In der Nacht auf Montag wurde die Synagoge an der Castroper Straße mit Eisenkugeln beschossen. Diese wurden vermutlich mit einer Zwille abgegeben. Hierbei wurde eine Scheibe im Eingangsbereich der Synagoge beschädigt. Aus Solidarität mit der jüdischen Gemeinde in Bochum, haben wir gestern spontan eine Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit der jüdischen Gemeinde – Gegen jeden Antisemitismus“ durchgeführt. Hierbei kamen ca. 100 Menschen zusammen die spontan vom Hauptbahnhof in Richtung Synagoge zogen, um die Demo dann letztendlich am Dr. Ruer Platz zu beenden.
Im weiteren dokumentieren wir unseren Redebeitrag, der sich inhaltlich mit antisemitischen Vorfällen und Angriffen in Bochum und Umgebung befasst:
„In der vergangenen Nacht wurde eine Scheibe im Eingangsbereich der Synagoge mit Stahlkugeln, die wohl mit einer Zwille abgefeuert wurden, zerstört. Auch beim angrenzenden Planetarium wurden zerstörte Scheiben entdeckt. Unwahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet die Synagoge während der Ausgangssperre Ziel von blindem Vandalismus geworden ist. Ein antisemitischer Hintergrund liegt nahe.
Seit der Corona Pandemie genießen antisemitische Narrative erneut Hochkunjunktur, die meist in verschiedensten Verschwörungserzählungen eingebunden sind. Damit einhergehen oftmals Vergleiche, die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren. Auch in Bochum traten verschwörungstheoretische Gruppen mit Kundgebungen, Demonstrationen oder Autokorsos in die Öffentlichkeit und verbreiteten krude Erzählung über geheime Eliten und die “Finanzmafia”, die die Corona Pandemie angeblich steuern würden. Auch plumper Antisemitismus und NS-Verharmlosungen konnten während dieser Veranstaltungen beobachtet werden. So wurde in den letzten Wochen bei “Querdenken 234” Veranstaltungen ein Polizist als “KZ-Aufseher” bezeichnet und ein Schild mit der Aufschrift „Ist wieder 1933?“ „Heil(t) Merkel & Spahn von ihrem Corona-Wahn!“ wurde stolz in die Luft gehalten. Im März wurden gleich zwei Autokorsos der verschwörungsideologischen Gruppe “Querdenken” direkt an der Synagoge vorbeigeleitet, geschützt von einem kompletten Fuhrpark von Polizei und Ordnungsamt. Antifaschist*innen wiesen unermüdlich auf den gefährlichen Antisemitismus, der von diesen Gruppen ausgeht hin.
Ebenfalls werden in Bochum seit 2018 regelmäßig antisemitische Parolen großflächig im Stadtgebiet gesprüht, auch hier sind neben den Schmiereien, die aus dem klassischen Nazispektrum stammen, auch solche dabei die einen verschwörungsideologische Hintergrund haben. In den letzten Wochen tauchten entlang des Radweges in der Nähe des Bochumer Westparks antisemitische Schmiereien auf, die auch ein, in Gedenken an die beim rechtsterroristischen Anschlages in Hanau getöteten Menschen erstelltes Graffiti, zerstören sollten. Doch es bleibt leider nicht nur bei gesprühten Parolen und verbalen Entgleisungen. So wurde im vergangenen Jahr eine Ausstellung die das Leben jüdischer Sportler*innen thematisierte, in der Bochumer Innenstadt zerstört. In unserer Nachbarstadt Essen wurde im November 2020 eine Scheibe der dortigen Synagoge mit einem Betonblock eingeworfen. In Hamburg ist nur ein Monat zuvor ein jüdischer Student von einer Person mit einem Spaten angegriffen worden. Der traurige Höhepunkt der vergangenen Jahren ist sicherlich der antisemitische Anschlag von Halle, als ein Rechtsterrorist versuchte an Yom Kippur in die Synagoge einzudringen und im weiteren Verlauf zwei Menschen erschoss.
In Bochum wurde im Jahr 2004 das Auto des Bochumer Rabbiners angegriffen. Dabei wurden Reifen zerstochen, Scheiben eingeschlagen und Hakenkreuze in den Lack gekratzt. Dieser Angriff reihte sich damals in eine lange Reihe von antisemistischen Taten ein, die rund um den Neubau der Synagoge an der Castroper Straße verübt wurden. Hinzu kamen wöchentliche Flugblatt-Aktionen Bochumer Nazis gegen die Synagoge, die Schändungen des jüdischen Freidhofs in Bochum und in Dortmund sowie eine Demonstration der NPD zusammen mit Freien Kameradschaften, die sich gezielt gegen die Synagoge richtete. Herbei hielt der Vorsitzende der nordrhein-westfälsichen NPD Claus Cremer eine antisemitische Rede, für die er im Nachhinein wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Cremer saß im Zeitraum von 2009 bis 2020 im Bochumer Stadtrat.
Ein damaliges NPD Mitglied schändete im Jahr 2014 zudem den jüdischen Friedhof in Wattenscheid. Dort wurden bereits im Jahr 2010 Grabsteine massiv mit Naziparolen und Hakenkreuzen geschändet. Auch in Herne kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Schändungen von Gedenksteinen und jüdischen Grabsteinen.
Ob die Täter*innen nun Nazis, Anhänger*innen von Verschwörungstheorien, Islamisten oder einfache Bürger*innen sind, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen bedarf einer unverzüglichen, entschlossenen Reaktion.
Wir müssen uns Antisemitismus klar entgegenstellen! Wir haben zu oft erlebt, dass aus Worten und Parolen Taten werden. Wir als Antifaschist*innen weisen unentwegt und besorgt auf antisemitische Auswüchse hin und sehen, dass wir uns dabei nicht auf Staat und Polizei verlassen können.
Lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen und unsere Solidarität und auch Wut über deartige Taten in die Bochumer Öffentlichkeit tragen!
Denn wir stehen:
Gegen jeden Antisemitismus!“
Einen weiteren Redebeitrag zu Antisemitismus und Verschwörungsmythen hielt die Gruppe Non a parole. Desweiteren wurde die Demo unterstützt von Fantifa Bochum/Witten, Antifa Café Bochum und antifaschistischen Einzelpersonen.
Antifaschistische Linke Bochum,
April 2021