Männer und fand einen ersten Höhepunkt in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1934, in der die Gestapo die bekannten Treffpunkte und Wirtschaften der Homosexuellen erstürmte, sie gefangen nahm und direkt in die Konzentrationslager brachte. Die Faschisten veränderten 1935 den Wortlaut des § 175 StGB so, dass nunmehr alle sexuellen Handlungen strafbar waren. Es wurden Zungenküsse bestraft, und später reichte allein eine wollüstige Absicht zum Schuldspruch. Theoretisch sollte nun bereits das „bloße Anschauen des geliebten Objekts“ oder das „bloße Berühren“ dafür ausreichen, bestraft zu werden.
Besonders hatten die Ermittler die Strichjungen im Blick, da sich diese in der Szene gut auskannten und – unter Druck – ihre Erkenntnisse preisgaben.
Am 10. Juni 1936 wurde die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung gegründet. Ihre Einrichtung war der Auftakt für die nach den Olympischen Spielen 1936 wieder verstärkt einsetzende Homosexuellenverfolgung. Die Aufgabe der Reichszentrale bestand vorrangig in der Sammlung von Daten über Homosexuelle. Die Rosa Liste enthielt schließlich Dateien von etwa 100.000 als homosexuell bestrafter oder verdächtiger Männer.
Rund 50.000 Urteile wurden zwischen 1934 und 1944 gefällt. Etwa 10.000 Homosexuelle waren in den NS-Konzentrationslagern inhaftiert, in die sie in der Regel erst nach Verbüßung ihrer Gefängnis- oder Zuchthausstrafe eingewiesen wurden. In den Konzentrationslagern wurden sie besonders gekennzeichnet, nach Einführung einheitlicher Häftlingskategorien ab 1938, mit dem „Rosa Winkel“. Männer die wechselnden Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hatten, wurden als Berufsverbrecher geführt. Hunderte schwuler Männer wurden auf gerichtliche Anordnung hin kastriert.
Im Konzentrationslager Buchenwald führte der dänische SS-Arzt Carl Værnet 1944 Menschenversuche zur Heilung durch. Er implantierte den Opfern künstliche Hormondrüsen in der Leistengegend, die durch die permanente Abgabe männlicher Hormone zu Heterosexualität führen sollten.
Nur wenige überlebten die Konzentrationslager.
Zur Situation von Lesben im Nationalsozialismus sind viele Fragen weiterhin offen: zu Unterdrückung und Verfolgung und grundlegend zu ihrem Leben in einem „Männerstaat“, der Frauen aus dem öffentlichen Leben drängte, sie ideologisch auf die Mutterrolle festlegte. Hier gibt es noch einen großen Forschungsbedarf.
Lesbische Frauen wurden in der Regel nicht wegen ihres Lesbischseins verfolgt, aber es wurden jüdische oder politisch missliebige (z. B. im kommunistischen Widerstand aktive) Lesben aus diesen Gründen ebenfalls verschleppt.
Homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus waren lange Zeit aus dem öffentlichen Gedenken und der Entschädigung von NS-Unrecht ausgegrenzt. Ein Umdenken in der Erinnerungspolitik setzte erst 1985 als Homosexuelle als Verfolgtengruppe in das Gedenken einbezogen wurden. Jedoch erst 2002, konnte die gesetzliche Rehabilitierung der Opfer des Homosexuellen-Paragraphen 175 aus der NS-Zeit durchgesetzt werden.
Im Jahr 1969 wurde gleichgeschlechtlicher sexueller Verkehr bei einem Schutzalter von 21 Jahren entkriminalisiert: Seit 1969 war Homosexualität unter Erwachsenen in Westdeutschland damit straffrei. Im Rahmen der Reform des Sexualrechts in der sozialliberalen Koalition wurde 1973 das Schutzalter auf 18 Jahre reduziert. Der § 175 bezog sich seitdem nur noch auf Jugendliche. Auch nach der Legalisierung wurde jedoch die polizeiliche Sammlung der Daten von Homosexuellen in Rosa Listen zunächst fortgesetzt.
Erst 1994 im Zuge der Rechtsangleichung nach der deutschen Wiedervereinigung wurde der § 175 endgültig abgeschafft.
Diskriminierung gibt es jedoch weiterhin. So dürfen u.a. homosexuelle Männer nur nach einer 4-monatigen sexuellen Enthaltsamkeit Blut spenden.
In Bochum erinnern zur Zeit 13 Stolpersteine an homosexuelle Opfer des Faschismus.